Reisezeit im Rahmen einer Pauschalreise und Schadensersatz

Aus PASSAGIERRECHTE
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Verkürzung der Reisezeit

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei Fernreisen mit einer langen Flugzeit und einer dabei zu berücksichtigenden Zeitverschiebung der Erholungswert eingeschränkter ist, je kürzer die Reise ist. Bei einer nur 10 tätigen Fernreise fällt eine 2 tätige Verkürzung stark ins Gewicht und beeinträchtigt damit den Erholungswert der Reise in erheblichem Maße. Bucht der Reisende eine Ersatzreise, so steht diese eine Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit dem Grunde nach nicht entgegen. Auch wenn der Reisende im Falle einer vereitelten Reise eine ihm durch den Reiseveranstalter angebotene Ersatzreise nicht durchführt, so steht dies dem Entschädigungsanspruch nicht entgegen (BGH, Urt. v. 11.01.05, Az.: X ZR 118/03). Nach der Malediven Entscheidung des BGH ist der Antritt einer Ersatz-Reise darf dem vertragsbrüchigen Reiseveranstalter nicht zugutekommen und dieser Anspruch darf keinen Einfluss auf den Erstattungsanspruch nach § 651 f Abs. 2 BGB haben. Nach dieser Entscheidung kommt es für einen Entschädigungsanspruch nach § 651 f Abs. 2 BGB auch nicht darauf an, wie der Reisende die ursprünglich für die ausgefallene Reise vorgesehene Zeit letztlich verbracht hat. Denn bereits bei der Vereitelung steht fest, dass der Reisende den von ihm geplanten konkreten Nutzen seiner Urlaubszeit, in diesem Fall den Erfolg der von ihm bei Reiseveranstalter gebuchten Reise nicht oder nicht vollständig erreichen kann. Der Reisende muss sich auch keine eigenen überobligatorischen Anstrengungen für die Buchung der Ersatzreise im Wege einer Vorteilsausgleichung anrechnen lassen. Solche Umstände müssen bei der Schadensberechnung auch nicht berücksichtigt werden, mit der Folge, dass ein möglicher Schaden letztendlich doch nicht entstanden wäre.

LG Köln, Urt. v. 23.05.17, Az.: 138 C 569/15

Inhalt

Zwei Reisende buchten eine Pauschal-Flugreise von Frankfurt a.M. auf die Malediven. Die Reise umfasste die Flüge, die Unterbringung im Hotel und die Verpflegungsvariante „all inclusive“. Die Reise war für den Zeitraum vom 29.03.15 bis zum 09.04.15 geplant. Am 05.03.15 wurde den Reisenden mitgeteilt, dass die Rückreise zwei Tage früher erfolgen muss, da der vorgesehene Rückflug gestrichen wurde. Weiterhin wurden die Reisenden darüber informiert, dass der Hinflug nun eine Zwischenübernachtung in Muscat vorsieht. Daraufhin traten die Reisenden von dem Reisevertrag zurück und buchte eine neue Reise bei einem anderen Reiseveranstalter mit demselben Reisezeitraum. Die entstandenen Mehrkosten wollen die Reisenden erstattet bekommen. Die Reisenden gehen davon aus, dass Ihnen eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 50 % des jeweiligen Reisepreises zusteht und die Mehrkosten für die Ersatzbuchung übernommen werden müssen.

Tenor

Das Gericht entschied, dass im vorliegenden Fall die Reise vereitelt wurde und somit ein Kündigungs-bzw. Rücktrittsgrund für die Reisenden vorlag. Die Reise wurde um zwei Tage verkürzt und auf dem Hinflug sollte dazu noch eine Zwischenübernachtung stattfinden. Dennoch wird eine Entschädigung in Höhe von 50 % des Reisepreises als zu hoch angesehen. Angemessen erscheint eine Entschädigung in Höhe von 30 % des Reisepreises. Denn hier muss beachtet werden, dass die Reise zwar gescheitert ist, die Reisenden zu einem Rücktritt vom Reisevertrag berechtigt sind aber die angebotene Leistung des Reiseveranstalters nicht komplett weggefallen ist. Die Reise hätte dennoch für die acht von zehn Tagen durchgeführt werden können. Eine solche Verkürzung um zwei Tage stellt einen Rücktrittsgrund dar aber lässt den Antritt der Reise nicht komplett nutz-oder sinnlos erscheinen. Das lässt sich auch dadurch bestätigen, dass die Reisenden schlussendlich auch bei ihrer Ersatzreise nur für acht Tage auf die Malediven gereist sind. Die Reisenden hätten also noch einen nennenswerten Teil ihrer Urlaubszeit verbringen können. Aus diesem Grund steht Ihnen nur eine Entschädigung in Höhe von 30 % des Reisepreises zu.

Unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände

Auf der Grundlage des weiten Mangelbegriffs entlasten den Veranstalter keine Umstände bei der Erfüllung seiner (modifizierten) Hauptleistungspflicht, die die Reise deshalb negativ beeinträchtigen, weil sie auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände zurückzuführen sind. Die Einstandspflicht des Veranstalters ist verschuldensunabhängig ausgestaltet. Gewährleistungsrisiko und Erfolgshaftung erstrecken sich auch auf beeinträchtigende Reiseleistungen aufgrund unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstände. Auf der mängelbedingten Sekundärhaftungsebene oder im Rahmen der mangelunabhängigen gestaltungsrechte können solche Umstände hingegen entlastend wirken. Der in Anlehnung an die FluggastrechteVO entstandene Begriff fungiert als Risikozuweisungsnorm. Im Reiserecht wird er objektiv gedeutet. Es geht nicht um ein Vertrauen in das Bestehen oder in den Fortbestand eines bei Vertragsschluss vorausgesetzten Zustands, sondern vielmehr um den für alle Beteiligte plötzlichen, unbeherrschbaren Eintritt eines Ereignisses, das entweder zu einer Störung der vertraglichen Austauschgerechtigkeit führt oder den Veranstalter in seiner Rolle als Sachleistungsgläubiger unzumutbare Leistungen abverlangen würde.

Erfasst sind nur die abstrakten rechtlichen Konsequenzen aus politischen, gesellschaftlichen, sozialen oder Naturereignissen, die als höhere Gewalt nicht im Risikobereich einer Partei liegen, wenn nicht eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung der Risikoübernahme getroffen wurde. Beeinträchtigungen, die sich im branchenspezifischen oder sektoralen Rahmen halten, und daher als marktadäquat im Pauschalreiseverkehr gelten müssen, fallen nicht herunter. Unvermeidbarer außergewöhnliche Umstände treten auf in Form einer Entlastungsmöglichkeit zugunsten des Reiseveranstalters bei Schadensersatz nach § 651 n Absatz 1 Nr. 3 BGB und als Rücktrittsgrund für den Reiseveranstalter vor Reisebeginn gemäß § 651 h Absatz 4 Satz 1 BGB bzw. als Ausnahmetatbestand zugunsten des Reisenden für die regelmäßige Entschädigung des Reiseveranstalters nach Rücktritt gemäß § 651 h Absatz 3 Satz 1 i.V.m. Absatz 1 Satz 3 BGB.

Eine Legaldefinition findet sich in § 651 h Absatz 3 Satz 2 BGB. Dabei handelt es sich um solche Umstände, die nicht der Kontrolle der Parteien unterliegen, die sich hierauf berufen, und wenn sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Dazu zählen beispielsweise Kriegshandlungen, schwerwiegende Beeinträchtigungen der Sicherheit, erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit, und Naturkatastrophen. Sind Unbeherrschbarkeit und Unvermeidbarkeit unter Zumutungsgesichtspunkten der außergewöhnlichen Umstände die wesentlichen Kriterien, stellt die Rechtsprechung nach vorheriger Rechtslage an das Vorliegen von höherer Gewalt noch strengere Anforderungen. Wegen des nunmehr weitgefassten Tatbestandes kann mit einem Erst-Recht-Schluss auf die vorherige Kasuistik zur höheren Gewalt im Reiserecht zurückgegriffen werden. Zur Definition der „Außergewöhnlichkeit“ wird auf Erwägungsgrund 14 der Fluggastrecht-VO zurückgegriffen. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb deines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigendes Streiks eintreten. Der EuGH hatte in der McDonagh/Ryanair- Entscheidung ein Vorkommen als außergewöhnlich definiert, das erstens der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens nicht immanent ist, und zweitens aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich unbeherrschbar ist. Überträgt man dies auf das Reiserecht, muss der Reiseveranstalter auch eine Mangelhaftigkeit gegen sich gelten lassen, die auf vorgenannten unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen beruhen. Beim Schadensersatz nach § 651 n BGB greift der vom Veranstalter darzulegende und zu beweisende Entlastungsgrund von § 651 n Nr.3 BGB ein. In dem Grenzbereich von allgemeinen Lebensrisiko und bloßen Unannehmlichkeiten, für die der Veranstalter grundsätzlich nicht haftet, fallen jedoch üblich, kurze Wetterumschwünge, und sonstige einkalkulierbare klimatische Umstände am Urlaubsort.

Urteile

  • BGH, Urt. v. 11.01.05, Az.: X ZR 118/03
  • LG Köln, Urt. v. 23.05.17, Az.: 138 C 569/15

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