Beförderung gefährlicher Güter

Aus PASSAGIERRECHTE
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Unter Gefahrgütern versteht man jene Erzeugnisse, die eine Gefahr für das Flugzeug und/oder seine Insassen darstellen könnten, wenn sie transportiert werden. Daher müssen Gefahrgüter entweder ganz verboten werden oder nur unter strengen Vorsichtsmaßnahmen bezüglich ihrer Verpackung, Menge, Stauplatz, Nähe zu anderen Gegenständen oder Kategorie des Fluges befördert werden.

Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation definiert Gefahrgüter wie folgt: „Gegenstände oder Stoffe, die eine Gefahr für die Gesundheit, die Sicherheit, das Eigentum oder die Umwelt darstellen und die in der Liste der gefährlichen Stoffe in der Technischen Anleitung stehen oder anhand dieser kategorisiert wurden.“

Technische Anleitung

Die technische Anleitung der ICAO zum Transport von Gefahrgütern enthält eine umfassende Reihe von Bestimmungen, die auf einer Klassifizierung von gefährlichen Gütern basiert und eine vollständige Auflistung derer enthält. Die Liste bestimmt jene Gegenstände oder Stoffe, welche:

  • Unter allen Umständen verboten sind.
  • Sowohl in Passagier- als auch in Frachtflugzeugen unter normalen Bedingungen nicht zulässig sind, in Ausnahmefällen jedoch in Abhängigkeit von der Freistellung des jeweiligen Staates befördert werden können.
  • In Passagierflugzeugen verboten, in Frachtflugzeugen unter normalen Umständen jedoch zugelassen sind.
  • Unter normalen Umständen sowohl in Passagier- als auch in Frachtflugzeugen erlaubt sind.

Gemäß der Anleitung müssen alle Gefahrgüter entsprechend verpackt werden, und nur eine bestimmte Menge pro Paket je nach dem Grad der Gefahr und dem Flugzeugtyp enthalten. In den meisten Fällen gibt es keine Höchstanzahl der Pakete für ein Flugzeug (außer der für das Gesamtgewicht des Flugzeugs relevanter Überlegungen). Die Anleitung bestimmt auch die erlaubten Verpackungsmethoden und Verpackungsarten. Die Verpackung wird strengen Tests und Überprüfungen ausgesetzt, bevor sie verwendet werden kann. Darüber hinaus gibt es strenge Vorschriften bezüglich der Kennzeichnung, Etikettierung und Dokumentierung der Pakete mit Gefahrgütern für den Lufttransport.

Gemäß einer Vorschrift müssen jegliche Gefahrgüter vor der Verladung in das Flugzeug vom Flugzeugbetreiber oder einer von ihm dafür engagierten Person überprüft werden, um sicherzugehen, dass sie sich in einem ordnungsgemäßen Zustand in Übereinstimmung mit geltenden Vorschriften befinden. Für Gefahrgüter gelten Beschränkungen beim Verladen einschließlich der getrennten Verstauung inkompatibler Güter und Sicherung gegen unbeabsichtigtes Bewegen während des Fluges.

Der Flugkapitän muss vor dem Abflug darüber in Kenntnis gesetzt werden, welche und wo sich Gefahrgüter an Bord befinden. In einer Notfallsituation (welche nicht unbedingt im Zusammenhang mit Gefahrgütern stehen muss) muss der Pilot gegebenenfalls die geeignete Flugsicherungsstelle darüber informieren, damit die Rettungskräfte besonders vorsichtig oder entsprechend darauf vorbereitet sind. Der Pilot darf in Bezug auf die Weitergabe der Information über Gefahrgüter diskret sein, damit die Flugbesatzung die Aufmerksamkeit weiterhin ihren primären Aufgaben widmet.

Da Luftfahrzeugbetreiber auch wissen, welche Gefahrgüter sich an Bord ihrer Flugzeuge befinden, müssen sie so schnell, wie möglich, die Regierung des Staates informieren, in welchem der Unfall passiert ist. Unter bestimmten Umständen ist es möglich und zulässig, dass Information über die Art und die Position der Gefahrgüter an Bord des Flugzeuges nicht sofort verfügbar ist. Die Betreiber sind auch verpflichtet, alle Unfälle oder Zwischenfälle im Zusammenhang mit Gefahrgütern bei einer entsprechenden Behörde zu melden. Die Staaten ihrerseits haben die Pflicht, den Hinweisen nachzugehen und die Vorfälle zu untersuchen.

Die technische Anleitung legt die Anforderungen an die Ausbildung all jener fest, die am Versenden der Gefahrgüter, Passagiergepäck und Fracht beteiligt sind. Diese Kompetenzen müssen im Abstand von zwei Jahren aufgefrischt werden. Dieselben Bedingungen gelten auch für Spediteure und Betreiber.

Ausnahmen

Die Staaten sind erlaubt, in Ausnahmefällen von den Bestimmungen der Technischen Anleitung abzuweichen, wenn dadurch dasselbe Niveau an Sicherheit geboten wird. Dies kann beispielsweise unter folgenden Umständen sinnvoll sein:

  • In extremen Notfällen,
  • Wenn andere Transportarten nicht geeignet sind, oder
  • Wenn vollständige Einhaltung der Vorschriften dem öffentlichen Interesse widerspricht.

Die Vorschriften der technischen Anleitung gelten auch für folgende Arten bzw. Eigenschaften der Gefahrgüter nicht:

  • Wenn Gefahrgüter während des Fluges einem Patienten verabreicht werden müssen, sofern:
    • Sie vom Betreiber genehmigt wurden,
    • Ein Teil der permanenten Ausrüstung des Flugzeuges sind, welches für spezielle Zwecke angepasst wurde,
      • Gasflaschen müssen speziell für die Aufbewahrung und den Transport des bestimmten Gases hergestellt worden sein,
      • Gegenstände, die Nassbatterien enthalten, müssen in aufrechter Position gelagert und transportiert werden, um das Auslaufen des Elektrolyten zu vermeiden,
  • Für veterinäre Hilfe oder zum humanen Töten von Tieren,
  • Stoffe, die im Zusammenhang mit Landwirtschaft, Gartenbau, Forstwirtschaft, Lawinenschutz, Eisstaukontrolle, Erdrutschbeseitigung oder emissionsmindernden Maßnahmen abgeworfen werden müssen,
  • Stoffe oder Gegenstände, die während des Fluges im Zusammenhang mit Such- und Rettungsmaßnahmen während des Fluges benötigt werden,
  • Transport von Fahrzeugen, wenn das Flugzeug dafür vorgesehen ist und folgende Maßnahmen getroffen sind:
    • Eine Genehmigung von einer Behörde des betroffenen Staates vorliegt,
    • Fahrzeuge in aufrechter Position befestigt sind,
    • Treibstofftanks sind so befüllt, dass der Treibstoff während des Be- und Entladens sowie Transports nicht ausläuft,
    • In dem Abteil, wo Fahrzeuge transportiert werden, adäquate Belüftung vorhanden ist,
  • Stoffe, die für den Betrieb spezieller Gegenstände während des Fluges benötigt werden (z.B. Kühlgeräte) oder die in Übereinstimmung mit Betriebsvorschriften an Bord mitgeführt werden müssen (z.B. Feuerlöscher),
  • Stoffe oder Gegenstände im Übergepäck, das als Fracht gesendet wird, unter folgenden Bedingungen:
    • Das Übergepäck wurde von oder im Namen eines Fluggast in Beförderung gegeben,
    • Gefahrgüter müssen nur diejenigen sein, die gemäß der technischen Anleitung zugelassen sind,
    • Das Übergepäck muss mit „Übergepäck befördert als Fracht“ („Excess baggage consigned as cargo“) markiert sein.

Auf oben beschriebene Gefahrgüter müssen darüber hinaus folgende Merkmale zutreffen:

  • Die gefährlichen Stoffe oder Gegenstände müsse den normalen Bedingungen des Lufttransports standhalten können,
  • Gefahrgüter müssen auf geeignete Weise identifizierbar sein (z.B. Kennzeichnung oder Etikettierung),
  • Gefahrgüter können nur mit Genehmigung des Betreibers befördert werden,
  • Gefahrgüter, dessen Transportbehälter oder Verpackung muss frei von Schäden sein,
  • Der Betreiber muss die Beladung überwachen,
  • Die Gefahrgüter müssen im Flugzeug so verstaut und gesichert werden, dass sie sich während des Fluges nicht bewegen und ihre Position nicht ändern,
  • Der Flugkapitän und Flight-Crew müssen über Gefahrgüter an Bord in Kenntnis gesetzt werden. Falls die Besatzung später ausgewechselt wird, muss die Crew ebenfalls informiert werden,
  • Alle Mitarbeiter müssen in ihren Aufgaben geschult werden.

Luftpost

Gemäß den Bestimmungen der Technischen Anleitung der ICAO und des Übereinkommens vom Weltpostverein (Universal Postal Union, UPU) sind die in der Technischen Anleitung definierten Gefahrgüter mit wenigen Ausnahmen nicht für den Versand per Luftpost zugelassen. Mit der Genehmigung einer zuständigen nationalen Behörde kann bei folgenden Güterarten von dem Verbot abgewichen werden:

  • Patientenproben bestimmter Art unter der Bedingung, dass sie ordnungsgemäß klassifiziert, verpackt und gekennzeichnet werden,
  • Infektiöse Stoffe bestimmter Kategorie nur, wenn sie entsprechend verpackt und mit Trockeneis gekühlt werden,
  • Radioaktive Stoffe in geeigneter Verpackung nur, wenn die Strahlung nicht mehr, als ein Zehntel der zugelassenen Menge beträgt,
  • Lithium-Ionen-Batterien bestimmter Art, maximal vier Zellen oder zwei Batterien pro Paket,
  • Lithium-Metall-Batterien in Geräten bestimmter Art, maximal vier Zellen oder zwei Batterien Paket.

Klassifikation

Stoffe (einschließlich Mischungen und Lösungen) und Gegenstände, die unter die Bestimmungen der Anleitung fallen, werden neun Klassen entsprechend der Gefahr, die von ihnen ausgeht, zugeordnet. Einige Klassen werden in weitere Sektionen unterteilt.
Diese Klassen und Subklassen sind:

  • Explosivstoffe:
    • Stoffe und Gegenstände mit massiver Explosionsgefahr,
    • Stoffe und Gegenstände mit potenzieller Explosionsgefahr,
    • Stoffe und Gegenstände, die die Gefahr der Bildung von Splittern, Spreng- und Wurfstücken aufweisen, aber nicht massenexplosionsfähig sind.
    • Stoffe und Gegenstände mit Brandgefahr und einer geringeren Gefahr der Beschädigung durch Luftdruck oder Bildung von Splittern, Spreng- und Wurfstücken oder beides, aber nicht massenexplosionsfähig sind,
    • Stoffe und Gegenstände ohne signifikante Gefahr,
    • Sehr unempfindliche Stoffe, die massenexplosionsfähig sind,
    • Sehr unempfindliche Gegenstände ohne Gefahr der Massenexplosion.
  • Gase:
    • Entflammbare Gase,
    • Nicht entflammbare und ungiftige Gase,
    • Giftige Gase.
  • Entflammbare Flüssigkeiten
  • Entflammbare Feststoffe; Stoffe mit Selbstentzündungspotenzial, Stoffe, die beim Kontakt mit Wasser entzündbare Gase entwickeln:
    • Brennbare Feststoffe, selbstreaktive und verwandte Stoffe sowie desensibilisierte explosive Stoffe,
    • Stoffe, die zur Selbstentzündung neigen,
    • Stoffe, die in Berührung mit Wasser entzündbare Gase emittieren.
  • Oxidierende Stoffe und organische Peroxide
  • Giftige und infektiöse Stoffe
  • Radioaktive Stoffe
  • Ätzende Stoffe
  • Andere gefährliche Stoffe und Gegenstände, einschließlich umweltgefährdender Stoffe

Fehlt die entsprechende Kennzeichnung, so gelten viele dieser Stoffe als umweltgefährdend.
Abfälle dürfen gemäß den Anforderungen für die jeweilige Stoffklasse und unter Berücksichtigung der Gefahr, die von diesen Stoffen ausgeht, transportiert werden. Abfälle, die keiner Klasse zugeordnet werden können, jedoch vom Basler Übereinkommen (Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung) gedeckt werden, können als Stoffe der Kategorie 9 (andere gefährliche Stoffe und Gegenstände) befördert werden.

Umgang mit Gefahrgütern

Luftfahrzeugbetreiber müssen ein Ausrüstungsset für Notfalleinsatz an Bord bereithalten, damit die Crew auf Zwischenfälle mit Gefahrgütern entsprechend reagieren und handeln kann. So ein Set enthält typischerweise folgende Mindestausrüstung:

  • Große Plastikbeutel schwerer Qualität
  • Schnürbänder zum Verbinden von Säcken nach der Benutzung
  • Lange Gummihandschuhe

Wenn kein Notfallset an Bord verfügbar ist, muss die Crew improvisieren. Es gibt viele Utensilien in der Kabine, welche die Crew in diesem Fall benutzen kann, zum Beispiel:

  • Ofenhandschuhe oder Feuerhandschuhe abgedeckt mit Plastiktüten, um Hände zu schützen,
  • Große und kleine Polyethylen-Beutel, z.B. Mülltüten, Duty-Free-Beutel oder Spuckbeutel,
  • Saugfähige Materialien, zum Beispiel Papiertücher, Zeitungen, Stoffservietten etc.,
  • Catering-Boxen,
  • Handtücher,
  • Decken.

Der erste Hinweis auf das Verschütten oder Auslaufen eines Gefahrgutes kann von einem Fluggast kommen. Wenn ein Gefahrgut in der Kabine entdeckt wird, muss die Kabinenbesatzung die Flight-Crew sofort informieren.
Das Kabinenpersonal soll den betroffenen Passagier bitten, das Gefahrgut zu identifizieren. Es soll möglichst viel Information gesammelt werden, zum Beispiel:

  • Kennzeichnung bzw. Etikett des Gefahrgutes,
  • Nummern auf der Verpackung,
  • Schriftliche Information auf der Verpackung,
  • Gerüche
  • Dämpfe
  • Rauch
  • Mögliche Auswirkung auf andere Fluggäste

Folgende Vorgehensweise ist geboten, wenn ein Pulver unbekannter Herkunft verschüttet wird:

  • Die Substanz darf nicht angefasst werden,
  • Keine Feuerlöscher oder Wasser,
  • Der Bereich soll mit Plastikfolie, Plastiktüten oder Tüchern abgedeckt werden,
  • Der Bereich soll bis nach der Landung isoliert werden.

Flugbegleiter oder Kabinenpersonal soll vor dem Anfassen auslaufender, verdächtiger Gegenstände oder Pakete Handschuhe anziehen, um die Hände zu schützen. Weiterhin sollen zum Schutz der Atemwege auch tragbare Atemgeräte verwendet werden. Wenn der Gegenstand Dämpfe oder Rauch erzeugt, müssen Passagiere unverzüglich aus diesem Bereich entfernt werden. Es ist auch sinnvoll, feuchte Tücher oder kleine Kleidungsstücke als Atemmasken zu benutzen.

Verschüttete oder dämpfende Stoffe dürfen nicht mit Wasser gelöscht werden in Kontakt kommen, da das Wasser die Ausbreitung des Stoffes oder der Dämpfe nur beschleunigen kann. Es können sich auch elektrische Komponenten in der Nähe der Verschüttung befinden, die ebenfalls nicht in Berührung mit Wasser kommen sollen.

Das Gefahrgut und kontaminierte Materialien sollen aus der Kabine entfernt werden. Der gefährliche Gegenstand soll in einen Plastikbeutel in aufrechter Position mit der beschädigten Stelle nach oben platziert werden. Alle verunreinigten Materialien oder Gegenstände sollen in denselben Beutel verpackt und verschlossen werden.

Beim Ausziehen der Handschuhe soll der Kontakt jeglicher Verunreinigungen mit der Haut vermieden werden. Die Handschuhe werden ebenfalls in einen Beutel verpackt und gesichert. Alle Stoffe oder Gegenstände, die mit gefährlichem Stoff in Berührung gekommen sind, gelten nun auch als Gefahrgüter. Pakete mit gefährlichen Gütern können bis zur Ankunft in einer Catering-Box aufbewahrt werden. Wichtig ist, dass sich die Box oder ein anderer Behälter mit Paketen so weit entfernt, wie möglich, vom Cockpit und von den Passagieren befindet.

Wenn unerlaubte Gefahrgüter in der Kabine gefunden werden, kann dies ein Hinweis auf andere Probleme sein:

  • Mangelhafte Sicherheitskontrolle auf dem Boden,
  • Mangelhaftes Bewusstsein oder Wissen über Gefahrgüter beim Sicherheits- und Abfertigungspersonal,
  • Verstoß gegen Vorschriften oder die Politik des Flugzeugbetreibers in Bezug auf Beförderung von Gefahrgütern,
  • Ein Mangel an sichtbar bereitgestellten Informationen für Fluggäste.

Vorbeugung

Gefahrgüter werden regelmäßig und routinemäßig mit Passagier- und allen Frachtflugzeugen transportiert und sind unbedenklich, wenn sie richtig identifiziert, verpackt und gehandhabt werden. Trotz dessen sollten sowohl der Betreiber als auch die Flugbesatzung präventive Maßnahmen treffen:

  • Informationen für Fluggäste im Check-in-Bereich, an den Ticketverkaufsstellen usw. platzieren,
  • Sicherstellen, dass Vorschriften über die Verpackung, Lagerung und Beförderung von Gefahrgütern vom Bodenpersonal, Kabinencrew und Fluggästen eingehalten werden,
  • Alle Mitarbeiter, die in Kontakt mit Gefahrgütern kommen könnten, detailliert und genau über den Umgang und die Vorgehensweise in einem Notfall unterrichten.

Siehe auch