Außergewöhnliche Umstände
Bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände entfällt gemäß Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) die Pflicht des ausführenden Luftfahrtunternehmens, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 der Verordnung zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Außergewöhnliche Umstände
Außergewöhnliche Umstände Reiserecht
Außergewöhnliche Umstände Flug
Der Flugverkehr hält für Passagiere viele Ärgernisse bereit. Insbesondere die Annullierung oder Verspätung von Flügen sind für den Fluggast nicht nur nervenaufreibend, sondern auch organisatorisch eine Herausforderung. Um dem Gedanken des Verbraucherschutzes Rechnung zu tragen, stehen dem Passagier nach dem Reiserecht in einem solchen Fall Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung zu. Neben gewissen Betreuungsleistungen, die zunächst in der akuten Situation Grundbedürfnisse nach einer Mahlzeit oder Getränken abdecken sollen, kann der Reisende bei einer Annullierung oder erheblichen Verspätung auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen haben. Das ergibt sich aus Art. 7 VO-EG Nr. 261/2004. Allerdings besteht bei der Annullierung, als auch bei der Verspätung, eine sogenannte Exkulpationsmöglichkeit der ausführenden Fluggesellschaft: Gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 kann sich das Unternehmen durch einen Entlastungsbeweis von der Haftung und damit der Pflicht zur Zahlung von Ausgleichszahlungen befreien, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung (bzw. nach Rechtsprechung des EuGH auch die gleichzustellende, erhebliche Verspätung) auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht.
Das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände muss im Einzelfall durch das Luftfahrtunternehmen dargelegt und (im möglichen Gerichtsprozess) durch das Gericht festgestellt werden. Es ist jeder Einzelfall gesondert zu betrachten, so dass in der Praxis eine Vielzahl möglicher Tatsachen und Umstände vorstellbar ist, die sich als "außergewöhnlich" im Sinne der Verordnung darstellen können. Grundsätzlich gebietet der verbraucherschützende Zweck der Verordnung eine enge Auslegung: die Fluggesellschaft soll sich nicht bei jedem Zwischenfall, der Auswirkungen auf den reibungslosen Ablauf des Luftverkehrs hat, exkulpieren können. Denn sie trägt das grundsätzliche unternehmerische Risiko für den planmäßigen Ablauf der angebotenen Flugverbindungen. Andererseits soll auch die Fluggesellschaft nicht für Zwischenfälle und Umstände haften, die sich menschlicher Beherrschbarkeit entziehen und nicht mehr unter das allgemeine, aber auch nicht das typische flugverkehrsspezifische unternehmerische Risiko gefasst werden könne.
Damit ist zwar ein Maßstab der Beurteilung, wann außergewöhnliche Umstände vorliegen, gegeben - die konkrete Einordnung von Umständen als "außergewöhnlich" bedarf aber im Einzelfall einer sorgfältigen Betrachtung. Der europäische Gesetzgeber sah ursprünglich den Begriff „Höhere Gewalt“ für den Gesetzestext vor, der auch im deutschen Recht bekannt und definiert ist. Die letztendliche Verwendung des Begriffs "außergewöhnliche Umstände" bewirkte zunächst eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Allerdings wurde der Begriff von Fall zu Fall durch die Rechtsprechung konkretisiert, so dass nunmehr die Auswertung der entsprechenden Urteile eine Einordnung und Systematisierung des Begriffs ermöglicht.
Außergewöhnliche Umstände Englisch
Im Recht der Europäischen Union spielt bei der Auslegung eines Rechtsaktes auch der Vergleich mit anderssprachigen Versionen zur Erforschung des Telos einer Norm eine wichtige Rolle. Der Wortlaut des VO-EG Nr. 261/2004 in englischer Sprache lautet:
"An operating air carrier shall not be obliged to pay compensation in accordance with Article 7, if it can prove that the cancellation is caused by extraordinary circumstances which could not have been avoided even if all reasonable measures had been taken."
(Siehe: Englische Version der Fluggastrechteverordnung).
Außergewöhnliche Umstände Definition
Außergewöhnlicher Umstand im Sinne des 14. Erwägungsgrundes
Die Fluggastrechteverordnung enthält keine Legaldefintion des Begriffs "außergewöhnliche Umstände". Um einen bereits bekannten oder anderweitig verwendeten juristischen Fachbegriff handelt es sich ebenfalls nicht. Jedoch thematisieren die Erwägungsgründe 14 und 15 VO-EG Nr. 261/2004 dir Begrifflichkeit. In den Erwägungsgründen sind einige Vorkommnisse aufgezählt, welche beispielhaft außergewöhnliche Umstände darstellen können:
"Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten."
Diese Auflistung ist allerdings nicht abschließend, so dass durchaus andere Gründe, als die aufgelisteten, für einen außergewöhnlichen Umstand in Betracht kommen. Es muss beachtet werden, dass der Europäische Gerichtshof Begriff im europäischen Recht, die eine Ausnahme von einem Grundsatz aufstellen, immer eng auslegt. Hier ist der Grundsatz, dass Passagiere bei Annullierung oder Verspätung eine Ausgleichszahlung erhalten. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 stellt eine Ausnahme von diesem Grundsatz dar.
Außergewöhnlicher Umstand Rechtsprechung
Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs wurde der Begriff konkretisiert. Es liegt nahe, dass im Luftverkehr viele Möglichkeiten bestehen, die einen reibungslosen Ablauf des [Flug]es stören können. Es dürfen jedoch bei weitem nicht alle als außergewöhnliche Umstände qualifiziert werden. Vielmehr gebietet es der Gedanke des Verbraucherschutzes möglichst wenige Situationen als außergewöhnliche Umstände zu werten (EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az. C-549/07). Dabei ist davon auszugehen, dass vor allem solche Umstände als außergewöhnlich gelten, welche „abseits des Gewöhnlichen“ liegen (EuGH, Urt. v. 31.01.2013, Az. 12/11). Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass ein außergewöhnlicher Umstand nur dann angenommen werden kann, wenn der Lauf der Gegebenheiten von dem Luftfahrtunternehmen nicht beherrschbar ist. Sie dürfen aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der gewöhnlichen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens sein (EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az. C-549/07). Gerade bei der Beurteilung eines Umstandes, welcher in der Auflistung in den Erwägungsgründen nicht aufgezählt ist, ist das Kriterium der Beherrschbarkeit von geradezu herausragender Bedeutung.
Außergewöhnliche Umstände (Definition anhand der Rechtsprechung des EuGH)
- Ereignis, welches bei der gewöhnlichen Ausübung der Tätigkeit eine Fluggesellschaft (Organisations, bzw. Leistungsbereich) nicht eintritt und von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen ist.
- Tatsächlich unbeherrschbare Vorkommnisse sind solche, die von außen auf die Durchführung des Fluges einwirken.
Außergewöhnliche Umstände und Zumutbare Maßnahmen
Gemäß Art. 5 Abs. 3 Vo-EG Nr. 261/2004 muss die ausführende Fluggesellschaft nicht nur das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände geltend machen, sondern auch darlegen, dass sich deren Eintreten auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Dabei ist allerdings nicht alleine maßgeblich, ob die Annullierung hätte vermieden werden können, sondern zunächst der Eintritt der außergewöhnlichen Umstände (so etwa AG Bremen, Urt. v. 04.08.2011, Az.: 9 C 135/11). Insofern ist das Kriterium des Ergreifens zumutbarer Maßnahmen sowohl auf den Eintritt des außergewöhnlichen Umstands, als auf die Verhinderung einer Verspätung/Annullierung anzuwenden.
- Siehe dazu: Zumutbare Maßnahmen
Außergewöhliche Umstände Beweislast
Sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen die Zahlung von Ausgleichsansprüchen mit dem schlichten Hinweis auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände verweigert, fällt es dem Passagier regelmäßig schwer nachzuvollziehen, ob diese Verweigerung rechtens ist. Denn der Passagier hat regelmäßig weder Einblick in den Betriebsablauf einer Fluggesellschaft, noch kann er mögliche Darlegungen nachvollziehen bzw. nachprüfen. Zwar besteht nach dem Grundsatz von "Treu und Glauben" (§ 242 BGB) ein berechtigtes Interesse des Passgieres an der Offenlegung der Umstände durch die Fluggesellschaft. Die Vollständigkeit und den Wahrheitsgehalt möglicher Darlegungen sind für einen Laien jedoch kaum feststellbar. Regelmäßig ist der Passagier also auf die Inanspruchnahme einer gerichtlichen Klärung angewiesen; denn im Prozess trägt die Fluggesellschaft die Beweislast.
Beruft sich eine Fluggesellschaft auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, trägt sie die Beweislast im Gerichtsprozess. Grundsätzlich muss zwar der Kläger in einem Zivilprozess die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen. Unabhängig davon, dass es im Einzelfall schwer sein kann, ein „Nichtvorliegen“ von gewissen Umständen zu beweisen, gibt es aber bei Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 eine sogenannte Beweislastumkehr (Vgl.: AG Frankfurt, Urteil vom 6.2.2017, Az.: 31 C 3832/15 (83), LG Korneuburg, Urteil vom 7.9.2017, Az.: 21 R 246/17z; AG Königs Wusterhausen, Urteil vom 18.12.2017; Az.: 4 C 1217/17 (2)). Diese Beweislastumkehr führt dazu, dass ein allgemeiner Vortrag bzw. Verweis auf das Vorliegen durch die Fluggesellschaft nicht ausreicht. Vielmehr müssen detailliert zeitliche, örtliche und technische Informationen dargelegt werden (vgl. Staudinger/Keiler, FluggastrechteVO, Art. 5 Rn. 33f.). Nicht ausreichend ist beispielsweise der Hinweise auf allgemein schlechtes Wetter (AG Wedding, Urt. v. 19.09.2006, Az: 14 C 672/2005, 14 C 672/05) oder eine nicht näher begründete Berufung auf einen technischen Defekt (AG Berlin-Wedding, Urt. v. 29.03.2007, Az: 2 C 222/06). Bei einem wilden Streik muss die Fluggesellschaft darlegen, dass geeignete Überlegungen und Kalkulationen angestellt wurden, bevor Flüge annulliert werden (AG Hannover, Urt. v. 03.05.2017, Az: 425 C 1171/17).
- Zur rechtlichen Verfolgung von Ausgleichsansprüchen, siehe: Rechtsanwaltskosten.
Außergewöhnliche Umstände Rechtsfolgen
Grundsätzliche haben Passagiere einen Anspruch auf Ausgleichszahlung bei Flugverspätung und Flugannullierung gemäß Art. 7 EG (VO) 261/2004. Liegen jedoch erwiesener Maßen außergewöhnliche Umstände vor, deren Eintreten die Fluggesellschaft nicht mit zumutbaren Maßnahmen verhindern konnte, entfällt gemäß Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004 der Anspruch des Passagiers. Andere Ansprüche der Fluggäste, die sich aus der Fluggastrechteverordnung ergeben, bleiben jedoch unberührt. Die in Art. 5 Abs. 3 EG (VO) 261/2004 verankerte Exkulpationsmöglichkeit gilt insbesondere nicht für mögliche Betreuungsleistungen gemäß Art. 8, 9 EG (VO) 261/2004.
Überblick außergewöhnlicher Umstände
Bei der Frage, ob ein Ereignis außergewöhnliche Umstände darstellt, kann anhand der sich aus der Rechtsprechung ergebenden Definition (s.o.) eine Differenzierung vorgenommen werden. Hier soll folglich zur Systematisierung danach unterteilt werden, ob bestimmte Umstände und Ereignisse in den Organisationsbereich der Fluggesellschaft fallen, beherrschbar sind und daher außergewöhnliche Umstände darstellen, oder ob bestimmte Umstände oder Ereignisse für die ausführende Fluggesellschaft nicht beherrschbar sind und nicht ihrer Risikosphäre zugeordnet werden können.
Organisationsbereich der Fluggesellschaft
Ein Ereignis, das typischerweise dem Organisationsbereich der Fluggesellschaft zuzuordnen ist, stellt keine außergewöhnlichen Umstände dar.
Technische Defekte als außergewöhnliche Umstände
Technische Defekte im Luftverkehr stellen in der Regel keinen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 EG (VO) 261/2004 dar (BGH, Urt. v. 21.08.2012, Az.: X ZR 146/11, insb. EuGH Urteil zu Technischen Problemen als außergewöhnlicher Umstand , Rs. C 549/07 Wallentin-Hermann gegen Alitalia – Linee Aeree Italiane SpA). Da das Luftfahrtunternehmen zu regelmäßigen Wartungsarbeiten verpflichtet ist, fallen technische Defekte am Flugzeug selbst in den Verantwortungsbereich des Luftfrachtführers und stellen nur in Ausnahmefällen außergewöhnliche Umstände dar. Das hat der Europäische Gerichtshof auch deutlich klargestellt (EuGH, Urteil vom 17.09.2015, Az. C-257/14). Auch wenn die Fluggesellschaft im konkreten Einzelfall nicht mit dem technischen Defekt rechnen konnte, kann sie sich nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen. Vielmehr sei es eine Erfahrung aus dem laufenden Flugverkehr, dass regelmäßig technische Defekte auftreten können, da bei so hochkomplexen Maschinen gewisse Makel auch bei Wartungsarbeiten übersehen werden können. Tritt ein bestimmter technischer Defekt jedoch besonders selten auf, könnte man denken, dass im Ausnahmefall ein außergewöhnlicher Umstand angenommen werden kann. Dem ist jedoch nicht so. Vielmehr muss die Airline generell mit technischen Defekten rechnen. Es ist also nicht von Bedeutung, wie selten ein bestimmter Defekt ist (LG Darmstadt, Urteil vom 16.06.2010, Az. 7 S 200/08).
Daraus könnte nun folgen, dass das Luftfahrtunternehmen alle ihm zumutbaren Maßnahmen unternommen hat, wenn es die ihm obliegenden Wartungsarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt hat. Allerdings fallen Fehler, die zwischen den Wartungsarbeiten entstehen, in den Risikobereich der Fluggesellschaft. Deshalb ist es nicht ausreichend, dass das Unternehmen alle ihm obliegenden Arbeiten ausgeführt hat. Vielmehr hat es auch für solche Fehler die Verantwortung (BGH, Urteil vom 12.11.2009, Az. Xa ZR 76/07). Das Risiko, dass in der Zeit zwischen den Wartungsarbeiten technische Defekte auftreten, liegt mithin bei der Fluggesellschaft. Maßgeblich ist nicht die Beherrschbarkeit des Defekts und damit die subjektive Vorwerfbarkeit oder Vermeidbarkeit des Fehlers, sondern vielmehr, in welchen Risikobereich das Auftreten des Defekts fällt ([LG Düsseldorf, Urteil vom 07.05.2009, Az. 22 S 215/08]). Allerdings gibt es in der Rechtsprechung auch Fälle, bei denen ein technischer Defekt als außergewöhnlicher Umstand qualifiziert wurde. Dabei kam es dann zu einer Exkulpation (Befreiung) von der Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsleistungen.
- Siehe auch: Technischer Defekt
- Rechtsprechung: EuGH Urteil zu Technischen Problemen als außergewöhnlicher Umstand , Rs. C 549/07 Wallentin-Hermann gegen Alitalia – Linee Aeree Italiane SpA; EuGH Urteil zu Technischen Problemen als außergewöhnlicher Umstand , Rs. C 549/07 Wallentin-Hermann gegen Alitalia – Linee Aeree Italiane SpA
- Für einen Überblick siehe: Tabelle "Technische Defekte und Einordnung"
Systematik technischer Defekte:
- Defekt am Fluggerät ist Organisationsbereich der Fluggesellschaft
Ist die Elektronik einer Flugzeugtür nicht funktionstüchtig, liegt ein technischer Defekt vor, der dem "Kernbereich" des Organisationsbereiches der Fluggesellschaft zuzuordnen ist. Schon nach dem Erwägungsgrund Nr. 14 der VO (EG) Nr. 261/2004 umfasst der Begriff des „außergewöhnlichen Umstands“ bereits keine Defekte am Fluggerät selbst. Bei der defekten Tür handelt es sich jedoch um einen solchen Defekt, somit fällt dieses Problem nicht unter den auspruchsausschließenden außergewöhnlichen Umstand (AG Rüsselsheim, Urt. v. 08.11.2006, 3 C 821/06). Auch ein technischer Defekt, der zum Ausfall der Stromversorgung an Bord eines Flugzeuges führt (AG Frankfurt, Urt. v. 16.02.2007, Az. 30 C 1701/06) oder das Ausfallen des Lautsprecheransagesystems an Bord (AG Bremen, Urt. v. 03.07.2007, Az. 4 C 393/06) fallen in den Verantwortungsbereich der Airline. Technische Probleme können nicht nur im Zusammenhang mit den Maschinen eines Flugzeugs entstehen, sondern auch in der Kabine. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um einen außergewöhnlichen Umstand. Auch Probleme, die im Zusammenhang mit dem Kabinendruck auftreten, sind Fehler die gelegentlich vorkommen und mit denen ein Luftfahrtunternehmen zu rechnen hat, vgl. AG Nürnberg, Urt. v. 05.04.2013, Az.: 18 C 1219/10. Auch insofern fallen solche Probleme in den Verantwortungsbereich der Airline, mit denen sie zu rechnen hat und auch dementsprechend reagieren können muss. Wenn an Bord alle vier Toiletten verstopft sind, so kann sich eine Fluggesellschaft nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen. Dieses gilt auch dann, wenn die Verstopfung von den Passagieren hervorgerufen wurde. Bei einem solchen Vorfall handelt es sich um ein Betriebsrisiko, welches sich bei Verkehrsflugzeugen verwirklichen kann. Die Fluggesellschaften sind dazu gehalten, sich auf unsachgemäßes Verhalten von Fluggästen einzurichten, vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 12.09.2011, Az.: 3 C 1047/11. Ist eine Toilette schon vor dem Flug defekt, so handelt es auch bei diesem untypischen Vorkommnis um keinen technischen Defekt, welcher die Fluggesellschaft von ihrer Ausgleichszahlungspflicht befreien würde. Es handelt sich wieder um ein Vorkommnis, das in den Bereich des normalen Betriebsrisikos fällt und von daher in dem Organisationsbereich einer Airline anzusiedeln ist (LG Darmstadt, Urt. v. 16.06.2010, Az. 7 S 200/08).
- Defekt außerhalb des Fluggerätes ist Organisationsbereich der Fluggesellschaft
Ein Ausfall der Gepäcksortierungsanlage ist kein außergewöhnlicher Umstand. Solche Anlagen sind computergesteuerte Anlagen, die der Fluggesellschaft hilft, dass das Gepäck dort ankommt, wo es hin soll. Es handelt sich um typische, den Flugbetrieb ermöglichende Anlagen der Fluggesellschaft. Führt ein Computerdefekt zu einem Ausfall der Gepäcksortierungsanlage, ist dieser Ausfall dem Luftfahrtunternehmen zuzurechnen. Es liegt in seinem Zuständigkeitsbereich, sich für solche möglichen Beeinträchtigungen eigener Systeme zu rüsten und schnelle Abhilfe zu schaffen (vgl. BGHS Wien, Urt. v. 20.12.2007, 16 C 513/07v-23).
- Plötzliches Auftreten eines Defekts am Fluggerät
Das Gleiche gilt für Hydraulikprobleme, auch wenn diese plötzlich aufgetreten. Ein solcher Zwischenfall fällt immer noch in den Organisationsbereich eines Luftfahrtunternehmens, vgl. AG Wedding, Urt. v. 24.05.2007, Az. 22a C 38/07. Auch wenn plötzlich Hydrauliköl aus der Verschlussklappe am Hauptfahrwerk auftritt, ist dieses Vorkommnis nicht als außergewöhnlicher Umstand zu qualifzieren (LG Stuttgart, Urt. v. 20.04.2011, Az. 13 S 227/10). Diese Defekte kommen zum einen nicht von außen und fallen zudem in den Verantwortungsbereich der Airline. Ein Luftfahrtunternehmen hat sicherzustellen, dass keine Defekte am Flugzeug vorliegen, die einen reibungslosen Start unmöglich machen. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Hydraulikdefekt trotz aller vorgeschriebenen Wartungen aufgetreten ist und somit durch die Airline schwer vorhersehbar war, vgl. LG Darmstadt, Urteil vom 01.12.2012, Az. 7 S 66/10. Das bedeutet, dass selbst wenn das Hydraulikproblem plötzlich aufgetreten ist, fällt dieser Vorfall immer noch in den Organisationsbereich eines Luftfahrtunternehmens. Selbiges gilt, wenn plötzlich Hydrauliköl aus der Verschlussklappe am Hauptfahrwerk auftritt, vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 20.04.2011, Az. 13 S 227/10.
- Defekt trotz Wartung
Verweist die Fluggesellschaft auf einen technischen Defekt der Höhenruderanzeige, so handelt es sich auch hierbei nicht um einen technischen Defekt, der einen Entlastungsgrund gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 darstellt. Dass eine solche Fehleinstellung unvorhersehbar war und selbst durch übliche und zumutbare Wartungsarbeiten und -intervalle nicht hat erkannt werden können, ist unerheblich (AG Rüsselsheim, Urt. 23.11.2011, Az.: 3 C 2273/11). Schließt ein Fahrwerkschacht nicht, so ist dieser technische Defekt ebenfalls nicht als außergewöhnlicher Umstand zu bewerten. Trotz der Einhaltung aller Wartungsarbeiten kann es zu einem solchen Defekt kommen. Dieser liegt im Organisationsbereich der Luftfahrtgesellschaft und befreit diese somit nicht von ihrer Ausgleichszahlungspflicht (LG Frankfurt, Urt. v. 06.02.2012, 2-24 O 219/11). Auch bei einem defekten Sensor, der zum Einfahren des Fahrwerks benötigt wird, liegt kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der der Fluggastrechteverordnung vor, vgl. LG Berlin, Urt. v. 07.02.2008, Az.: 57 S 26/07. Der Defekt einer Benzinpumpe stellt keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Verordnung (EG) Nr.261/2004 dar, da solche Defekte gelegentlich auftreten können, auch wenn jegliche Wartungsarbeiten zu den gegebenen Fristen und Ordnungsvorschriften durchgeführt wurden, vgl. AG Frankfurt, Urt. v. 07.10.2010, Az. 29 C 1352/10. In einem solchen Defekt verwirklicht sich dann vielmehr das betriebliche Risiko. Ein solcher Defekt stellt also grundsätzlich keinen außergewöhnlichen Umstand dar, auch wenn alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt wurden (BGH, Urteil vom 12.11.2009, Az.: Xa ZR 76/07, Rn. 23).
- Rechtzeitige Reparatur eines Defekts
Ein technischer Defekt an einem Kurzwellenfunkgerät stellt keinen außergewöhnlichen Umstand dar, vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 17.04.2013, Az. 3 C 3319/12 (36). Ein technischer Defekt ist nicht schlechterdings als außergewöhnlicher Umstand zu qualifizieren. Hinzu kommt, dass bei dem streitgegenständlichen Flug der Defekt des Kurzwellenfunkgeräts bereits zwei Tage vor Durchführung des Fluges aufgetreten war. Damit sah das Gericht den Zeitrahmen, innerhalb dessen ein außergewöhnlicher Umstand (i. S. d. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004) seine Berücksichtigung findet, als überdehnt an. Ist ein Mechaniker nicht schnell genug vor Ort, um einen entdeckten technischen Defekt zu beheben, so lässt sich ebenfalls kein außergewöhnlicher Umstand begründen (AG Rüsselsheim, Urteil vom 11.06.2010, Az. 3 C 387/10 (35)). Zudem ist es für eine Airline zumutbar, für keineswegs ungewöhnliche technische Defekte einen Techniker vorzuhalten. Spart sich ein Flugunternehmen diesen Aufwand, so muss es auch das Risiko (in Form von Ausgleichszahlungen) tragen.
- Schaden durch ungeeignetes Kerosin
Die Beschaffung von geeignetem Kerosin ist dem Leistungsbereich der Fluggesellschaft zuzuordnen. Verstopft unreines Kerosin den Kerosinfilter eines Flugzeuges, so liegt ein technischer Defekt vor, welcher keinen außergewöhnlichen Umstand begründet, vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 18.04.2013, 3 C 2265/12 (39). Das gilt auch dann, wenn die Luftfahrtgesellschaft das Kerosin minderer Qualität von einem Dritten liefern lässt. Ein Luftfahrtunternehmen ist auch für die Qualität des von anderen gelieferten Treibstoffes (und anderer verbrauchbarer Stoffe) verantwortlich und hat dafür einzustehen, dass dieser einwandfrei benutzbar ist. Die Airline ist demnach auch dafür verantwortlich, wenn Güter, die sie zur Erbringung ihrer Leistung benötigt, nicht mangelfrei sind.
- Umstände, die einen technischen Defekt vermuten lassen
Das Auftreten eines „Electric Smells“, der auf einen ernst zu nehmenden Defekt hindeutet, liegt im Risikobereich des Unternehmens und ist kein von außen kommendes, unerwartetes Ereignis (Vgl.: AG Erding, Urt. v. 13.03.2013, Az. 3 C 2101/12). Der "electric Smell" lässt einen Defekt am Flugzeug vermuten, der typischerweise in den Organisationsbereich der Fluggesellschaft fällt, sofern die Fluggesellschaft nicht beweisen kann, dass er auf ein von außen kommendes, unbeherrschbares Ereignis zurückzuführen ist (z.B. einen terroristischen Anschlag).
- Fluggesellschaft kommt Beweispflicht bei Defekt nicht nach
Tritt im Flugzeug ein "Schmorgeruch" auf, während es auf dem Weg von der Parkposition zur Startbahn unterwegs ist, so ist darin kein außergewöhnlicher Umstand zu sehen, der die Fluggesellschaft von ihrer Ausgleichszahlungspflicht entbinden könnte, vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.10.2007, Az.: 3 C 1339/06. Die Fluggesellschaft hat schon nicht dargelegt, inwiefern außergewöhnliche Umstände vorlagen, die mit zumutbaren Maßnahmen hätten verhindert werden können. Ein technischer Fehler in Bezug auf die Notfallbeleuchtung stellt keine außergewöhnliche Umstände dar. Die Fluggesellschaft muss unter Betrachtung aller notwendiger Maßnahmen angeben, wann der Defekt genau auftrat und wie viel Zeit eine Reparatur in Anspruch genommen hat (LG Köln, Urt. v. 19.03.2008, Az.: 10 S 391/06). An dieser Beweislast dürfte das Berufen auf solch einen Umstand in der Regel scheitern. Zumindest muss das Luftfahrtunternehmen detailliert darlegen und begründen, warum ein Umstand unvorhersehbar war (AG Bremen, Urteil vom 03.07.2007, Az. 4 C 393/06). Die Airline muss also explizit darlegen, wie der Defekt entstehen konnte und welche Maßnahmen grundsätzlich getroffen werden, um das Entstehen solcher Defekte zu verhindern (Vgl.: AG Frankfurt, Urteil vom 16.02.2007, Az. 30 C 1701/06).
- Umstrittene Defekte - Triebwerkschaden
Ein Defekt am hydraulischen Antrieb der verstellbaren Luftschaufeln des Triebwerks stellt einen typischen technischen Defekt des Fluggerätes dar, der regelmäßig keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt (LG Düsseldorf, Urt. v. 07.05.2009, 22 S 215/08). Besonders in der erstinstanzlichen Rechtsprechung kam es jedoch des Öfteren zu unterschiedlichen Entscheidungen bezüglich der Einordnung eines Triebwerkschadens als außergewöhnlichen Umstand. So wurde zwar überwiegend nicht von einem außergewöhnlichen Umstand gemäß Art 5 Abs. 3 der Verordnung ausgegangen, wenn ein Defekt im Zusammenhang mit dem Triebwerk aufgekommen ist (Beispielhaft: Flugzeug muss nach dem Start wegen Triebwerksproblemen wieder umkehren, AG Frankfurt, Urt. v. 18.10.2013, Az.: 30 C 1848/12 (47)). Wenn aber etwa ein mechanischer Fremdkörper (hier: Schraube) außerhalb des Zeitraums der unmittelbaren Abfertigung von außen auf das Fluggerät einwirkt und zu einer reparaturbedürftigen Beschädigung führt, liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor (LG Darmstadt, Urt. v. 23.07.2014, Az.: 7 S 126/13). Andererseits wurde aber genau eine solche, von Außen wirkende Beschädigung der Turbine im Flugbetrieb, etwa durch eine auf dem Vorfeld liegende Plastikfolie, als nicht ungewöhnlicher Geschehensablauf eingestuft und so der Risikosphäre der Fluggesellschaft zugerechnet (AG Rüsselsheim, Urt. 31.10.2013, Az.: 3 C 2715/13). Eine Unterscheidung zwischen äußerlicher und betriebsinterner Einwirkung auf das Entstehen eines Defekts anhand der Definition des EuGH ist folglich nicht in jedem Fall ohne Weiteres möglich.
- Beispiel-Fall: Reifenschaden führt zu 13-stündiger Verspätung
Ein Fluggast klagte gegen das Luftfahrtunternehmen wegen einer 13-stündigen Verspätung auf einem Flug von Havanna nach Frankfurt, die sich aufgrund eines Reifenschadens entwickelt hatte. Der Klage wurde statt gegeben, da dieser technischer Defekt keine außergewöhnlichen Umstände darstellen würde (AG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2010, Az: 30 C 1048/10 (32)). Zunächst ist das Gericht am Zielort gem. § 29 ZPO zuständig. Einer Anwendbarkeit von § 29 ZPO steht nicht gegenüber, dass der Kläger Ansprüche aus der Verordnung (EG) 261/2004 geltend machen kann. Eine mehr als drei-stündige Verspätung ist einer Annullierung gleichzusetzen. Die Ansprüche der Klägerin sind demnach Art. 4 III analog,Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004. Die Flugstrecke beträgt mehr als 35.000 km, daher beläuft sich die Summe des Ausgleichsanspruchs auf 600,00 Euro. Ein Reifenschaden, der durch einen Fremdkörper auf der Start-und Landebahn eines Flughafens hervorgerufen wurde, stellt keinen außergewöhnlichen Umstand dar (siehe auch: LG Stuttgart, Urteil vom 7.12.2017, Az.: 5 S 103/17). Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Beschädigung eines Flugzeugreifens durch einen Fremdkörper auf der Start- oder Landebahn kein Vorkommnis darstelle, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens wäre. Die von Gegenständen auf der Start- und Landebahn ausgehende Gefahr stellt ein wohlbekanntes häufiges Phänomen im Luftverkehr dar, das gerade nicht abseits des Gewöhnlichen liegt, sondern vielmehr untrennbar mit der Luftfahrt verbunden ist. Dies würde schon dadurch deutlich werden, dass Flughafenbetreiber regelmäßig Reinigungen von der Start- und Landebahn durchführen lassen (LG Stuttgart, Urteil vom 7.12.2017, Az.: 5 S 103/17). Damit ist der Reifenschaden dem Organisationsbereich der Fluggesellschaft zuzuordnen, es liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor und der Passagier hat Anspruch auf Entschädigung.
Erkrankung Pilot außergewöhnlicher Umstand
Die Erkrankung oder der anderweitige plötzliche Ausfall des Piloten oder von Crewmitgliedern kann dazu führen, dass ein Flug annulliert werden muss. In der Rechtsprechung herrscht überwiegend die Auffassung vor, dass dies nicht als außergewöhnlicher Umstand gelten soll. Genau wie eine Airline dafür Sorge zu tragen hat, dass ein Flugzeug einsatzbereit ist, muss sie auch garantieren können, dass eine entsprechende Besatzung für die Maschine zur Verfügung steht (Vgl.: LG Darmstadt, Urteil vom 23.05.2012, Az. 7 S 250/11). Insbesondere müssen Luftfahrtunternehmen die Möglichkeit in Betracht ziehen, eine Ersatzcrew entweder schon bereit zu halten oder eine solche kurzfristig von anderen Flughäfen kommen zu lassen. Fallen Crewmitglieder deswegen aus, weil sie ihre vorgeschriebenen Ruhezeiten einhalten müssen, so ist auch dies nicht als außergewöhnlichen Umstand zu werten. Es kann einer Fluggesellschaft zugemutet werden, ihre Flüge so zu planen, dass es nicht zu dieser Situation kommt. Falls aufgrund einer außerplanmäßigen Verlängerung der Flugzeit dennoch die Ruhezeiten der Piloten betroffen sind, ist das ein Risiko, welches die Airline zu tragen hat. Eine Airline muss zudem begründen können, warum es nicht möglich war, auch für solche Fälle eine Ersatzcrew bereit zu halten.
Crew als außergewöhnlicher Umstand | Erkrankung der Crew | Erkrankung eines Piloten |
Prognosen und Organisationsentscheidungen der Fluggesellschaft
Die Prognose des Nicht-Erreichens eines Anschlussfluges, mit der Konsequenz der Nichtbeförderung, kann keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen (vgl. AG Hamburg, Urt. v. 04.10.2013, 20a C 206/12). Verweigert eine Airline die Beförderung, weil sie Vermutet, dass der Anschlussflug nicht stattfindet, liegt ein Fall der Nichtbeförderung vor und der Fluggast hat einen Anspruch auf Ausgleichszahlung (Art. 4 i.V.m. Art. 7 Abs. 1c VO (EG) Nr. 261/2004). Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass eine Annullierung auf den außergewöhnlichen Umstand zurückgehen muss und ein bloßer Verdacht nicht ausreicht. Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Norm, denn das Luftfahrtunternehmen hat im Falle eines Streiks hinsichtlich der Reorganisation einen gewissen Entscheidungsspielraum. Zum Beispiel kann die Nichtdurchführung eines einzelnen Fluges nicht deshalb als vermeidbar angesehen werden, weil stattdessen ein anderer Flug hätte annulliert werden können (vgl. BGH, Urt. v. 21.08.2012, X ZR 146/11). Erkennt man also diesen Entscheidungsspielraum an, so kann die Fluggesellschaft auch das Risiko oder Fehleinschätzung tragen. Schließlich herrscht sie über die nötige Sachkenntnis und der Fluggast kann die Situation nicht einschätzen und muss folglich den Angaben der Fluggesellschaft vertrauen. Grundsätzlich soll dem Fluggast im Falle einer Annullierung oder Verspätung ein Ausgleichsanspruch zustehen. Deswegen sind die Ausnahmevorschriften stets eng auszulegen (vgl. EuGH, Urt. v. 04.10.2012, C-22/11 - Finnair/Lassooy). Schließlich ist es nicht nötig, dass der Fluggast vor einem längeren Aufenthalt an seinem Umsteigeflughafen geschützt wird. Vielmehr müsste man den Fluggast die Situation schildern, ihm seine Möglichkeiten darlegen und ihn dann selber entscheiden lassen.
Ausnahmen und abweichende Rechtsprechung
Ereignisse und Umstände können im Einzelfall außerhalb der oben aufgezeigten Systematik außergewöhnliche Umstände darstellen.
Technischer Defekt als außergewöhnlicher Umstand
Verschiedene Instanzgerichte haben in einigen Fällen auch einen technischen Defekt als außergewöhnlichen Umstand gelten lassen, wenn bestimmte unvorhersehbare Umstände zu Grunde lagen, obwohl die Defekte typischerweise in den Organisationsbereich der Fluggesellschaft fallen.
- Produktions- und Herstellerfehler
Dies kann beispielsweise dann von Bedeutung sein, wenn ein bestimmter Flugzeugtyp bereits „serienmäßig“ fehlerhaft produziert wurde, der Fehler also bereits bei Auslieferung des fertigen Flugzeuges vorlag (LG Darmstadt, Urteil vom 01.08.2007, Az. 21 S 263/06). Bei einem einzelnen Herstellerfehler wird jedoch von den meisten Gerichten kein außergewöhnlicher Umstand angenommen. Die Airlines können sich dann also nicht entlasten und sollen auch für einzelne Herstellerfehler das Risiko übernehmen (AG Baden-Baden, Urteil vom 28.06.2013, Az. 1 S 47/12).
- Sabotageakte
Ein Sabotageakt am Flugzeug, der einen technischen Defekt verursacht, stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar. Für einen Saboteur ist eine Airline nicht verantwortlich. Sie kann zudem nicht immer verhindern, dass es zu Sabotageakten kommt. Da es, sobald ein erheblicher Schaden entstanden ist, in der Regel auch nicht mehr möglich ist, eine starke Beeinträchtigung des Fluges zu verhindern, ist ein technischer Defekt wegen Sabotage ein außergewöhnlicher Umstand (EuGH, Urteil vom 22.12.2008, Az. C-549/07).
Außergewöhnlicher Umstand Vogelschlag
Beruht ein technischer Defekt, z.B. der Ausfall eines Triebwerks, auf einem Vogelschlag, liegen in der Regel außergewöhnliche Umstände vor. Ein Vogelschlag entsteht, wenn fliegende Vögel durch die Triebwerke eines Fluggerätes angesaugt werden. Der Vogel gelangt dadurch in ein Triebwerk und es können verschiedene Schäden verursacht werden. Vereinzelt wird zwar angenommen, dass ein Vogelschlag in keinem Fall ein außergewöhnlicher Umstand sein kann. Zur Begründung führen die Vertreter dieser Auffassung aus, dass sich Flugzeuge und Vögel für gewöhnlich den Luftraum teilen. Ein solches Ereignis ragt daher nicht aus dem normalen Alltag des Luftfahrtunternehmens heraus, der Umstand sei vielmehr zu erwarten. Ein Vogelschlag gehöre folglich in die betriebliche Sphäre einer Fluggesellschaft (AG Frankfurt, Urteil vom 13.03.2013, Az. 29 C 811/ 11 (21)). Nach herrschender Auffassung, die inzwischen auch der BGH vertritt, soll ein Vogelschlag jedoch einen außergewöhnlichen Umstand begründen können (BGH, Urteil vom 25.09.2013, Az. X ZR 129/12). Zur Begründung wird angeführt, dass eine Airline nie verhindern können wird, dass auf einem Flug ein Vogelschlag passieren wird. Zudem lässt sich ein solches Ereignis auch nicht vorhersehen und liegt deshalb außerhalb des Verantwortungsbereichs der Fluggesellschaft. Es sei daher unmöglich, sich vorab darauf einzustellen, weshalb das Risiko nicht von der Airline getragen werden muss. Weiterhin sind keinerlei Schutzmaßnahmen an Flugzeugen vorhanden, die einen Vogelschlag abwenden können.
Siehe dazu: Vogelschlag
Außerhalb der Risikosphäre der Fluggesellschaft
Ereignisse und Umstände, die typischerweise außerhalb der Risikosphäre der ausführenden Fluggesellschaft liegen und von diesem nicht beherrschbar sind, stellen außergewöhnliche Umstände dar.
Außergewöhnliche Umstände Flugverspätung Wetter
- Schlechte Wetterverhältnisse außergewöhnliche Umstände
Allgemein ist anerkannt, dass Wetterverhältnisse, die einen Start, einen planmäßigen Flug oder eine Landung am Zielflughafen (Vgl.: AG Offenbach, Urt. v. 06.01.2006, 33 C 2/06) nicht zulassen und zu Verspätung und Annullierung eines Fluges führen, als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden, da sie außerhalb des durch Menschen Beherrschbaren liegen (Vgl.: AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 15.06.2011, 4 C 572/10). Allerdings muss die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den Flug auch bei schlechtem Wetter durchzuführen. Zumutbar ist z.B. das Warten auf eine Besserung des Wetters oder etwa das Bedenken einer alternativen Flugroute. Kann jedoch ein Flughafen wegen schlechter Wetterbedingungen nicht angeflogen werden, so dass vorest an einem anderen Flughafen aufgetankt werden muss und hierduch eine Verspätung entsteht, liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor. Dem Piloten ist ein Abwarten bereits unabhängig von wirtschaftlichen oder umweltpolitischen Gründen nicht zuzumuten (LG Darmstadt, Urt. v. 19.08.2015, Az: 7 S 52/15). Auch Blitzschlag, Schneefall oder starker Wind werden regelmäßig als außergewöhnlicher Umstand gewertet.
- Andauern schlechter Wetterverhältnisse
Wenn nicht mit einem baldigen Wegfall des schlechten Wetters zu rechnen ist, so liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor, etwa bei mehrtägigem, hartnäckigen Nebels (BGH, Urt. v. 25.03.2010, Az.: Xa ZR 96/09).Ein Unwetter kann grundsätzlich einen außergewöhnlichen Umstand darstellen, wenn zugleich feststeht, dass alle zumutbaren Maßnahmen zur baldmöglichen Beseitigung der Unwetterschäden betrieben worden sind. Dabei hat die Fluggesellschaft auch für solche Fehler einzustehen, die auf Leistungen eines für den Flug notwendigen Dritten beruhen, insbesondere etwa auch für den Fall fehlender Enteisungsmittel, wenn die Enteisung im Auftrag der Flughafengesellschaft erfolgt.
- Schlechte Wetterverhältnisse am Vortag
Schlechtes Wetter am Vortrag, das zur Annullierung eines Fluges führt, rechtfertigt nicht die Entscheidung einer Fluggesellschaft, einen im Umlaufplan der eingeplanten Maschine vom Zielflughafen des annullierten Fluges vorgesehenen Flug am Folgetag ebenfalls zu annullieren (AG Bremen, Urt. v. 11.01.2019, Az.: 9 C 54/18). Die Annullierung beruht in einem solchen Fall nicht auf außergewöhnlichen Umständen sondern auf einer mangelhaften Organisationsentscheidung der ausführenden Airline. Sind am Tag des Fluges die Wetterbedingungen einwandfrei und betrafen die schlechten Wetterbedingungen nur den Vortag und örtlich weder Start- noch Zielflughafen des gegenständlichen Fluges, kann die Fluggesellschaft schlechte Wetterbedingungen nicht als Exkulpationsgrund anführen. Soll die Maschine abends landen, um am Folgetag wieder eingesetzt zu werden, liegt In diesem Umstand eine Zäsur, die einer Zurechnung eines außergewöhnlichen Umstandes am Vortage entgegensteht. Als zumutbare Maßnahme, auf die es vorliegend aber schon nicht ankommt, kann das Beschaffen einer Ersatzmaschine gesehen werden, wenn ausreichend Zeit bleibt und keine schlechten Wetterbedingungen in der Folge einen solchen Transfer behindern. Diese Bewertung entspricht der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 12.06.2014, Az.: X ZR 121/13, Ziff. 15 ff.), der bislang lediglich entschied, dass die Störung eines Zubringerflugs aufgrund außergewöhnlicher Umstände relevant werden kann, wenn der vorangehende Vorflug „am selben Tag“ betroffen war. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.
- Bewertung Wetterverhältnisse vor Gericht
Bei der Bewertung von Wetterbedingungen ist die Entscheidung des Piloten ausschlaggebend. Seine Entscheidung kann vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden (LG Kleve, Urt. v. 07.04.2011, Az.: 6 S 116/10). Wenn sich eine Fluggesellschaft auf schlechte Wetterverhältnisse beruft, so liegt die Beweislast für die ausschlaggebenden Wetterereignisse bei der Gesellschaft. Sie muss darlegen, welche konkreten Witterungsbedingungen in welchem Zeitraum wann zur Entscheidung des Piloten oder zur Streichung des ursprünglich vergebenen Starts durch die Flugsicherung geführt haben. Werden die Gründe für einen Flugausfall pauschalisiert, genügt das nicht den Anforderungen, die die Airlines erfüllen müssen, um keinen Ausgleichsanspruch zu leisten.Die Fluggesellschaft muss konkret belegen, dass außergewöhnliche Umstände – wie etwa Anordnungen der Flugsicherung wegen des schlechten Wetters - für die Flugverspätung gesorgt hatten.
Blitzschlag außergewöhnlicher Umstand
Besondere Bedeutung haben die Folgen eines Blitzschlages in rechtlicher Hinsicht. Wird ein Flugzeug von einem Blitz getroffen (Blitzschlag), kann dies zweierlei Folgen nach sich ziehen: Einerseits müssen die direkten Folgen des Einschlags betrachtet werden, zum Beispiel unmittelbare Beschädigungen des Flugzeugs. Diese können nach der Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand darstellen (ausführlich: AG Rüsselsheim, Urt. v. 18.01.2017, Az: 3 C 751/16 (31);ohne nähere Begründung: AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 17.02.2016, Az: 4 C 1942/15; AG Frankfurt, Urteil vom 4.3.2015, Az.: 29 C 3128/14(21)). Weitaus häufiger sind jedoch jene Fälle, in denen der Blitzschlag nur mittelbar zu der Annullierung oder Verspätung führt. Das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands wird etwa dann verneint, wenn nicht der Blitzschlag selbst für die Annullierung bzw. Verspätung eines Fluges verantwortlich ist, sondern eine auf einen Blitzschlag folgende betriebswirtschaftliche Entscheidung der Fluggesellschaft (AG Frankfurt (Main), Urt. v. 4.3.2015, Az.: 29 C 3128/14 (21)). Insofern bedarf es einer genauen Betrachtung des Einzelfalls. Dabei muss die Frage geklärt werden, ob eine Annullierung oder Verspätung unmittelbar auf den Blitzschlag zurückgeht, oder ob die Fluggesellschaft die unmittelbare Wirkung der Beschädigung durch einen Blitzschlag mittels einer Folgeentscheidung beeinflusst hat.
Siehe dazu ausführlich: Schlechte Wetterbedingungen.
Naturkatastrophen als außergewöhnliche Umstände
Eine Naturkatastrophe kann in ihrer konkreten Ausprägung einen außergewöhnlichen Umstand darstellen, wenn sie den Luftverkehr beeinträchtigt.
- Vulkanausbruch als außergewöhnlicher Umstand
Kommt es zu einem Vulkanausbruch und infolge dessen zur Entwicklung einer großen Aschewolke, die den Flugverkehr behindert, liegen außergewöhnliche Umstände vor, die von außen auf den Flugbetrieb einwirken und durch eine Fluggesellschaft nicht beherrschbar sind (Vgl.: AG Köln, Urt. v. 18.05.2011, 132 C 314/10). Im Falle einer Aschewolke sind nur Sichtflüge möglich, die jedoch aufgrund des hohen Risikos nicht als Passagierflüge durchgeführt werden könne. Als außergewöhnlicher Umstand in diesem Zusammenhang auch die Schließung des Luftraumes aufgrund der Aschewolke angesehen, vgl. EuGH, Urt. v. 31.01.2013, Az.: C-12/11; so auch: AG Rüsselsheim, Urt. v. 21.12.2011, Az.: 3 C 229/11 (36); AG Rüsselsheim, Urt. v. 13.01.2012, Az.: 3 C 1970/11 (37). Es stellt sich bei einem außergewöhnlichen Umstand allerdings immer die Frage, ob die daraus resultierenden Annullierungen oder Verspätungen anderweitig hätten verhindert werden können. Bei der Sperrung des Luftraums kann eindeutig von einem außergewöhnlichen Umstand ausgegangen werden. Anders liegt der Fall, wenn der gesperrte Luftraum umflogen werden kann und der Zielflughafen anderweitig erreicht werden kann.
- Siehe auch: Vulkanausbruch
Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements
Außergewöhnliche Umstände Flugverkehrskontrolle
Grundsätzlich kann ein außergewöhnlicher Umstand angenommen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements (auch nur zu einem einzelnen Flugzeug) vorliegt und zur Folge hat, dass es bei einem oder sogar bei mehreren Flügen zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder sogar zu einer Annullierung kommt, obwohl das jeweilige Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, damit die Verspätung oder Annullierung verhindert werden kann. Unter dem Flugverkehrsmanagement ist die Wahrnehmung von Flugsicherungsaufgaben im Bereich des Flugverkehrsleitdienstes zu verstehen. Dazu gehören Tätigkeiten, wie die Bewegungslenkung der Luftfahrzeuge im kontrollierten Luftraum und auf den Bewegungsflächen. Weiterhin geht es um Anweisungen zur Durchführung von Warteschleifen, Startverbote und Umleitungen auf Grund von Überlastungen des Luftraums oder der Start- und Landebahnkapazitäten (BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. X ZR 115/12). Ein außergewöhnlicher Umstand ist auch dann anzunehmen, wenn eine Landeerlaubnis gar nicht bzw. verspätet erteilt wird (AG Hamburg, Urteil vom 5.12.2017, Az.: 31a C 55/16). Weiterhin können auch solche Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements einen außergewöhnlichen Umstand darstellen, welche sich auf die späteren Flüge im Rotationsplan eines Flugzeugs auswirken.
Außergewöhnlicher Umstand Flugsicherung
- Maßnahmen zur Flugsicherung
Die Luftsicherung ist für die Verteilung von Anweisungen und Freigaben zuständig, um damit eine sichere Verkehrssteuerung zu gewährleisten. Bei Flugsicherungsproblemen kann eine Landeerlaubnis verweigert werden. Kann ein Flugzeug aufgrund eines überfüllten Luftraums nicht landen und kommt es dadurch zu einer Verspätung, so dass Folgeflüge nicht erreicht werden können, dann kann darin ein außergewöhnlicher Umstand gesehen werden (BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. X ZR 115/12). Auch wenn ein Start verlegt werden muss, weil eine Startbahn aufgrund eines Unfalls gesperrt war, dann kann darin ebenfalls ein außergewöhnlicher Umstand erkannt werden, wenn eine andere Startbahn nicht verfügbar war. Kommt es zu Verzögerungen durch Sicherheitskontrollen, ist dieser Umstand nicht der betrieblichen Sphäre des Luftfahrtunternehmens zuzuordnen, da dies eine Aufgabe der Bundespolizei darstellt.
Die Flugsicherung kann z.B. entscheiden, dass die Anflugrate auf Grund schwieriger Witterungsbedingungen reduziert wird. Dies hat in der Regel Verschiebungen im Flugplan zur Folge, die sich auch auf die Pünktlichkeit von Flügen auswirkt. Wird einer Fluggesellschaft wegen einer solchen Entscheidung betreffend des Zielflughafens für einen konkreten Flug ein späterer Abflugslot zugeteilt, so stellt diese Gegebenheit einen außergewöhnlichen Umstand dar. Eine hieraus resultierende Verspätung ist allerdings nur dann unvermeidbar, wenn die Fluggesellschaft darlegen kann, wie viele Abflugslots für welche Anzahl von Flügen ihr für den konkreten Zeitraum von der Flugsicherung zugeteilt worden waren und auf Grund welcher Erwägungen sie keinen der ihr zugeteilten Abflugslots dafür nutzen konnte, den Flug planmäßig durchzuführen (LG Berlin, Urteil vom 23.04.2015, Az. 57 S 18/14). Verschiebt die Flugsicherung einen bereits zugewiesenen Slot mehrfach, so dass eine Ankuft letztendlich mit einer Flughafensperrung zusammenfällt, begründet dies einen außergewöhnlichen Umstand. Eine Fluggesellschaft muss zwar ihrerseits alles tun um den zugewiesenen Flugplan einzuhalten, von außen wirkende Faktoren seien ihr hingegen nicht anzulasten (LG Köln, Urt. v. 16.05.2017, Az: 11 S 107/16).
- Entscheidungen der Flugsicherung bei schlechten Wetterverhältnissen
Oft kommt es auch vor, dass das Flugverkehrsmanagement infolge der vorherrschenden schlechten Wetterverhältnisse die Entscheidung trifft, die Flugrate zu verringern bzw. die Annullierung mehrerer Flüge anzuordnen. Das AG Köln hat hierzu entschieden, dass in diesem Fall ebenfalls ein außergewöhnlicher Umstand anzunehmen sei, da in dem Fall nicht die Fluggesellschaft selbst, sondern die Flugsicherungsbehörde für die Annullierung verantwortlich ist und die Airline die Anordnungen dieser zu befolgen hat, vgl. AG Köln, Urt. v. 6.11.2017, 142 C 537/16. Das ausführende Luftfahrtunternehmen muss hierbei auch nur vortragen und ggf. nachweisen, dass eine auf einen anerkannten außergewöhnlichen Umstand beruhende Anordnung des Flugverkehrsmanagements vorlag. Diese Erleichterung der Beweis- und Darlegungslast kommt daher, dass der Flugsicherung oftmals ein hoheitlicher Charakter zukommt und damit auch eine hohe Beweiskraft. Diese Anordnung muss sich jedoch nicht explizit auf den im Fokus stehenden Flug beziehen. Es reicht aus, wenn sich die außergewöhnlichen Umstände, die die Anordnung der Flugsicherung nach sich zogen, auf den im Fokus stehenden Flug ausgewirkt haben. Bezieht sich die Anordnung zur Flugbeschränkung jedoch nur auf einen bestimmten Zeitraum, so kann sich das ausführende Luftfahrtunternehmen auch nur bei Flügen im entsprechenden Zeitraum auf außergewöhnliche Umstände berufen. Für geplante Flüge, die nicht in dem „gesperrten“ Zeitraum liegen, muss daher immer die Bereitschaft zur Beförderung bestehen. Insofern liegt der außergewöhnliche Umstand nur für Flüge in diesem Zeitraum, in dem der Luftraum gesperrt ist, vor.
Nachtflugverbot außergewöhnlicher Umstand
- Vorhersehbarkeit von Nachtflugverboten
Umstritten ist, ob sich ein Luftfahrtunternehmen auch bei einem Nachtflugverbot auf einen außergewöhnlichen Umstand gem. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 berufen kann. Des Öfteren verneint die Rechtsprechung diese Frage, da die regelmäßigen Schließzeiten von Flughäfen den Luftfahrtunternehmen in der Regel bekannt sind, vgl. AG Frankfurt, Urteil vom 02.08.2012, Az. 29 C 1297/12. Luftfahrtunternehmen haben dafür Sorge zu tragen, dass sie nicht in einen solches Verbot geraten. Idealerweise geschieht dies dadurch, dass Flüge mit einem gewissen Zeitfenster eingeplant werden, um auch bei kleineren Störungen im Betriebsablauf noch vor Einsetzen eines Nachtflugverbotes landen zu können. Plant eine Airline ihren Flugplan jedoch so knapp, dass jede kleinere Verzögerung beim Start dazu führen würde, dass das Flugzeug am Ziel nicht mehr landen darf, so nimmt sie eine große Verspätung fahrlässig in Kauf und kann sich in einem solchen Fall nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen, vgl. AG Frankfurt, Urteil vom 08.02.2013, Az. 30 C 2290/12. Ein Nachtflugverbot kann allerdings dann einen außergewöhnlichen Umstand begründen, wenn die Verspätung, die den Flug in das Nachtflugverbot „hineinverlegt“ hatte, ihrerseits auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückzuführen ist. Führt also beispielsweise ein Unwetter am Startflughafen zu einer geringen Abflugverspätung, wodurch der Flug wegen eines Nachtflugverbotes am Zielflughafen nicht mehr landen darf, so ist die Verspätung insgesamt durch einen außergewöhnlichen Umstand hervorgerufen worden, vgl. AG München, Urteil vom 10.01.2014, Az. 212 C 11471/13.
- Verschiebung der Starterlaubnis und Nachtflugverbot
Gleiches gilt, wenn es am Flughafen zu einer unvorhersehbaren und für die Fluggesellschaft unbeeinflussbaren Verschiebung der Starterlaubnis kommt und so der Zielflughafen nicht vor Geltungszeit des Nachtflugverbotes erreicht werden kann. Dabei kann es zuvor bereits schon zu einer Verspätung aufgrund eines außergewöhnlichen Umstands gekommen sein. Bei einer solchen Verkettung verschiedener außergewöhnlicher Umstände muss im Einzelnen festgestellt werden, inwieweit die Fluggesellschaft eine Verantwortung für die Umstände trifft (AG Charlottenburg, Urteil vom 30.03.2017, Az. 205 C 85/16). Vorliegend hatte die Fluggesellschaft nach dem ersten Ereignis und der absehbaren Verspätung rechtzeitig eine Nachtlandegenehmigung für den Zielflughafen beantragt. Aufgrund der neuartigen Verzögerung beim Abflug durch die Verschiebung der Starterlaubnis erreichte die Maschine den Zielflughafen jedoch auch nicht mehr im zeitlichen Rahmen der Sondererlaubnis, so dass nur ein Ausweichen auf den nächstgelegenen Flughafen möglich war. Die Passagiere mussten schließlich mit anderen Verkehrsmitteln weiterreisen, weshalb es zu einer noch größeren Verspätung kam. Die vorliegenden Umstände waren der Beherrschbarkeit durch die Fluggesellschaft aber gleichfalls entzogen, so dass außergewöhnliche Umstände vorlagen.
- Unberechtigte Verweigerung der Starterlaubnis
Kommt es zu einer Nichterteilung einer Ausnahmestarterlaubnis aufgrund eines Nachtflugverbots, kann auch in diesem Ereignis ein außergewöhnlicher Umstand gesehen werden, wenn die Spanne zwischen der Verzögerung bei der Abfertigung des Flugzeugs und der Bitte um Starterlaubnis nur wenige Minuten beträgt. Zusätzlich muss das ausführendem Luftfahrtunternehmen für die Verzögerung bei der Abfertigung des Flugzeugs verantwortlich sein; vgl. LG Darmstadt, Urteil vom 18.12.2013, Az.: 7 S 90/13. Wird eine Starterlaubnis nicht erteilt, obwohl der Start noch vor Beginn des Nachtflugverbots möglich wäre, so handelt es sich um einen außergewöhnlichen Umstand (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.07.2011, 3 C 846/12).
Außergewöhnlicher Umstand Streik
Ob ein Streik als außergewöhnlicher Umstand gelten kann und somit die Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsleistungen nach Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 entfällt, ist differenziert zu betrachten. Es hängt von der Art und der Organisation des Streikes ab. Unterschieden werden kann zwischen einem Streik des eigenen Personals der Fluggesellschaft wie Bodenpersonal oder Bordpersonal, sowie Streiks Dritter, wie Streiks des Sicherheitspersonals, oder der Flugsicherung/Fluglotsen. Generell muss detailliert dargelegt werden, dass das Luftfahrtunternehmen alle möglichen Maßnahmen zur Vermeidung des Streiks sowie der Annullierung oder Verspätung ergriffen hat (AG Geldern, Urteil vom 07.10.2016, Az. 17 C 55/16).
- Streik des eigenen Personals
Außergewöhnliche Umstände liegen außerhalb des üblichen Ablaufs des Flugbetriebes und stellen sich regelmäßig als von außen kommende, den regulären Betrieb behindernde oder unmöglich machende Ereignisse dar. Ob daher Streiks der eigenen Mitarbeiter als außergewöhnlicher Umstand zu bewerten sind, ist umstritten und hängt von den Einzelheiten des jeweiligen Sachverhaltes ab. Zumindest soll dann kein außergewöhnlicher Umstand gegeben sein, wenn die Piloten einer Airline streiken und dies für das Luftfahrtunternehmen vorhersehbar war. Eine Airline hat in solchen Fällen genügend Zeit, um externe Piloten zur Vertretung heranzuziehen. Der zusätzliche finanzielle Aufwand für die Airlines kann hierbei kein Argument dafür sein, einen außergewöhnlichen Umstand anzunehmen. Wenn es für ein Luftfahrtunternehmen hingegen nicht vorhersehbar war, dass die eigenen Piloten streiken, so ist ein außergewöhnlicher Umstand eher anzunehmen (BGH, Urteil vom 21.08.2012, Az. X ZR 146/11). Da es kurzfristig in der Regel nicht mehr möglich sein wird, die Folgen des Streiks noch abzumildern, kann eine Fluggesellschaft auch nicht mehr verhindern, dass es zu Verspätungen oder Annullierungen kommen wird. Insgesamt gilt daher, dass ein Streik der eigenen Angestellten durchaus zu einem außergewöhnlichen Umstand führen kann. Es reicht jedoch nicht aus den Streik einfach als Grund anzuführen. Vielmehr muss gleichzeitig begründet werden, dass die Airline den Streik weder vorhersehen noch rechtzeitig Maßnahmen zur Abmilderung der Streikfolgen treffen konnte. Wenn das Sicherheitspersonal eines Flughafens oder die Fluglotsen streiken, ist das ein außergewöhnlicher Umstand und der Fluggast hat in der Regel keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung (AG Rüsselsheim 3 C 305/13 (31) vom 27.11.2013). Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände, der weder in Art. 2 noch in sonstigen Vorschriften der Verordnung (EG) 261/04 definiert ist, bedeutet nach seinem Wortlaut, dass die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände außergewöhnlich sind, d.h. nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. ( BGH Urteil vom 2409.2013 x ZR 160/12).
- Streiks Dritter
Anders ist die Sachlage bei Streiks von Personengruppen, die nicht für die Airline arbeiten, beispielsweise bei einem Fluglotsenstreik. Streiks dieser Art betreffen häufig den gesamten Flugverkehr und können unter Umständen für einige Zeit Flüge komplett verhindern. Da bei einem Streik am Flughafen die Fluggesellschaft keinen Einfluss auf den Streik haben wird, ist dies fast immer ein außergewöhnlicher Umstand. Dies gilt auch dann, wenn nicht der ganze Flughafen dadurch betroffen ist, sondern nur die Hälfte der Flüge nicht starten kann. In solchen Fällen ist die Kapazität des Flughafens streikbedingt bereits ausgelastet, es besteht also für die verbliebenen Flugzeuge, die wegen des Streiks nicht starten, keine Möglichkeit mehr, doch noch abheben zu können. Daher kann auch die Fluggesellschaft hier keinen Einfluss auf die Verspätung oder die Annullierung nehmen und soll somit auch nicht die Verantwortung hierfür tragen. Vergleichbar wurde entschieden bei einem Streik des Sicherheitspersonals (AG Hamburg, Urteil vom 09.05.2014, Az. 36a C 462/13) und einem Streik der Vorfeldaufsicht (AG Rüsselsheim, Urteil vom 27.11.2013, Az. 3 C 305/13 (31)). Allerdings gilt auch hier, dass eine Airline nicht einfach behaupten kann, es habe ein Streik vorgelegen. Sie muss zusätzlich auch beweisen können, inwiefern dieser ihren Flug beeinträchtigt hat.
- "Wilder" Streik
Wird der Streik gewerkschaftlich organisiert und mithin angekündigt, trifft er das Unternehmen nicht unvorhergesehen. Besonders relevant wird die Frage der Vorhersehbarkeit allerdings im Rahmen der Fälle von „go sick“ oder „go slow“; sogenannten wilden Streiks. Als prominentes Beispiel ist hier der Fall TUIfly anzuführen. Im Kern dreht sich der Rechtsstreit um die Frage, ob solche wilden Streiks, bei denen sich Arbeitnehmer kollektiv krank melden, als außergewöhnlicher Umstand zu werten sind und der Pflicht des Unternehmens zur Ausgleichszahlung entgegenstehen. Eine solche streikähnliche Maßnahme ist nicht rechtmäßig. Unter anderem, da sie sofort erfolgt und nicht, wie bei gewerkschaftlich organisierten Streiks, nach einer „Friedensfrist“. Zudem ruht das Arbeitsverhältnis bei einem wilden Streik nicht wie beim rechtmäßigen Streik. Vielmehr kann darin eine Verweigerung der vertraglichen Hauptleistungspflicht gesehen werden, was eine Abmahnung oder auch anschließende Kündigung rechtfertigen könnte. Daher ist es problematisch, die Vorhersehbarkeit für den Unternehmer festzustellen. Die Vielzahl von Krankmeldungen des Flugpersonals bei einer als Leistungserbringerin eingesetzten Fluggesellschaft stellt keine höhere Gewalt im Sinne des § 651j BGB dar, wenn es kein betriebsfremdes, von außen kommendes Ereignis ist, vgl. Sick out. Mit Urteil vom 17.04.2018 entschied der EuGH über die Auslegung des Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 hinsichtlich der Einordnung des "wilden Streiks". Der EuGH hält TUIfly dabei für zahlungspflichtig, da er einen wilden Steik nicht als außergewöhnlichen Umstand einordnet. Er argumentiert, dass solche wilden Streiks als Kampfmaßnahme aufgenommen werden und eine soziale Folge der betriebsinternen Abläufe, wie Umstrukturierungsmaßnahmen, seien. Daraus resultiere durchaus eine gewisse Vorhersehbarkeit für das Unternehmen und mithin könne ein außergewöhnlicher Umstand nicht vorliegen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass das nicht für alle wilden Streiks gilt. Denn im Einzelfall gibt es eben auch keine Umstrukturierungsmaßnahmen, die den wilden Streik provoziert haben. Es muss also festgestellt werden, dass der Streik nicht vorhersehbar war, um einen außergewöhnlichen Umstand bejahen zu können.
- Reaktivierung nach Absage des Streiks
Wird ein Flug nach vorheriger Annullierung durch das Luftfahrtunternehmen wegen einer Streikankündigung reaktiviert weil der Streik abgesagt ist, kann sich das Luftfahrtunternehmen bei Verspätung des Fluges nicht darauf berufen, die Verspätung sei auf die Streikankündigung und deren Folgen für den Betriebsablauf zurückzuführen. Die Ankündigung des Streiks selbst stellt zwar einen außergewöhnlichen Umstand gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 dar. Wenn sich die Fluggesellschaft jedoch dafür entschieden hat, den Flug trotz des ursprünglich vorliegenden außergewöhnlichen Umstandes wieder planmäßig durchzuführen, kann sie sich nicht mehr darauf berufen, die Ansprüche des Fluggastes seien wegen der Streikankündigung ausgeschlossen. Denn es ist allein ihrem unternehmerischen Risiko überlassen, zu prüfen, ob ein Flug (auch kurzfristig) planmäßig und ohne Verspätung durchgeführt werden kann. Das Amtsgericht Frankfurt befand in einem Urteil vom 20.06.2018, dass ein angekündigter Streik nur dann einen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann, wenn dies kausal zur Annullierung führt. In diesem Fall konnte die beklagte Fluggesellschaft die Streikankündigung im relevanten Zeitraum nicht zweifelsfrei nachweisen, hatte den Flug aber trotzdem darauf bezugnehmend annuliert.
Handlungen Dritter als außergewöhnliche Umstände
Fraglich ist, inwieweit Handlungen von Dritten einen außergewöhnlichen Umstand begründen können. Dritte kommen mit dem Flugbetrieb einer Airline in verschiedensten Konstellationen in Berührung: z.B. als Subunternehmer, als Flughafenbetreiber, als Sicherheitsbehörde, als Passagiere oder sonstige, in den Flugbetrieb eingebundene Dritte. Jede Konstellation muss für die Frage, inwiefern ein Handeln eines solchen Dritten der Betriebssphäre der Fluggesellschaft zuzurechnen ist, bzw. für die Fluggesellschaft beherrschbar ist, gesondert bewertet werden.
In den Flugbetrieb eingebundene Dritte
- Schäden beim Betriebsablauf am Flughafen
Umstritten ist, wie Beschädigungen des Flugzeuges durch den Betrieb am Flughafen zu bewerten sind. In Betracht kommen dabei vor allem Schäden, die durch die Kollision mit dort eingesetzten Fahrzeugen entstehen. Hierbei muss auf die besonderen Umstände jedes Einzelfalls geachtet werden. Eine Kollision mit einer anderen Maschine stellt einen typischen Betriebsunfall dar, der keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt (AG Nürtingen, Urt. v. 31.10.17, Az.: 10 C 1551/15). Der EuGH hat dabei entschieden, dass auch die Kollision eines Treppenfahrzeuges mit einem Flugzeug keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt, vgl. EuGH, Urteil vom 14.11.2014, Az. C-394/14. Der EuGH begründete dies damit, dass schon der Einsatz eines Treppenfahrzeuges selbst nicht außergewöhnlich, sondern vielmehr essentieller Bestandteil bei der Ausübung des Luftverkehrs sei. Zudem liegt ein Schaden durch ein Treppenfahrzeug nicht außerhalb des Verantwortungsbereiches einer Airline vielmehr wird das Treppenfahrzeug gerade für die Airline eingesetzt. Kommt es also zu Beschädigungen bei Be- oder Entladevorgängen, so liegt dies im Risikobereich des Luftfahrtunternehmens. Entsprechend liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor, wenn ein Gepäckwagen mit einem Flugzeug kollidiert und daraus eine Annullierung/Verspätung entsteht. Nach der Meinung des BGH liegt so ein Vorfall nämlich nicht außerhalb dessen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden sein, da auch der ruhende Verkehr von Flugzeugen und Fahrzeugen einen Teil des Betriebs darstelle (BGH, Urt. v. 20.12.2016, Az.: X ZR 77/15). Das Fahrmanöver zur Positionierung des Flugzeugs vor dem Abflug und Anbringen des Gates gehört ebenfalls zur Ausübung der normalen betrieblichen Tätigkeit der Fluggesellschaft (EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az. C-549/07). Das Kriterium der Beherrschbarkeit bemisst sich insbesondere danach, ob der betreffende Vorgang unmittelbar in den betrieblichen Ablauf der Fluggesellschaft fällt. Auch wenn sich das Luftfahrtunternehmen darauf beruft, dass diejenigen, die das Flugzeug bewegt haben, zum betriebsexternen Bodenpersonal gehören, kann es sich so nicht von seiner Ausgleichszahlungspflicht befreien (AG Frankfurt am Main, Urteil v. 03.02.2010, Az.:29 C 2088/09).
- Verantwortungsbereich des Flughafenbetreibers
Im Falle eines Systemausfalls hängt die Einordnung des Zwischenfalls als außergewöhnlicher Umstand davon ab, ob der Systemausfall, bzw. technische Defekt, der zum Systemausfall führte, untrennbar mit dem System zum Betrieb eines Flugzeugs verbunden ist oder seiner Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar ist (EuGH, Beschl. v. 14.11.2014, Rs. C-394/14, Urt. v. 04.05.2017, Rs. C-315/15). Denn technische Defekte, wie sie beim Betrieb der Fluggesellschaft typischerweise auftreten, stellen grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände dar (s.o.). Zwar muss die Fluggesellschaft mit einem kurzzeitigen Ausfall aller primären Systeme im Rahmen ihrer gewöhnlichen Flugabfertigung rechnen (LG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2017, Az.: 5 S 142/17, bestätigt durch: BGH, Urt. v. 15.01.2019, Az.: X ZR 15/18 und X ZR 85/18). Etwas anderes gilt aber, wenn z.B. nicht nur das primäre System, sondern auch das Back-Up-System ausfallen und dieser Komplettausfall der Computersysteme eine erhebliche Zeit andauert. Der mehrstündige Ausfall aller Computersysteme, die der Flughafenbetreiber als Infrastruktur zur Verfügung stellt, schafft eine Situation, die von der Fluggesellschaft nicht mehr beherrschbar ist und außerhalb des Rahmens der gewöhnlichen Betriebstätigkeit eines Luftfahrtunternehmens liegt (LG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2017, Az.: 5 S 142/17). . Ein Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, selbst entsprechende Fachleute vorzuhalten, um Zuleitungsprobleme zu den ihm vom Flughafenbetreiber zur Nutzung bereitgestellten Computersystemen zu beheben. Insofern reicht es als zumutbare Maßnahme aus, wenn die Fluggesellschaft alle möglichen eigenen Ressourcen und Möglichkeiten nutzt, um die Folgen gering zu halten, indem sie z.B. alle zur Verfügung stehenden technischen Geräte und personellen Ressourcen nutzt (LG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2017, Az.: 5 S 142/17).
- Siehe: Systemausfall.
Die Durchführung der Sicherheitskontrollen und der Flugsicherung am Airport liegen regelmäßig im Zuständigkeits- und Verantwortungsbreich des Flughafenbetreibers. Kommt es zu Problemen in diesem Bereich, etwa durch einen Streik des Sicherheitspersonals oder einen Streik der Fluglotsen, handelt es sich um Umstände, die für eine Fluggesellschaft nicht beherrschbar sind. Es liegen daher im Regelfall keine außergewöhnlichen Umstände vor. Das Gleiche gilt für alle weitere für den Flugbetrieb bedeutsame Infrastruktur, die der Flughafenbetreiber zur Verfügung stellt. Einer außergewöhnlicher Umstand liegt deshalb auch dann vor, wenn am Startflughafen das Pushback-Fahrzeug des Flughafenbetreibers nicht rechtzeitig bereitsteht (ein Pushback- Fahrzeug ist ein Fahrzeug, das Flugzeuge auf dem Rollfeld in die richtige Position bringen kann), woraufhin die Starterlaubnis nicht rechtzeitig erteilt werden kann. Es liegt dann nämlich nicht im Einflussbereich der Fluggesellschaft, ob ihr, trotz das sie alle hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt hat, tatsächlich der Abflug zur vorgesehenen Zeit gestattet wird (AG Erding, Urteil vom 15.4.2016, Az.: 7 C 1934/15).
- Mitarbeiter des Flughafenbetreibers als Erfüllungsgehilfen
Ob Mitarbeiter des Flughafens als Erfüllungsgehilfen der Airline anzusehen sind, so dass die Airline für deren Fehlverhalten verantwortlich ist (So etwa AG Frankfurt a.M., Urt. v. 10.04.2014, Az.: 30 C 3491/13(25), AG Rüsselsheim, Urt. v. 27.07.2012, Az.: 3 C 468/12), ist umstritten. Legt man die durch den EuGH bestimmten Kriterien zugrunde, ist im Kern danach zu fragen, inwiefern die Fluggesellschaft zur Aufrechterhaltung und Durchführung des eigenen Flugbetriebes die Verantwortung für den Reibungslosen Ablauf trägt. Dort wo schon keine Möglichkeit für Airlines besteht, einen Organisationsbereich (etwa die Durchführung von Sicherheitskontrollen) selbst zu regeln und zu kontrollieren, kann ein Zwischenfall nicht ohne Weiteres ihrem Risikobereich zugerechnet werden. Sofern ein nicht kontrollierbarer Organisationsbereich betroffen ist, ist weiterhin danach zu fragen, ob es sich um einen Organisationsbereich handelt, in dem sich ein typisches Risiko des Flugbetriebs niederschlägt (z.B. technische Defekte der Maschine oder Wetterbedingungen) oder ob es sich um einen solchen handelt, der durch gesetzliche oder tatsächliche Rahmenbedingungen der Selbstorganisation der Fluggesellschaft entzogen ist, etwa im Bereich der Flugsicherung, aber auch in Bereichen, in denen eine zur Abwicklung des Flugbetriebs erforderliche Leistung nur durch den Flughafenbetreiber zur Verfügung gestellt wird, so dass die Fluggesellschaft "keine Wahl" hat, eigene Vorsorge bzw. Entscheidungen zu treffen (z.B. nur Bodenpersonal der Flughafenbetreibers verfügbar) (eigene zusammenfassende Auslegung). Dass sich das Flugunternehmen gem. § 278 BGB das Verhalten von Bodenpersonal zurechnen lassen muss, kann damit begründet werden, dass die Fluggesellschaft das betriebsspezifische Risiko immer zu tragen hat, unabhängig davon, ob ein Nähe- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 27.07.2012, 3 C 468/12). Das ist im Hinblick auf den Schutzzweck der Fluggastrechteverordnung zu beführworten.
Passagieren als Dritte
- Unsachgemäßes Verhalten als außergewöhnliche Umstände
Gelegentlich kommt es vor, dass durch das unsachgemäße Verhalten einzelner Passagiere im Flugzeug ein Zwischenfall ausgelöst wird, welcher den Start verzögert. Ob sich damit ein außergewöhnlicher Umstand begründen lässt, ist ebenfalls umstritten. Sollte es vorkommen, dass sich ein Fluggast an Board aggressiv verhält und das Flugzeug daraufhin sicherheitshalber gelandet werden muss, kann von einem entlastenden außergewöhnlichen Umstand für das Luftfahrtunternehmen ausgegangen werden, AG Frankfurt, Urteil vom 08.06.2016, Az. 31 C 397/16-17. Begründet werden kann dies mit der Annahme, dass der Passagier eigenverantwortlich handelte und von der Airline völlig unabhängig war. Daher konnte sein Handeln auch nicht mit der Airline in Verbindung gebracht werden. Insofern ist der Ausschlussgrund nur dann gerechtfertigt, wenn nicht schon vor Abflug erkennbar war, dass der Passagier betrunken war oder anderweitig aggressives Verhalten gezeigt hat. An anderer Stelle wurde dagegen entschieden, dass das unerwartete Auslösen der Notrutsche kein außergewöhnlicher Umstand sein soll (vgl. AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.07.2012, 3 C 497/12 (36)). Zur Begründung wurde angeführt, dass ein solcher Fall zwar nicht alltäglich ist, aber er dennoch gelegentlich vorkommt. Folglich müsse eine Airline zumindest damit rechnen, dass die Notrutsche unerwartet (durch Passagiere) ausgelöst wird. Damit ist ein solcher Umstand nicht mehr außergewöhnlich. Bei einem medizinischen Notfall ist in der Regel von einem außergewöhnlichen Umstand auszugehen.
- Verspätetes- oder Nichterscheinen eines Passagiers
Das Nichterscheinen eines bereits eingecheckten Passagiers beim Boarding stellt keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Dies ist ein typisches Risiko beim Betrieb eines Verkehrsfluges. Genauso verhält es sich auch, wenn das bereits eingecheckte Gepäck dann wieder aus dem Flugzeug entladen werden muss. Vielmehr handelt es sich bei diesem Vorgang um einen gewöhnlichen und häufig vorkommenden Umstand, der üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Somit liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor. Das Flugunternehmen muss alle ihr zumutbaren Maßnahmen treffen, den Gast noch rechtzeitig zu befördern. Dazu gehören ausreichende Zeitreserven im Rahmen der Rotationskette des Flugzeuges, oder etwa die Passagiere mit einem vorrangigem Anschlussflug vorrangig zu behandeln und diese direkt zu ihrem Flug zu bringen.
- Gegenstände von Passagieren
Auch durch von Passagieren mitgeführte Gegenstände können Gefahren für den Betriebsablauf entstehen, die durch die Fluggesellschaft nicht beherrschbar sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die Powerbank (mobiler Ersatz-Akku für Smartphones) eines Passagiers plötzlich in Brand gerät. Kommt es zu einem solchen Brand, der zu einer starken Rauch- und Geruchsentwicklung in der Kabine führt, ist fraglich, wie die Verantwortlichkeit für die Verursachung einzuordnen ist. Der Schwelbrand einer Powerbank ist ein Ereignis, das nicht der gewöhnlichen Tätigkeit der Fluggesellschaft zuzuordnen ist und aufgrund seiner Natur oder Ursache von diesem nicht beherrscht werden kann. Auch der Brand eines Handyakkus während des Fluges kann nicht der Betriebsgefahr des Flugzeugs, die in den Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft fällt, zugerechnet werden. Ein Verbot für die Passagiere, solche Ersatz-Akkus mit an Bord zu nehmen, wäre wegen der inzwischen allgemeinen Üblichkeit der ständigen Verfügbarkeit von Mobiltelefonen unzumutbar. Daher stellt der Brand der Powerbank einen außergewöhnlichen Umstand dar, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen können, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Ein Schwelbrand, ausgelöst zum Beispiel durch die Powerbank eines Passagiers, welcher dann zu einer Flugverspätung führt, stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar.
- Flugangst infolge eines Defekts
Kommt es in Folge eines Defekts vor dem Start zu einer auf Flugangst beruhenden Entscheidung eines Passagiers, das Flugzeug zu verlassen, beruht eine darauf zurückgehende Verspätung nicht auf außergewöhnlichen Umständen. Siehe: Flugangst als außergewöhnlicher Umstand.
Außergewöhnliche Umstände Auswirkungen auf andere Flüge
Durch die Komplexität des Flugverkehrs, insbesondere die engen Zeitpläne vieler Airlines, die aufgrund des allgegenwärtigen Kostendrucks in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Passagiere befördern wollen, kann das Auftreten eines außergewöhnlichen Umstandes nicht nur eine Flugverbindung betreffen, sondern Auswirkungen auf weitere, im Umlaufplan vorgesehene Folgeflüge haben. Andererseits reisen Passagiere häufig nicht mit einem Direktflug von Flughafen A zu Flughafen B, sondern müssen Zwischenlandungen bzw. Umstiege einkalkulieren. Dabei kann der außergewöhnliche Umstand, der zur Verspätung des ersten Teilfluges führt, Auswirkungen auf den Anschlussflug haben, der unter Umständen nicht mehr rechtzeitig erreicht wird.
Außergewöhnliche Umstände Teilflug
Macht ein Luftfahrtunternehmen außergewöhnliche Umstände für eine Flugverspätung des ersten Fluges einer Teilstrecke geltend, dann kommt es einzig und alleine darauf an, ob die relevante Endziel-Verspätung auf außergewöhnlichen, unabwendbaren Umständen basiert. D.h. es muss dogmatisch zwischen den Umständen, die den ersten Flug verzögerten und den Umständen, die für die Endzielverspätung verantwortlich sind, differenziert werden. Maßgeblich ist daher die Frage, ob das Luftfahrtunternehmen durch notwendige Maßnahmen das Verpassen des Anschlussfluges hätte vermeiden können. Ist diese Frage zu bejahen, kann offenbleiben, ob die Verzögerung des ersten Fluges unvermeidbar war. Grundsätzlich muss ein außergewöhnlicher Umstand auf einem Vorflug berücksichtigt werden, wenn es um den unmittelbaren Folgeflug geht (AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 17.02.2016, Az: 4 C 1942/15; []). Wenn aber die Fluggesellschaft aus wirtschaftlichen Erwägungen die Auslastung ihrer Maschinen und ihrer Flugumläufe so eng hintereinander taktet, dass selbst einen oder mehrere Tag(e) vorher auftretende Verzögerungen nicht mehr zwischen den einzelnen Umläufen aufgefangen werden können, weil das Unternehmen zwischen den Umläufen keine ausreichenden zeitlichen Puffer vorgesehen hat, liegt für die Flüge des Flugumlaufs am Folgetag ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Verordnung nicht mehr vor. Denn dann ist davon auszugehen, dass das Luftfahrtunternehmen nicht mehr alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Verspätung zu vermeiden (AG Hannover, Urt. v. 01.07.2014, Az: 538 C 11519/13). Dies gilt auch, wenn die Fluggesellschaft überhaupt keine Ersatzmaschinen bereithält (AG Hannover, Urt. v. 03.09.2014, Az: 461 C 12846/13). Eine Fluggesellschaft kann sich ferner nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand wegen eines Blitzschlagsberufen, wenn sie nicht genügend Zeit für Reparaturen zwischen ihren Flügen eingeplant hat (AG Bremen, Urt. v. 15.12.2016, Az: 5 C 148/16). Teilweise wird auch die Ansicht vertreten, Störungen im vorangegangenen Flugbetrieb seien grundsätzlich dem Luftfahrtunternehmen zuzurechnen (AG Düsseldorf, Urt. v. 27.09.2013, Az: 36 C 6837/13). Liegen zwischen dem Vorflug und dem streitgegenständlichen Flug acht Flüge und ein Zeitraum von über 24 Stunden, wirkt die haftungsbefreiende Wirkung des außergewöhnlichen Umstands auf jeden Fall nicht mehr fort (LG Frankfurt, Urt. v. 24.02.2015, Az: 2-24 S 149/14).
Außergewöhnlicher Umstand Vorflug
Ereignisse, die eine Annullierung oder Verspätung nach sich ziehen, betreffen in der Regel nicht nur den Flug auf dem sie stattfinden, sondern auch nachfolgende Flüge. Kommt beispielsweise ein Flugzeug wegen eines technischen Defekts verspätet an, kann es für möglicherweise eingeplante Folgeflüge nicht mehr nach dem Umlaufplan eingesetzt werden. Es ist somit fraglich, ob Ereignisse, die auf einen vorherigen Flug stattgefunden haben, für nachfolgende Flüge einen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 begründen können. Im Regelfall sollen die Risiken eines Fluges nicht auf die Passagiere der nachfolgenden Flüge übertragen werden (AG Erding, Urteil vom 23.07.2012, Az. 3 C 719/12). Nach früherer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dem auch zuzustimmen. Eine Airline müsse darauf gefasst sein, dass einzelne Flüge beeinträchtigt sein können und müsse daher ihren Flugplan entsprechend einrichten. Eine Übertragung des Risikos einer Verzögerung im Umlaufplan an die Passagiere späterer Flüge soll eben nicht stattfinden.
- Medizinische Notfälle auf Vorflug
Umstritten ist, ob ein medizinischer Notfall auf dem Vorflug als außergewöhnlicher Umstand für nachfolgende Flüge eingestuft werden kann. Das AG Wedding nahm hier einen außergewöhnlichen Umstand an, vgl. AG Wedding, Urteil vom 28.10.2010, Az. 2 C 115/10. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Airline einen medizinischen Notfall auf einem Flug nicht vorhersehen kann. Zudem würde die medizinische Versorgung eines Passagiers gezwungenermaßen den nächsten Einsatz des betroffenen Flugzeuges verzögern, weswegen der Airline auch keine Maßnahmen zur Verfügung stünden, um diese Verzögerung zu verhindern. Anderer Auffassung war hierbei das AG Geldern, welches einen außergewöhnlichen Umstand hier nicht annahm, vgl. AG Geldern, Urteil vom 28.11.2007, Az. 14 C 273/07. Das Gericht begründete diese Entscheidung damit, dass hier nichts anderes gelten solle als bei anderen Verspätungen auf einem Vorflug. Ein solches Ereignis kann nach Auffassung des Gerichtes erst dann einen außergewöhnlichen Umstand begründen, wenn es in engem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Flug steht, was bei einem Ereignis auf einem vorherigen Flug jedoch nicht der Fall ist. Neuerdings hat sich der BGH eher der Auffassung angeschlossen, dass Ereignisse auf Vorflügen berücksichtigt werden sollen und bejahte somit die Fortwirkung eines außergewöhnlichen Umstandes. Dahingehend beanstandete er, dass weder im Wortlaut der Fluggastrechteverordnung, noch kraft Auslegung eine Begrenzung auf den tatsächlich gebuchten Flug erfolgt ist. Zudem sei das Umlaufverfahren im Flugalltag üblich und eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung.
- Brand als außergewöhnlicher Umstand auf Vorflug
Führt ein auf einem außergewöhnlichen Umstand beruhender Brand dazu, dass auf dem Vorflug eine Notlandung erforderlich wird und wirkt sich das auf den Folgeflug aus, ist fraglich, ob die Folgen für den Folgeflug dann einen außergewöhnlichen Umstand darstellen. Maßgeblich ist dabei, welche Maßnahmen der Fluggesellschaft zugemutet werden können, um etwaige Verspätungen bei den Folgeflügen zu verhindern. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass Luftfahrtunternehmen aus Gründen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit nicht auf jede denkbare Störung derart eingestellt sein müssen, dass Annullierungen und Verspätungen stets durch die sofortige Verfügbarkeit von Ersatzmaschinen oder Personal vermieden werden können. Allerdings muss die Fluggesellschaft im konkreten Fall darlegen, im Rahmen ihrer tatsächlichen Möglichkeiten alles getan zu haben, um beispielsweise eine Ersatzmaschine zu beschaffen. Wird das dargelegt, dann war die Annullierung oder Verspätung nicht durch zumutbare Maßnahmen zu vermeiden. In einem solchen Fall beruht die Verspätung des Folgefluges auf dem außergewöhnlichen Umstand des Brandes.
- Siehe: Vorflug.
Außergewöhnliche Umstände Anschlussflug
Kommt es zu einer Verspätung am Endziel einer aus Zubringer- und Anschlussflug zusammengesetzten Flugreise, weil der Fluggast trotz ausreichender Umstiegszeit den Anschlussflug nicht erreicht (z.B. weil er trödelt, sich trotz ausreichender Information verläuft oder trotz ausreichender Hinweise die Boardingzeiten nicht einhält), liegt ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Artikel 5 Absatz 3 VO vor (AG Hannover, Urteil vom 14.3.2017, Az.: 523 C 12833/16). Ein Eigenverschulden des Fluggastes ist dann anzunehmen, wenn die Fluggesellschaft darlegen und beweisen kann, dass der Zubringerflug planmäßig landete und die vorgesehene Umstiegszeit dem Fluggast auch zur Verfügung stand. Diese Umstiegszeit muss allerdings gleich oder über der Minimum Connecting Time (kurz: MCT) des jeweiligen Flughafen liegen. Kann das ausführende Luftfahrtunternehmen all diese Nachweise erbringen, so muss es dem Fluggast keinen Ausgleich zahlen. Liegt nun jedoch die tatsächlich verbliebene Umstiegszeit unter der MCT des Flughafens oder verspätet sich der Zubringerflug so, dass für den Umstieg weniger Zeit als die MCT übrig geblieben ist, muss das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Fluggast eine Ausgleichszahlung zahlen (AG Hannover, Urteil vom 14.3.2017, Az.: 523 C 12833/16).
- Siehe: Anschlussflug.
Zusammenfallen mehrerer (außergewöhnlicher) Umstände
Der Wortlaut ("auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht“) setzt ausdrücklich eine Kausalität des außergewöhnlichen Umstands voraus. Eine Luftraumsperrung, die als außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO-EG Nr. 261/2004 zu qualifizieren ist kann nicht als Begründung dienen, wenn aufgrund eines Nachtflugverbotes und einer Verzögerung wegen eines technischen Defektes ein anderer Flughafen angesteuert werden muss. Dies gilt zumindest dann, wenn diese "faktische Annullierung" durch das Ansteuern eines anderen, als den Zielflughafen, jedenfalls erst erfolgte, nachdem die Luftraumsperrung schon vorüber war (AG Rüsselsheim, Urt. v. 25.07.2012, Az.: 3 C 1132/12 (36)).
Tabelle Übersicht außergewöhnliche Umstände
Die folgende tabellarische Übersicht soll darstellen, welche Ereignisse als außergewöhnliche Umstände eingestuft werden können und welche nicht. Bei manchen Ereignissen ist die Zuordnung nicht eindeutig, weshalb eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist.
Ereignis | Außergewöhnlicher Umstand? |
---|---|
Technischer Defekt | Grundsätzlich nicht, aber im Einzelfall möglich. |
Technischer Defekt wegen Vogelschlag | Nach neuerer Rechtsprechung des BGH: Ja! |
Außergewöhnlicher Umstand auf Hinbringerflug | Laut neuerer Rechtsprechung des BGH: Ja! |
Streik |
|
Wetterbedingungen |
|
Entscheidungen des Luftverkehrsmanagements | Einzelfallbeurteilung notwendig! |
Handlungen Dritter | Einzelfallbeurteilung notwendig! |
Rechtsprechung
Urteile, Datum | Aktenzeichen | Zusammenfassung |
---|---|---|
LG Darmstadt, Urteil vom 1.8.2007 | 21 S 263/06 | Technische Defekte des Fluggeräts, die Flugsicherheitsmängel verursachen, fallen nur dann in den Anwendungsbereich des Artikel 5 III der EU-Fluggastrechteverordnung, wenn sie auf äußere Einflüsse zurückzuführen sind, z.B. witterungsbedingte Defekte (Blitzschlag). |
AG Hannover, Urt. v. 07.03.12 | 436 C 11054/11 | Ist ein durch Vogelschlag verursachter Turbinenschaden die Ursache für eine erhebliche Verspätung/Annullierung eines Fluges, so liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor. |
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 07.08.14 | 322 C 1652/14 (84) | |
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 04.03.15 | 29 C 3128/14 (21) | Schlägt in ein anderes Flugzeug ein und kommt es durch eine betriebswirtschaftliche Entscheidung der Airline zur Annullierung eines anderen Fluges, so liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor. |
AG Köln, Urt. v. 07.12.15 | 142 C 119/15 | Die Notwendigkeit aus Sicherheitserwägungen heraus eine Überprüfung der im Anflugsektor gefundenen Metallstange durchzuführen, stellt keinen außergewöhnlichen Umstand dar. |
AG Rüsselheim, Urt. v. 18.01.17 | 3 C 751/16 | Hat in das Flugzeug des unmittelbaren Vorflugs ein Blitz eingeschlagen und sind daraufhin umfangreiche Reparaturen notwendig, so kann der Fluggast gegen das Luftfahrtunternehmen keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Artikel 7 der Fluggastrechteverordnung geltend machen. |
BGH, Urteil vom 21.8.2012 | X ZR 146/11 | Ein Streik des eigenen Personals stellt einen haftungsbefreienden außergewöhnlichen Umstand dar. |
AG Hamburg, Urt. v. 8.1.2015 | 20a C 219/14 | Trifft der Blitz nicht den unmittelbaren Vorflug, sondern irgendeinen vorhergehenden Flug, so liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor, da es eine organisatorische Entscheidung der Airline ist, ein und dasselbe Flugzeug für mehrere kurzzeitig aufeinanderfolgende Strecken einzusetzen. |
AG Erding, Urteil vom 15.4.2016 | 7 C 1934/15 | Ist das Pushback-Fahrzeug nicht rechtzeitig da und kann daher die Starterlaubnis nicht rechtzeitig erteilt werden, wodurch es zu einer Verspätung kommt, liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor. |
AG Hamburg, Urteil vom 5.12.2017 | 31a C 55/16 | Wird eine Landeerlaubnis nicht oder verspätet erteilt, liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor. |
EuGH, Urteil vom 14.11.2014 | C-394/14 |
|
EuGH, Urteil vom 31.01.2013 | C-12/11 |
|
EuGH, Urteil vom 23.10.2012 | C-581/10 und C-629/10 |
|
EuGH, Urteil vom 12.05.2011 | C-294/10 |
|
EuGH, Urteil vom 22.12.2008 | C-549/07 |
|
BGH, Urteil vom 13.11.2013 | X ZR 115/12 |
|
BGH, Urteil vom 25.09.2013 | X ZR 129/12 |
|
BGH, Urteil vom 24.09.2013 | X ZR 160/12 |
|
BGH, Urteil vom 21.08.2012 | X ZR 146/11 |
|
BGH, Urteil vom 14.10.2010 | Xa ZR 15/10 |
|
BGH, Urteil vom 12.11.2009 | Xa ZR 76/07 |
|
LG Berlin, Urteil vom 23.04.2015 | 57 S 18/14 |
|
LG Darmstadt, Urteil vom 01.12.2012 | 7 S 66/10 |
|
LG Darmstadt, Urteil vom 23.05.2012 | 7 S 250/11 |
|
LG Stuttgart, Urteil vom 20.04.2011 | 13 S 227/10 |
|
LG Darmstadt, Urteil vom 16.06.2010 | 7 S 200/08 |
|
LG Düsseldorf, Urteil vom 07.05.2009 | 22 S 215/08 |
|
LG Berlin, Urteil vom 07.02.2008 | 57 S 26/07 |
|
LG Berlin, Urteil vom 13.12.2007 | 57 S 44/07 |
|
LG Darmstadt, Urteil vom 01.08.2007 | 21 S 263/06 |
|
AG Charlottenburg, Urteil vom 30.03.2017 | 205 C 85/16 |
|
AG Geldern, Urteil vom 07.10.2016 | 17 C 55/16 |
|
AG Frankfurt, Urteil vom 08.06.2016 | 31 C 397/16 |
|
AG Frankfurt, Urteil vom 04.03.2015 | 29 C 3128/14 (21) |
|
AG Hamburg, Urteil vom 09.05.2014 | 36a 462/13 |
|
AG München, Urteil vom 10.01.2014 | 212 C 11471/13 |
|
AG Rüsselsheim, Urteil vom 27.11.2013 | 3 C 305/13 |
|
AG Rüsselsheim, Urteil vom 24.07.2013 | 3 C 2159/12 (36) |
|
AG Baden-Baden, Urteil vom 28.06.2013 | 1 S 47/12 |
|
AG Frankfurt, Urteil vom 13.03.2013 | 29 C 811/11 (21) |
|
AG Frankfurt, Urteil vom 08.02.2013 | 30 C 2290/12 |
|
AG Frankfurt, Urteil vom 02.08.2012 | 29 C 1297/12 |
|
AG Erding, Urteil vom 23.07.2012 | 3 C 719/12 |
|
AG Rüsselsheim, Urteil vom 11.01.2011 | 3 C 1698/10 |
|
AG Wedding, Urteil vom 28.10.2010 | 2 C 115/10 |
|
AG Frankfurt, Urteil vom 28.09.2010 | 30 C 1048/10 |
|
AG Rüsselsheim, Urteil vom 19.07.2010 | 3 C 257/10 |
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AG Rüsselsheim, Urteil vom 11.06.2010 | 3 C 387/10 (35) |
|
AG Köln, Urteil vom 09.04.2010 | 124 C 407/09 |
|
AG Geldern, Urteil vom 28.11.2007 | 14 C 273/07 |
|
AG Bremen, Urteil vom 03.07.2007 | 4 C 393/06 |
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AG Frankfurt, Urteil vom 16.02.2007 | 30 C 1701/06 |
|
AG Hamburg, Urteil vom 10.01.2006 | 18B C 329/05 |
|
Urteil vom 28.09.2010 | 30 C 1048/10 (32) |
|
AG Frankfurt, Urteil vom 16.02.2007 | 30 C 1701/06 |
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LG Darmstadt, Urteil vom 18.12.2013 | 7 S 90/13 | Im Rahmen eines Nachtflugverbots kann auch dann ein außergewöhnlicher Umstand angenommen werden, wenn die Spanne zwischen der Verzögerung bei der Abfertigung eines Flugzeugs und der Bitte um Starterlaubnis nur wenige Minuten beträgt. Die Verzögerung bei der Abfertigung des Flugzeugs muss die Fluggesellschaft zu vertreten haben. |
AG Frankfurt, Urteil vom 6.2.2017 | 31 C 3832/15 (83) | Begründet eine Fluggesellschaft eine ihrer Entscheidungen, die zu einer Verspätung oder Annullierung geführt hat, mit einem außergewöhnlichen Umstand, so trägt sie die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Vorliegens des außergewöhnlichen Umstands. |
BGH, Urteil vom 20.12.2016 | X ZR 77/15 | Kollidiert ein Gepäckwagen mit einem in Parkposition stehenden Flugzeug und entsteht dadurch eine Annullierung oder Verspätung, liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor. |
AG Hannover, Urteil vom 14.3.2017 | 523 C 12833/16 | Verpasst ein Fluggast wegen eigenem Verschulden und trotz planmäßiger Landung des Zubringerfluges seinen Anschlussflug, so liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor. |
AG Frankfurt, Urteil vom 20.06.2018 | 31 C 269/18 (17) | Ein angekündigter Streik ist nur dann ein außergewöhnlicher Umstand, wenn dieser kausal für das schädigende Ereignis ist. |
LG Köln, Urteil vom 16.05.2017 | 11 S 107/16 | Maßnahmen der Flugsicherung können einen außergewöhnlichen Umstand begründen (konkret: Mehrfache Verschiebung des zugewiesenen Slots, Zusammenfall des Slots mit Flughafensperrung) |
LG Stuttgart, Urteil vom 7.12.2017 | 5 S 103/17 | Die Beschädigung eines Flugzeugreifens durch einen Fremdkörper auf der Start- und Landebahn stellt kein Vorkommnis dar, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sei. Ein außergewöhnlicher Umstand liegt somit nicht vor. |