Annullierung

Aus PASSAGIERRECHTE
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Begriff

Der Begriff Annullierung (eines Fluges) wurde im Rahmen der EG-Verordnung 261/2004 vom Gesetzgeber in Art. 2 lit. l) VO als Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war, definiert. Dies ist immer dann gegeben, wenn der von dem Fluggast gewünschte und diesem anlässlich der Buchung auch bestätigte, durch eine eindeutige Flugnummer gekennzeichnete Flug nicht durchgeführt wird. Ein geplanter Flug ist immer dann anzunehmen wenn die Fluggesellschaft diesen in ihren Flugplan aufgenommen hat, diesen nach Abflug- und Zielort, Abflugs- und Ankunftszeit festgelegt, mit einer Flugnummer versehen und zur Buchung freigegeben hat (BGH, Urteil vom 17.07.07, Az.: X ZR 95/06). Allerdings gibt diese Formulierung mitunter noch reichlich Anlass für Interpretationsspielraum, so dass es Aufgabe der Gerichte, insbesondere des EuGH, war, diesen Begriff noch genauer auszulegen, um Klarheit über desse Reichweite zu schaffen.


Auslegung

Fraglich ist jedoch wann genau eine Nichtdurchführung anzunehmen ist. Eine Annullierung ist immer nur dann anzunehmen, wenn die Planung des ursprünglichen Fluges endgültig aufgegeben wurde und der Flug letztendlich nicht durchgeführt wurde. Der Fluggast kann bereits im Vorfeld über eine Annullierung in Kenntnis gesetzt werden und gebeten werden nicht zu der vereinbarten Abflugzeit am Flughafen zu erscheinen oder wenn die Annullierung über eine Anzeigetafel oder am Schalter des Flughafens bekanntgegeben wird. In einigen Fällen werden jedoch bereits Handlungen vollzogen , die als Beginn des Fluges aufgefasst werden können. Dann ist das Vorliegen einer Annullierung nicht so eindeutig. Bei der Beurteilung ob tatsächlich eine Annullierung vorliegt, kann auf Kriterien wie den Wechsel der Flugnummern,das Ausstellen neuer Boardkarten, die Wiederausgabe des Gepäcks oder das Erreichen des Zielflughafens über eine geänderte Flugroute abgestellt werden(BGHS Wien, Urteil vom 04.08.06, Az.: 8 C 2016/05).


Unterfälle der Annullierung

Start-bzw. Flugabbruch

Von einer Annullierung ist nicht nur dann auszugehen, wenn das Flugzeug gar nicht erst startet, sondern auch dann wenn es von der Startlandebahn abhebt und kurz darauf, aus irgendwelchen Gründen wieder zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss (EuGH, Urteil vom 13.10.11, Az.: C 83/10). Dabei ist es unerheblich aus welchem Grund das Flugzeug zurückkehren musste. Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn das Flugzeug seinen nach der ursprünglichen Flugroute vorgesehenen Bestimmungsort nicht erreicht hat. Eine faktische Annullierung liegt immer dann vor, wenn das Flugzeug nicht zum Endziel fliegt sondern zu einem Ausweichflughafen(AG Frankfurt a.M., Urteil vom 01.06.11, Az.: 29 C 2320/10). Allerdings ist dann keine Annullierung anzunehmen, wenn das Flugzeug nicht an den Startflughafen zurückgekehrt ist, dafür jedoch auf der Strecke zwischen Abflughafen und Zielflughafen technisch bedingt zwischenlanden muss. Denn die Passagiere werden dann mit der gleichen reparierten Maschine zu ihrem Endziel gebracht. Dasselbe gilt für einen Flug der kurz nach dem Abheben am Startflughafen einer Reparatur unterzogen wird und das Flugzeug mit einer Verzögerung wieder startet.

Vorverlegung von Flügen

Wird ein Flug um mehr als 10 Stunden vorverlegt, so ist auch dies als eine Annullierung anzusehen, denn der ursprünglich geplante Flug wird eben nicht durchgeführt (AG Hannover, Urteil vom 31.01.11, Az.: 426 C 12868/10).



Rechte bei Annullierung des Fluges

Die Rechte, die dem Fluggast bei Annullierung eines Fluges zustehen, ergeben sich vor allem aus der EG-Verordnung 261/2004.


Ausgleichszahlungen

Erreicht der Fluggast sein Endziel mit einer Verspätung mindestens drei Stunden gegenüber der geplanten Ankunftszeit, so hat er einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen(EuGH, Urteil vom 19.11.09, Az. C 402/07). Die Höhe der Ausgleichszahlungen bestimmt sich nach der vom Startflughafen bis zum Zielflughafen zurückgelegten Entfernung. Dabei ist es unbeachtlich wo genau die Störung in der Beförderung aufgetreten ist. Die Höhe der Ausgleichszahlungen bemisst sich gemäß Art. 7 VO wie folgt:


  • Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro bei einer Flugstrecke von weniger als 1.500 Kilometern
  • Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro bei einer Flugstrecke zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern
  • Ausgleichszahlung in Höhe von 600 Euro bei einer Flugstrecke von mehr als 3.500 Kilometern

Diese Ausgleichszahlungen müssen gewährt werden außer der Fluggast wird über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet oder wird über die Annullierung 7 bis 14 Tage vorher unterrichtet und bekommt einen Alternativflug angeboten, der nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugszeit beginnt und nicht mehr als vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit endet, oder wird weniger als sieben Tage vor Flugantritt von der Annullierung informiert und bekommt einen Alternativflug angeboten, der weniger als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugszeit beginnt und weniger als zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit endet, oder die Annullierung geht nachweislich auf außergewöhnliche Umstände zurück, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte, um den Flug dennoch stattfinden zu lassen.


Betreuungs- und Unterstützungsleistungen

Weiterhin hat der Fluggast dann einen Anspruch auf Betreuungs-und Unterstützungsleistungen gemäß Art. 8 und 9 der VO.


Gemäß Art. 8 der Verordnung stehen dem Fluggast folgende Rechte zu:

  • vollständige Erstattung des Flugpreises binnen 7 Tagen sowohl für noch anzutrende als auch für schon zurückgelegte Flüge, wenn diese aufgrund des Reiseplans des Fluggastes zwecklos geworden sind, sowie gegebenenfalls einen Rückflug zum Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt
  • ODER eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt
  • ODER vorbehaltlich verfügbarer Plätze eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes.


Gemäß Art. 9 der Verordnung stehen dem Fluggast folgende Rechte zu:

  • Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit,
  • Hotelunterbringung und Transport zwischen Flughafen und Unterbringung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt,
  • zwei unentgeltliche Telefonate, Faxe oder E-Mails.

Außergewönliche Umstände

Das Luftfahrtunternehmen muss jedoch keine Ausgleichszahlungen leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnlichen Umständen beruht. Bei einem solchen außergewöhnlichen Umstand handelt es sich um einen außergewöhnlichen Umstand als ein Vorkommnis, welches sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Das ist der Fall bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwartete Flugsicherheitsmängel und ein Streik welcher den Betrieb des ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigt.

Technische Probleme

Technische Probleme die beim Betrieb eines Flugzeuges typischerweise auftreten, stellen hingegen keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Selbst dann nicht,wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass es alle vorgeschriebenen und bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten Frist und ordnungsgemäß durchgeführt hat. Denn solche Defekt stellen einen Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens dar. Technische Probleme eines Flugzeugs sind unlösbar mit dessen Betrieb verbunden und gehören somit unabhängig von deren Erkennbarkeit oder Vermeidbarkeit dem Risikobereich des Luftfahrtunternehmens an(BGH, Urteil vom 12.11.09, Az.: Xa ZR 76/07).

Erkrankung oder Tod

Erkrankt oder verstirbt ein Crew-Mitglied so stellt auch dies keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Denn auch dies fällt erneut in den Risikobereich der Fluggesellschaft (LG Darmstadt, Urteil vom 06.04.11, Az. 7 S 122/10).Erkrankt ein Passagier oder stirbt dieser, so fällt dies nicht in den Risikobereich des Luftfahrtunternehmens, denn es handelt sich dabei nur um ein allgemeines Lebensrisiko (AG Wedding, urteil vom 28.10.10, az. 2 C 115/10).

Wetterbedingungen

Solche Wetterbedingungen wie starkes Gewitter, Schneefall, Frost und Glätte und Nebel sind keine Umstände die von einem Luftfahrtunternehmen beherrscht werden können (BGH, Urteil vom 25.03.10, Az.: Xa ZR 96/09). Liegen die schlechten Wetterbedingungen jedoch 24 Stunden zurück und haben in der Zwischenzeit andere Flüge stattgefunden, so kann dies nicht mehr als außergewöhnlicher Umstand gelten (LG Frankfurt am, Urteil vom 24.02.15, Az.: 2/24 S 149/14).



Siehe auch

Flugverspätung

Fluggastrechteverordnung

Flug

Außergewöhnliche Umstände


Urteile und Verordnungen

AG Simmern, Urteil v. 10.06.2005, 3 C 687/04

VO (EG) NR. 261/2004

AG Rüsselsheim, Urteil v. 17.03.2006, 3 C 109/06 (33)

AG Köln, 05.04.2006, 118 C 595/05

AG Köln, Urteil v. 17.01.2007, 118 C 473/06

AG Frankfurt am Main, Urteil v.13.02.2007, 30 C 2192/06-45