Erforderliche Navigationsleistung
Erforderliche Navigationsleistung (englisch: required navigation performance, RNP) ist ein Teil des Konzeptes der leistungsbasierten Navigation. Es navigiert ein Flugzeug über einen bestimmten Weg zwischen zwei dreidimensional definierten Punkten. Ein RNP-System funktioniert ähnlich wie ein Flächennavigation-System (RNAV). Der wichtigste Unterschied jedoch besteht darin, dass RNP-Systeme eine Überwachungs- und Warnungsfunktion an Bord des Flugzeuges erfüllen.
RNP bezieht sich auch auf ein Leistungsniveau, das für ein bestimmtes Verfahren oder einen bestimmten Luftraumblock notwendig ist. Eine RNP in Höhe von 10 bedeutet, dass das System seine Position in einem Umkreis von 10 Seemeilen berechnen muss. Eine RNP von 0,3 bedeutet, dass die Position im Umkreis von drei zehntel NM ermittelt werden soll.
Ein verwandter Begriff ist ANP – „actual navigation performance“ oder tatsächliche Navigationsleistung. ANP bezeichnet den aktuellen Zustand des Navigationssystems, während RNP die gewünschte und für einen bestimmten Vorgang oder Luftraumbereich erforderliche Navigationsleistung beschreibt.
Einige Bereiche im Meerluftraum haben RNP von 4 oder 10. Die erforderliche Navigationsleistung, für die ein Flugzeug in der Lage sein muss, ist gleichzeitig auch die Staffelung zwischen Flugzeugen.
RNP-Anflüge mit RNP-Werten aktuell bis zu 0,1 ermöglichen es Flugzeugen, eine präzise, dreidimensional gekrümmte Flugbahn durch einen ausgelasteten Luftraum, in lärmempfindlichen Gegenden oder durch schwieriges Gelände zu folgen.
Alaska Airlines wurde 1996 die erste Fluggesellschaft die das RNP-System beim Anflug durch den Gastineau Channel bei Juneau in Alaska verwendet hat. Für Alaska-Flüge hat die Fluggesellschaft mehr als 30 RNP-Anflugverfahren entwickelt. 2005 hat die Fluggesellschaft den ersten RNP-Anflug auf den Reagan-Flughafen in Washington durchgeführt.
RNP-Verfahren wurden 1998 im Rahmen des Regelwerkes der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation für Instrumentenanflüge und Abflugverfahren.
Beschreibung
Zu den aktuellen Anforderungen eines RNP-Systems gehören:
- Die Fähigkeit, einem gewünschten Kurs mit Zuverlässigkeit, Wiederholbarkeit und Vorhersagbarkeit zu folgen.
- Wo vertikale Flugprofile für vertikale Führung vorhanden sind, wird die vertikale Flugbahn durch spezifische Höhenbeschränkungen definiert.
Die Überwachungs- und Warnungsfunktionen können je nach der Installation, Architektur und Konfiguration des Systems in verschiedenen Ausführungsformen vorhanden sein:
- Sowohl die erwartete als auch tatsächliche Navigationsleistung werden angezeigt
- Die Systemleistung wird überwacht und die Cockpit-Crew wird alarmiert, wenn RNP-Anforderungen nicht mehr getroffen werden
Ein RNP-System nutzt seine Navigationssensoren, Systemarchitektur und Betriebsmodi, damit die Navigationsleistung den Anforderungen entspricht. Es muss die Integrität und die Plausibilität der Sensoren und Daten überprüfen und kann bestimmte Arten von Navigationshilfen deaktivieren, wenn sie auf einen unzuverlässigen Sensor zurückgreifen. RNP kann die Betriebsmodi des Flugzeuges einschränken, zum Beispiel, bei einem kleinen RNP-Wert, wo ein flugtechnischer Fehler (FTE) ein bedeutender Faktor ist, kann manuelle Flugsteuerung durch die Flugbesatzung nicht zugelassen sein.
Ein Flächennavigationssystem, das die Anforderungen eines RNP-Systems erfüllen kann, wird mit diesem gleichgestellt. Ein Flugzeug, das für eine RNP-Spezifikation zugelassen ist, ist nicht automatisch für eine RNAV-Spezifikation zugelassen, da für jede Navigationsvorgabe eigene Leistungsanforderungen definiert werden. Ein Flugzeug, das für strengere Sorgfaltsvorgaben geeignet ist, bekommt nicht automatisch eine Genehmigung für Navigationsvorgaben mit weniger strengen Genauigkeitsanforderungen.
Das Konzept der erforderlichen Navigationsleistung kann formal durch folgende vier Begriffe definiert werden:
- Genauigkeit: Die Notwendigkeit, den tatsächlichen Standort des Flugzeuges innerhalb eines bestimmten Radius 95% des Fluges zu halten.
- Integrität: Die Anforderung, den tatsächlichen Standort des Flugzeuges innerhalb eines definierten Radius 99,9% des Fluges zu halten.
- Verfügbarkeit: Die mit allgemeinem Risiko bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass der Navigationsdienst, welcher die benötigten Genauigkeit und Integrität für den beabsichtigten Vorgang verfügbar sein wird.
- Kontinuität: Die mit spezifischem Risiko berechnete Wahrscheinlichkeit,
Überwachungs- und Warnungsfunktion
Verschiedene Anwendungen des RNP-Systems haben gleiche Charakteristika:
- Genauigkeit: Die Genauigkeitsanforderung definiert 95% der gesamten Systemfehler. Das bedeutet, dass 95% Flugzeit die Abweichung von der gewünschten Flugbahn nicht mehr als eine Seemeile betragen darf. Die Genauigkeit ist eines der beobachteten Leistungsmerkmale.
- Leistungsüberwachung: Das Auftreten der Gesamtsystemfehler muss von den Flugzeugsystemen oder auch durch den Piloten beobachtet werden. Wird die Genauigkeitsanforderung nicht getroffen oder ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Gesamtsystemfehler mehr als zwei Mal pro Flug den gegebenen Präzisionswert überschreiten, größer als 0,000001, müssen Piloten eine Warnung erhalten.
- Flugzeugversagen: Ein Ausfall von Flugzeugsystemen oder –komponenten ist ein Gegenstand der Lufttüchtigkeitsvorschriften. Fehler werden nach der Schwere ihrer Auswirkung kategorisiert. Das System muss so konzipiert sein, dass entweder die Wahrscheinlichkeit der Fehler oder deren Schaden minimiert wird. Sowohl Funktionsstörungen (Gerät funktioniert, liefert aber kein erwartetes Ergebnis) als auch Verlust der Funktionsfähigkeit (Gerät liefert kein Ergebnis) werden berücksichtigt. Um Kontinuität zu gewährleisten, müssen Dualsysteme installiert werden.
Die Auswirkung der RNP-Navigationsvorgaben ist die Begrenzung der Verteilung der Gesamtsystemfehler. Die Überwachungsfunktion konzentriert sich auf zwei Fehlerarten – flugtechnischer Fehler (FTE) und Navigationssystemfehler (NSE). Fehler in der Flugbahnbeschreibung können vernachlässigt werden. Diese drei Fehlerarten werden zusammen als Gesamtsystemfehler bezeichnet (TSE). Aufgrund der Beschaffenheit des FTE-Prozesses ist seine Verteilung innerhalb eines Flugsteuerungsmodus über die ganze Zeit konstant. Das Auftreten der NSE-Fehler ist, hingegen, aufgrund von sich ändernden Eigenschaften variabel:
- Ausgewählte Navigationsmethoden, zum Beispiel GPS oder DME-Funkstellen
- Die relative Lage des Flugzeuges zum Navigationsmittel: Die Arbeit verschiedener Navigationsmittel kann von der spezifischen Lage des Flugzeuges in Bezug auf die geografische Lage des jeweiligen Navigationssensors abhängig sein. Andere Navigationshilfen, insbesondere bodengestützte, lassen mit zunehmendem Abstand zum Flugzeug Bereichsfehler zu.
- Bei Trägheitsnavigation entstehen Fehler mit der Zeit seit der letzten Aktualisierung des Gerätes.
Anwendung
Obwohl die Gesamtsystemfehler sich im Laufe der Zeit aus verschiedenen Gründen verändern können, stellen RNP-Systeme sicher, dass die Fehler innerhalb eines bestimmten Toleranzbereiches bleiben, der für den Flug akzeptabel ist. Dafür sind zwei Voraussetzungen notwendig:
- Die Fehlerwerte bleiben gleich oder besser 95% der Flugzeit
- Die Wahrscheinlichkeit, dass Fehlerwerte eines jeden Flugzeuges die Grenzen überschreiten, ist weniger als 0,000001.
Diese Charakteristika legen Mindestanforderungen fest, definieren jedoch nicht das tatsächliche Fehleraufkommen. Die tatsächliche Fehlerverteilung kann typischerweise besser als die erforderliche sein. Geringere Werte werden jedoch nur dann benutzt, wenn es dafür klare Anhaltspunkte gibt.
Bei der Anwendung von Leistungsüberwachung-Vorgaben an einem Flugzeug kann es erhebliche Unterschiede darin geben, wie mit einzelnen Fehlern umgegangen wird:
- Einige Systeme beobachten die tatsächlichen Kreuzkurs- und Längskursfehler einzeln, während andere alle Navigationssystemfehler zusammen überwachen.
- Einige berücksichtigen auch FTE-Fehler, indem dessen aktuelle Werte als eine Einschätzung der TSE-Verteilung benutzt werden.
Die Leistungsüberwachung ist nicht gleich Fehlerüberwachung. Eine Warnung der Leistungsüberwachung erfolgt, wenn das System nicht mehr garantieren kann, dass die Position des Flugzeuges den Vorgaben genau entspricht. Der Grund für eine solche Warnung ist typischerweise die eingetretene Unmöglichkeit, Ortungsdaten zu validieren.
Einsatzbereiche
Ozeanischer und entfernter kontinentaler Luftraum
Diese Luftraumbereiche werden gegenwärtig von zwei Navigationsanwendungen unterstützt – RNAV 10 und RNP 4. Beide verwenden das globale Navigationssatellitensystem (GNSS). RNAV 10 benötigt keine Begleitung durch Flugverkehrskontrolle. Im Falle von RNP 4 ist die automatische Flugzeugüberwachung notwendig.
Festlandluftraum
Im Festlandluftraum wird gegenwärtig mithilfe von RNAV-Anwendungen navigiert. RNAV 5 wird im Mittleren Osten und in Europa verwendet und seit 2008 als B-RNAV (grundlegende Flächennavigation) bezeichnet. In den Vereinigten Staaten kommt RNAV-2 auf Strecken im Festlandluftraum zum Einsatz. Derzeit unterstützten Anwendungen Radarüberwachung und direkte Sprachkommunikation vom Lotsen zum Piloten.
Flugplatzkontrolle: Ankunft und Abflug
Bestehende Konzepte des flugplatznahen Luftraumes werden durch RNAV-Anwendungen unterstützt. Diese werden aktuell in Europa und den USA genutzt. Die europäische Flugplatz-RNAV-Anwendung ist als P-RNAV bekannt (Präzisionsnavigation). Obwohl RNAV 1 und P-RNAV relativ ähnliche Navigationsgenauigkeit aufweisen, erfüllt die regionale Navigationsanwendung nicht die Anforderungen an RNAV 1. Die basische RNP-Anwendung 1 wurde für einen Luftraum mit geringer Dichte und ohne Radarunterstützung entwickelt. In der Zukunft sollen mehr RNP-Programme sowohl für Flughafen- als auch für Streckenluftraum.
Anflug
Anflug-Konzepte decken alle Segmente von Instrumentenanflügen ab: den Anfang, die Zwischenphase, Endanflug und Fehlanflug. Die Anwendung erfordert eine Genauigkeit von 1 NM in der Anfangs-, Zwischen- und Fehlphase sowie 0,3 NM beim Endanflug. Bei Flughäfen mit schwierigem Gelände, wo kein Instrumentenanflug möglich ist, kann eine RNP-Anwendung kurvige Bahnen unterhalb eines Mindestniveaus verfolgen, auf welches andere Programme beschränkt sind.
Vorteile
Das Konzept der erforderlichen Navigationsleistung ermöglicht es den Fluggesellschaften, effizientere Flugwege zu benutzen, die wiederum eine Vielzahl an Vorteilen versprechen. Dazu gehören effizientere Nutzung des Luftraums durch geringere Mindestsicherheitsabstände, weniger Treibstoffverbrauch und Emissionen durch kürzere Wege und besserer Zugang zur Landebahn durch niedrigere Minima. RNP kann in Verbindung mit einem Flächennavigationssystem, Instrumentenlandesystem oder Satellitenlandesystem.
Eine feste laterale Flugbahn ermöglicht auch ein besseres Energiemanagement und kürzere Steig- und Sinkflugzeiten. Schließlich kann damit präzise kontrolliert werden, welche Bereiche überflogen werden, sodass, zum Beispiel, eine lärmempfindliche Gegend vermieden wird.
In der Zukunft wird der Einsatz des RNP-Konzepts wahrscheinlich der beste Weg sein, um die verschiedenen Ansprüche der Luftraumnutzer von Lufttransporten und unbemannten Flugzeugen, über Geschäfts- und Sportfliegerei bis hin zu Sicherheits- und Militärluftfahrt weltweit effizient und kostengünstig zu decken und zu koordinieren.