Absolutes Fixgeschäft
Das absolute Fixgeschäft ist ein Rechtsgeschäft, bei dem die Leistungszeit nach dem Vertragszweck von so wesentlicher Bedeutung ist, dass die Leistung nur bis zu dieser bestimmten Zeit erbracht werden kann und eine Verspätung zur Unmöglichkeit der Leistung führen würde. Von einem absoluten Fixgeschäft ist immer dann auszugehen, wenn die Parteien eine konkrete Leistungszeit mit Fixcharakter vereinbart haben und die Leistung bei einer Verspätung nicht mehr nachzuholen ist. Eine verspätete Leistung stellt keine Erfüllung dar. Es liegt ein Fall der Unmöglichkeit vor, weshalb sich die Ansprüche des Gläubigers nach §§ 275, 283, 326 BGB richten. Der Schuldner wird wegen Unmöglichkeit der Leistung von seiner Leistungspflicht befreit und verliert den Anspruch auf Gegenleistung. Zugleich wird dem Gläubiger eingeräumt, ohne Nachfristsetzung vom Vertrag zurückzutreten. An einem absoluten Fixgeschäft fehlt es, wenn trotz Verspätung der Zweck des Vertrages noch erreicht werden kann.
Rechtsprechung
Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag um ein absolutes Fixgeschäft. Die Gerichte haben hierfür allerdings keine wirkliche Begründung geliefert. Man ist vielmehr immer nur vom Vorliegen eines absoluten Fixgeschäfts ausgegangen. Im Laufe der Jahre hat sich die Rechtsprechung so verfestigt, dass man ihr einfach folgt. Die Charakterisierung des Luftbeförderungsvertrages als absolutes Fixgeschäft wird einfach nicht mehr in Frage gestellt. Angesichts der fehlenden Begründung erscheint es trotzdem zweifelhaft der Rechtsprechung, ohne Hinterfragen der Gründe für die Annahme des Luftbeförderungsvertrages als absolutes Fixgeschäft, zu folgen.
Literatur
Ein Großteil der Literatur hat sich der Rechtsprechung angeschlossen und nimmt an, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag um ein absolutes Fixgeschäft handelt. Aber auch diese Vertreter liefern keine wirkliche Begründung für die Annahme. Wenn Vertreter versuchen ihre Annahme zu begründen, wird oft argumentiert, dass der Fluggast einen bestimmten Flug bucht, welcher auch zu einer bestimmten Zeit stattfinden soll. Die Leistungszeit hätte dadurch herausragende Bedeutung. Allerdings gibt es auch Stimmen in der Literatur, die den Luftbeförderungsvertrag als relatives Fixgeschäft ansehen, dabei jedoch den Charakter eines relativen Fixgeschäfts verkennen. Andere wollen den Geschäftscharakter des jeweiligen Vertrages anhand des Einzelfalls prüfen. Es muss bei der Einzelfallprüfung auf das Interesse der Beteiligten und andere etwaige Vertragsinhalte abgestellt werden. Wieder andere Vertreter aus der Literatur sagen, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag allenfalls um ein relatives Fixgeschäft handeln kann. Der Fluggast verliert nicht sein Interesse an einer Beförderung bei einer Verspätung. Würde jede Verspätung zur Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB führen, dann wäre das nicht nur nicht im Interesse des Fluggastes, sondern auch nicht im Interesse des Luftfrachtführers. Eine solche Rechtsfolge haben die Vertragsparteien also regelmäßig nicht gewollt. Auch die Existenz des Art. 6 FluggastrechteVO ließe sich nicht mehr erklären. Dieser gewährt in Verbindung mit Art. 9 FluggastrechteVO dem Fluggast Unterstützungsleistungen im Falle einer Verspätung. Diese würden aber ihren Sinn verfehlen, wenn die Leistung bereits bei Verspätung unmöglich werden würde. Es lässt sich mithin zusammenfassen, dass die Vertreter der Literatur uneinig darüber sind, um welche Art Geschäft es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag handelt.
Gründe gegen die Annahme eines absoluten Fixgeschäfts
Nach den bisher festgestellten Tatsachen scheinen einige Gründe gegen die Annahme, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag um ein absolutes Fixgeschäft handelt, zu sprechen.
Bedeutung der Abflugzeit nach der Parteivereinbarung
Zunächst ist nach der Bedeutung der Abflugzeit zu fragen. Fraglich ist, ob die Abflugzeit eine derart große Bedeutung für die Parteien hat, dass bei Verspätung der Gläubiger sein Interesse an der Leistung verliert. Die Abflugzeit muss also eine so hohe Bedeutung für den Fluggast haben, dass er bei Verspätung kein Interesse mehr an der Beförderung hat. Das erscheint zumindest fraglich, weil das bedeuten würde, dass nach Überschreitung der Leistungszeit eine Erfüllung nicht mehr möglich wäre. Das ist rein faktisch aber falsch. Der Fluggast wird in der Regel immer noch das Interesse haben seinen Zielort zu erreichen. Somit hat er auch immer noch das Interesse an der Leistung. Die Beförderung und mithin die Erfüllung ist noch möglich. Zusammenfassend wird man wohl sagen müssen, dass sich aus der Bedeutung der Abflugzeit nach der Parteivereinbarung im Regelfall nicht auf ein absolutes Fixgeschäft schließen lässt.
Entfallen des Beförderungsanspruchs
Wie oben festgestellt, verliert der Fluggast in der Regel nicht sein Interesse an einer Beförderung. Würde man annehmen, dass bei jeder Verspätung Unmöglichkeit eintritt, dann würde der Fluggast seinen Erfüllungsanspruch verlieren. Nach der Ansicht der Rechtsprechung und der Literatur wäre das dann auch die zwangsläufige Rechtsfolge aus § 275 Abs. 1 BGB. Bei der Annahme eines absoluten Fixgeschäfts, würden die Fluggäste schon bei geringen Verspätungen ihren Anspruch auf Beförderung verlieren. Die Vertreter der Ansicht, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag um ein absolutes Fixgeschäft handelt, haben auf unterschiedliche Weise versucht, dieses Problem zu erklären. Ein Erklärungsansatz ist, dass geringfügige Verspätungen rechtlich nicht relevant sind. Ein weiterer Ansatz ist, dass Verspätungen bis zu vier Stunden über Art. 6 FluggastrechteVO abgedeckt sind und daher ebenfalls unerheblich sind. Daraus folgt, dass diese Vertreter gewisse Verspätungen für unerheblich halten. Dies ist allerdings mit dem Charakter eines absoluten Fixgeschäfts nur schwer zu vereinen. Würde man hier jedoch ein relatives Fixgeschäft annehmen, dann bliebe es dem Fluggast überlassen, ob er vom Vertrag, eventuell sogar ohne Nachfristsetzung, zurücktritt oder trotzdem noch befördert werden will. Insofern spricht hier einiges gegen die Einordnung des Luftbeförderungsvertrages als absolutes Fixgeschäft.
Qualifizierung der späteren Beförderung
Im Regelfall werden Fluggäste, die von einer Verspätung betroffen sind, trotzdem befördert. Wenn eine solche Beförderung tatsächlich stattfindet ist fraglich, wie davon ausgegangen werden kann, dass Unmöglichkeit eingetreten ist. Die Leistung hat ja stattgefunden, kann somit nicht unmöglich gewesen sein, da der Vertragszweck noch erreicht werden konnte. Dass die Beförderung noch stattfindet, dürfte zudem auch im Interesse der Vertragsparteien liegen. Problematisch ist, auf welcher rechtlichen Grundlage die Beförderung basieren soll, wenn man der Ansicht ist, bei dem Luftbeförderungsvertrag handle es sich um ein absolutes Fixgeschäft. Laut der herrschenden Meinung ist das bei reinen Verspätungsfällen unproblematisch, da dort gewisse Verspätungen über die Fluggastrechteverordnung abgedeckt sind. Allerdings ist dies bei Überbuchungs- und Annulierungsfällen anders. Dort wird dann wirklich von der Unmöglichkeit der Leistung ausgegangen, was auch das Entfallen des Beförderungsanspruchs nach sich zieht. Eine Antwort auf diese Problematik ist schwierig und fast unmöglich. Das ist ein Indiz dafür, dass es sich bei einem Luftbeförderungsvertrag nicht um ein absolutes Fixgeschäft handelt.
FluggastrechteVO
Die Fluggastrechteverordnung liefert ebenfalls Hinweise dafür, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag nicht um ein absolutes Fixgeschäft handelt. Sie geht in ihrem Grundsatz gerade nicht davon aus, dass mit Überschreiten der Leistungszeit Unmöglichkeit eintritt. Sie geht vielmehr davon aus, dass das Leistungsinteresse beim Fluggast weiterhin besteht. Dem Gast entstehen Ansprüche auf etwaige Unterstützungsleistungen. Je nach Länge der Verspätung stehen dem Fluggast Nahrung, Kommunikationsmöglichkeiten und sogar Übernachtungsmöglichkeiten zu. Ab einer Verspätung von fünf Stunden wird dem Fluggast sogar gewährt, die Kosten seines Fluges zurückzubekommen und gegebenenfalls sogar zum Abflugort zurückbefördert zu werden. Näher erläutert werden die einzelnen Leistungen und die Voraussetzungen dafür im Artikel „ Flugverspätung nach VO 261/2004 und Abgrenzung zu Art. 19 MÜ. Wichtig ist zu beachten, dass das Luftfahrtunternehmen lediglich verpflichtet ist diese Leistungen anzubieten. Eine Pflicht zur Annahme der Unterstützungsleistungen besteht hingegen für den Fluggast nicht. Er könnte auch eigeninitiativ ein neues Flugticket kaufen, mit dem er zurück fliegt, und dieses dem Luftfahrtunternehmen dann in Rechnung stellen. Die Tatsache, dass solche Leistungen angeboten werden, lässt schon darauf schließen, dass grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass der Fluggast sein Interesse an der Beförderung nicht verloren hat. Dies dürfte auch der Regelfall sein, weshalb die Fluggastrechteverordnung ebenfalls nicht dafür spricht, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag um ein absolutes Fixgeschäft handelt.
Verspätetes Erscheinen
Schließlich müsste man noch sehen, dass ein verspätetes Erscheinen der Fluggäste immer zur Unmöglichkeit gemäß 275 Abs.1 BGB führen würde. Der Fluggast müsste aber unter Umständen trotzdem den vollen Flugpreis bezahlen. Dies wäre ein zu großer Nachteil für den Gläubiger, weshalb eine solche Annahme nicht richtig sein kann. Würde man aber annehmen, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag um ein solches absolutes Fixgeschäft handelt, wäre genau das der Fall. Somit erscheint es auch hier richtig, davon auszugehen, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag eben nicht um ein solches absolutes Fixgeschäft handelt.
Fazit
Zusammenfassend muss man feststellen, dass es nicht sachgerecht erscheint, einen Luftbeförderungsvertrag als absolutes Fixgeschäft einzustufen. Warum dies die Rechtsprechung zu einem großen Teil tut, bleibt offen. Jedoch gibt es auch Fälle, in denen die Rechtsprechung annimmt, dass es sich nicht um ein absolutes Fixgeschäft handelt.
Genutzte Rechtsprechung
Gericht, Datum | Aktenzeichen | Amtliche Leitsätze/grober Inhalt |
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BGH, Urteil vom 08.05.2009 | Xa ZR 113/08 |
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BGH, Urteil vom 28.09.1978 | VII ZR 116/77 |
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LG Köln, Urteil vom 19.08.2008 | 11 S 350/07 |
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AG Frankfurt, Urteil vom 25.10.2013 | 30 C 1377/13 |
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AG Simmern, Urteil vom 10.06.2005 | 3 C 687/04 |
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