Medizintourismus

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Unter Medizintourismus oder Gesundheitstourismus versteht man die Gesamtheit der Reisen, die mit dem Ziel unternommen werden, eine medizinische oder heilende Behandlung in einem anderen Land zu erhalten. Typischerweise reisen Menschen aus weniger entwickelten Ländern in andere, mehr entwickelte Länder für eine Behandlung, die sie in ihrem Herkunftsland nicht bekommen. In der letzten Zeit verzeichnet sich aber der Trend, dass Menschen aus Industrieländern der weit fortgeschrittenen klassischen Medizin im eigenen Land aus Kostengründen den Rücken kehren oder stattdessen volkstümliche Behandlungsmethoden anderer Länder bevorzugen. Ein weiterer Grund für Medizintourismus entsteht, wenn gewisse Praktiken im eigenen Land illegal sind, wie zum Beispiel einige Fruchtbarkeitsbehandlungen.
Die Spannweite der medizinischen Behandlungen kann ein weites Spektrum umfassen. Dazu zählen sowohl einzelne Prozeduren als auch komplexe Operationen, wie zum Beispiel Gelenkersatz, Herzchirurgie, Zahnchirurgie oder plastische Eingriffe. Patienten mit seltenen Krankheiten können zur Behandlung ins Ausland reisen, weil ihr Leiden dort besser verstanden wird. Die ersten medizinischen Touristen waren griechische Pilger, die aus dem gesamten Mittelmeerraum zu einem kleinen Gebiet im Saronischen Golf reisten, das das Heiligtum des Gottes Asklepios war. Auch Kurorte und Sanatorien können als frühe Formen des Medizintourismus betrachtet werden.

Beschreibung

Faktoren, die zum Wachstum des Medizintourismus geführt haben, sind gestiegene Kosten der medizinischen Versorgung, lange Wartezeiten auf gewisse Prozeduren, die Erschwinglichkeit und Verfügbarkeit von Auslandsreisen und die gute Entwicklung der Behandlungsstandards und -technologien. Operationen im Ausland kosten oft nur einen Bruchteil dessen, was sie im Inland kosten. Zum Beispiel, eine Lebertransplantation kostet in den USA 300.000,- US-$ und in Taiwan 91.000,- US-$. Ein großer Anlass zu medizinischen Reisen ist ihre Bekömmlichkeit und Schnelle. In vielen Industrieländern kann eine beträchtliche Zeit verstreichen, bis man eine nicht dringende medizinische Behandlung oder Operation bekommt. Menschen aus weniger entwickelten Ländern suchen ärztliche Hilfe in den Industrieländern meist wegen mangelnder Gesundheitsversorgung im Herkunftsland auf.

Kritik

Medizintourismus wird nicht immer positiv wahrgenommen. In Ländern mit hohen Qualitätsstandards betrachtet man Medizintourismus als riskant. Dabei sind in erster Linie Operationen im Ausland gemeint, die einen ernsthaften Eingriff darstellen und dauerhafte und schwere Folgen haben können. Medizintouristen müssen sich auch einiger Gefahren bewusst sein, die sie bei Inanspruchnahme der medizinischen Leistungen im Inland unter Umständen nicht begegnen würden. Länder wie Indien, Thailand oder Südafrika unterscheiden sich stark von Europa hinsichtlich der dort anzutreffenden Infektionskrankheiten. Sich mit einer Krankheit zu infizieren, ohne eine natürliche Immunität gebildet zu haben, kann eine Gefahr für geschwächte Personen sein. Insbesondere Menschen mit Magen-Darm-Erkrankungen können für Krankheiten, die von Moskitos übertragen werden, Grippe oder Tuberkulose anfällig sein. Urlaubsaktivitäten können im postoperativen Zustand problematisch sein.
Die Qualität der postoperativen Versorgung kann ebenfalls je nach Klinik und Land sehr variieren. Außerdem, kurz nach einer Operation eine lange Rückreise zu unternehmen, kann das Risiko der Komplikationen erhöhen. Lange Flüge und eingeschränkte Mobilität können für die Entwicklung von Venenthrombosen und Lungenembolie prädisponieren.
Weiterhin kann die Regelung von Konflikten und Unzufriedenheit problematisch sein. Wenn es Komplikationen gibt, kann es vorkommen, dass der Patient länger als geplant im Land bleiben muss oder Nachsorgeuntersuchungen erforderlich sind, wenn die Heimreise bereits erfolgte.

Rechtliche Probleme

Eine medizinische Behandlung im Ausland kann auch rechtliche Probleme nach sich ziehen. In einigen Ländern kann es grundsätzlich schwierig sein, Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, was auch ein weiterer Grund für den geringen Preis der Leistungen sein kann. Während einige Länder, die sich auch als attraktives Ziel für Medizintourismus positioniert, auch eine Form von rechtlicher Absicherung für Problemfälle bieten, kann diese Absicherung unattraktiv für die Patienten sein. In Problemfällen kann es dazu kommen, dass Patienten keine adäquate Versicherung haben. Kliniken oder Ärzte in einigen Ländern können nicht in der Lage sein, eine gerichtlich erwirkte Ausgleichszahlung zu leisten, wenn sie über keine geeignete Versicherung verfügen.

Ethische Kritik

Die Kritikpunkte des Medizintourismus beziehen sich zum einen auf den illegalen Organhandel, der nicht nur in Ländern wie Indien oder China, sondern auch in Deutschland bzw. in anderen Ländern vorkommt. Medizintourismus kann größere ethische Probleme in den Ländern hervorrufen, die für ihre Kliniken werben. In den Regionen, wo medizinische Versorgung für lokale Bevölkerung ohnehin bedürftig ist, wird das Anwerben und bevorzugtes Behandeln ausländischer, reicher Patienten stark kritisiert. Zum Beispiel in Indien befürchtet man, dass Medizintourismus, der bereits in der Politik des Gesundheitswesens eingebettet ist, zu der Vertiefung der Ungleichheit zwischen reicher und armer Bevölkerung führen wird. Im Jahr 2008 wurde in Thailand bereits behauptet, dass thailändische Ärzte keine Zeit mehr für Patienten aus den Einheimischen haben, weil sie mit Touristen beschäftigt sind.

Siehe auch

Ökotourismus
Spiritueller Tourismus
Kulturtourismus