Buchung von Ersatzflug bei Annullierung in Business-Class statt Economy-Class

Aus PASSAGIERRECHTE
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Einleitung

Nicht selten kommt es zu der Situation, dass ein Flug durch das ausführende Luftfahrtunternehmen annulliert wird. Für eine solche Annullierung können verschiedene Gründe vorliegen. Unabhängig von dem Grund der Annullierung ist das ausführende Luftfahrtunternehmen dazu verpflichtet dem Fluggast einen Ersatzflug anzubieten und diesen zu seinem Endziel zu befördern. Häufig kommt es zu dem Fall, dass die betroffenen Fluggäste alles in ihre Hände nehmen und eigenständig einen Ersatzflug organisieren. Organisieren die Fluggäste einen Ersatzflug, der mit dem ursprünglichen Flug vergleichbar ist, weil dieselben Bedingungen gegeben ist, verhält sich der Fall weniger problematisch, als wenn der Fluggast einen Ersatzflug bucht, welcher nicht den Bedingungen des ursprünglichen Fluges entspricht. LG Landshut, Urt. v. 08.02.2018, Az.: 14 S 3021/17

Leitsatz

Kommt es zu einer Annullierung eines Fluges, so steht dem Fluggast grundsätzlich ein Anspruch auf einen Ersatzflug zu. Zu beachten ist jedoch, dass dieser nach Art. 8 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 261/2004 nur „unter vergleichbaren Reisebedingungen“ erfolgen kann.

Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die Annullierung eines Flugs, Passagiere mit Economy Class Flugscheinen nicht unmittelbar zu einer Inanspruchnahme eines Ersatzflugs eines anderen Luftfahrtunternehmens berechtigt, bei dem es nur noch möglich ist ein Business Class Ticket zu erwerben. Schließlich kann eine Beförderung in der Business Class nicht mit einer solchen in der Economy Class gleichgestellt werden. Somit ist die Voraussetzung „unter vergleichbaren Reisebedingungen“ des Art. 8 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 261/2004 nicht gegeben.

Möglich ist es jedoch den Passagieren eines annullierten Flugs eine anderweitige Beförderung in Gestalt eines Ersatzflugs an einen anderen Ort als das Bestimmungsziel mit anschließendem Bustransfer an den eigentlichen Zielort, anzubieten.

Tatbestand

Die Fluggäste hatten eine Buchungsbestätigung für einen Flug um 9:55 von Palma de Mallorca aus, welcher um 12:10 in München landen sollte. Der Preis pro reserviertem Economy Class Flugschein belief sich auf 84,40 €. Am Tag der geplanten Reise wurden die Fluggäste am Flughafen darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Flug nicht wie geplant durchgeführt werden kann. Daraufhin buchten die betroffenen Fluggäste bei einem anderen Luftfahrtunternehmen Tickets für einen anderen Flug am selben Tag, jedoch mit einer Ankunft in München um 21:10. Mangels des Vorhandenseins einer günstigeren Reiseklasse buchten die Fluggäste einen Flug jeweils in der Business Class zu einem Preis von je 781,31 €.

Während die beklagte Fluggesellschaft, die den Flug annulliert hat, eine Chartermaschine organisiert hat, welche am späten Abend Palma de Mallorca verlassen sollte und dann zwar nicht nach München, jedoch nach Nürnberg fliegen sollte und das Endziel München am Folgetag um 1:05 erreichte. Von Nürnberg aus wurden die von der Annullierung betroffenen Fluggäste dann mit Bussen an ihr eigentliches Bestimmungsziel München befördert.

Die betroffenen Fluggäste verlangten in ihrer Klage die Erstattung der ihnen entstandenen Kosten für ihren auf Grund der Annullierung des ursprünglichen Fluges selbst gebuchten und angetretenen Alternativflug.

Den betroffenen Fluggästen zu Folge ist das Luftfahrtunternehmen ihrer Pflicht zur Ersatzbeförderung aus Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 261/2004 nicht nachgekommen. Die Fluggäste argumentieren die Erstattung damit, dass auch die von Ihnen gebuchten Tickets in der Business Class zu ersetzen sind, wenn andere Tickets als solche für die Business Class nicht verfügbar sind. In einem solchen Fall sind auch diese erstattungsfähig.

Die beklagte Fluggesellschaft sieht diese Situation jedoch ein wenig anders als die betroffenen Fluggäste. Das ausführende Luftfahrtunternehmen begründet dies damit, dass kurzfristig gekaufte Business Class Tickets nicht mit den ursprünglich bei ihr gebuchten Economy Class Flugscheinen vergleichbar sind. Das ausführende Luftfahrtunternehmen geht davon aus, dass es für die Fluggäste, die von der Annullierung des ursprünglich gebuchten Fluges betroffen waren, durchaus zumutbar gewesen wäre, den Start der am Abend eigens eingesetzten Chartermaschine nach Nürnberg abzuwarten und die Weiterbeförderung von dort nach München anzutreten und in Anspruch zu nehmen.

Zunächst war für diesen Fall das AG Erding mit Urt. v. 2.11.2017, Az.: 5 C 756/17 zuständig. Das AG Erding hat zugunsten des Luftfahrtunternehmens entschieden und die Klage der Fluggäste abgewiesen. Daraufhin haben die klagenden Fluggäste jedoch Berufung beim LG Landshut eingelegt. Jedoch ist auch das Berufungsverfahren erfolglos geblieben.

Entscheidungsgründe

Aus den Entscheidungsgründen geht hervor, dass ein Businessclass-Flug nicht mit einem Economy Class-Flug gleichgesetzt werden kann. Begründet wird dies damit, dass beide Klassen bereits zahlreiche Unterschiede im Service und auch im Sitzkomfort aufweisen. Das Gericht kann nicht nachvollziehen, dass die betroffenen Fluggäste tatsächlich behaupten wollen, dass sich Flüge, die pro Sitzplatz über 800 € kosten und Flüge, die pro Sitzplatz nicht einmal 100 € kosten, sich nicht unterscheiden. Die unterschiedlichen Flugklassen müssen grundsätzlich beachtet werden. Laut dem Gericht wäre diese Situation mit der folgenden Situation in der Bahn vergleichbar. Wer bei der Bahn mit einem 2-Klasse-Ticket in einem 1-Klasse-Abteil sitzt, wird im Normalfall bei einer Fahrscheinkontrolle auch des 1-Klasse-Abteils verwiesen. Das Gericht vertritt die Meinung, dass die Buchungsklasse für die Vergleichbarkeit eine große Rolle spielt. Bei der Buchungsklasse handelt es sich schließlich um ein objektives und griffiges Kriterium. Laut den Ausführungen des Gerichts sei es im Einzelfall durchaus zulässig, dass den betroffenen Fluggästen bei einer Annullierung ein Ersatzflug auch mit Business Class-Plätzen angeboten werden kann. Verständlich, dass die Fluggäste davon ausgegangen sind, dass in ihrem Fall ein solcher Einzelfall gegeben ist. Das Gericht hat jedoch bereits dargelegt, warum sie die Auffassung der Fluggäste nicht teilt. Ausschlaggebend ist der Umstand, dass bei einer nur relativ überschaubaren Mehrwartezeit ein Subcharter für die Fluggäste zur Verfügung gestanden hätte, welcher die Kläger unter zumutbaren Bedingungen an ihr Endziel gebracht hätte. Natürlich muss objektiv bestimmt werden, was genau zumutbar ist, ist objektiv zu bestimmen. Das Gericht vertritt die Ansicht, dass der von dem ausführenden Luftfahrtunternehmen organisierte Ersatzflug durchaus zumutbar gewesen wäre für die betroffenen Fluggäste. Das Gericht sieht auch keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Natürlich ist dem Gericht bewusst, dass der vorliegende Fall unter Umständen von einem anderen Gericht anders gesehen werden könnte, jedoch ist das Gericht der Meinung, dass die Klage eindeutig zu Recht abgewiesen worden. Das Gericht führt weiterhin an, dass die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BGH nicht erfordern würde. Bei dem Fall, in dem der Reisende eines Low-Cost-Carriers im Falle einer Annullierung Business Class-Flüge bucht, die fast 10 mal so teuer sind wie ihre Ausgangsflüge, handelt es sich um einen Ausnahmefall.

Anmerkungen

Es wird jedoch auch die Meinung vertreten, dass die Nichtzulassung der Revision in dem vorliegenden Fall bedauerlich ist. Hätte man die Revision zugelassen, so hätte man dem BGH Gleichzeitig Gelegenheit dazu gegeben, dem Anspruch auf anderweitige Beförderung nach Art. 8 der Verordnung eine genauere Kontur zu geben und dabei hätte der BGH die Möglichkeit gehabt etwas mehr Licht ins Dunkel der Rechtsanwendung dieser in der Praxis durchaus wichtigen Vorschrift zu bringen.

Ausgangspunkt in einem solchen Fall ist zunächst eine Nichtbeförderung nach Art. 4 VO oder gar eine Annullierung nach Art. 5 VO. Liegt entweder eine Nichtbeförderung oder eine Annullierung vor, dann kann der davon betroffene Fluggast sich auf die ihm zustehenden unionsrechtlichen Fluggastrechte berufen und entweder die vollständige Erstattung seiner Flugscheinkosten fordern oder andererseits eine anderweitige Beförderung zu seinem Bestimmungsziel in Anspruch nehmen.

Immer dann, wenn der Fluggast eine möglichst zeitnahe Ersatzbeförderung wünscht, kann er diese fordern, jedoch hat diese nach Art. 8 Abs. 1 lit. b der Verordnung „unter vergleichbaren Reisebedingungen“ und „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ zu erfolgen. Ist das nicht der Fall und der betroffene Fluggast organisiert sich daraufhin eigenständig eine Beförderung zum Zielort, dann muss das Luftfahrtunternehmen gem. §§ 280 ff. BGB i.V.m. dem Luftbeförderungsvertrag dem betroffenen Fluggast den Ersatz des daraus entstandenen Schaden leisten.

Problematisch ist im vorliegenden Fall die Frage, ob das beklagte Luftfahrtunternehmen Dazu verpflichtet war, die Kläger auf einen früheren Flug eines Wettbewerbers umzubuchen, vor allem dann, wenn dieser nur noch Business Class Flugscheine im Angebot hatte, während die ursprüngliche Reservierung der betroffenen Fluggäste Economy Class Tickets beinhaltete.

Man muss durchaus zugeben, dass der Begriff der „vergleichbaren Reisebedingungen“ in Art. 8 Abs. 1 lit. b VO ein wenig unklar formuliert ist. Kritisch dürfte jedoch, dass Argument der Gericht aufzufassen sein, in dem die Nichtvergleichbarkeit der Reisebedingungen zwischen Business und Economy Class mit deren Preisdifferenz begründet wird. Man darf hier nicht außer Acht lassen, dass die teureren Flugscheine gerade deshalb viel teurer sein könnten, weil es sich dabei um ein One-Way Ticket handelt und das Ticket erst am Tag der Reise und zusätzlich noch unmittelbar vor deren Antritt durch den Fluggast erworben wurde. Das dürfte durchaus zu einem höheren Preis des Flugtickets beitragen. Alleine auf Grund des Ticketpreises über die damit einhergehende Servicequalität zu urteilen, erscheint als unangemessen. Schließlich gibt es nicht selten den Fall, dass ein sehr kurzfristig gebuchtes Economy Class Ticket erheblich teurer sein kann, als ein lange im Voraus reservierter Flug in der Business Class. In derartigen Fällen also müsste der günstigere Flugschein – so zumindest nach der Vorstellung des Gerichts – mit einer besseren Leistung gegenüber dem teureren Flugschein einhergehen. Es ist zu beachten, dass bei Art. 8 Abs. 1 lit. b VO der höhere Preis eines Ersatzflugs im Vergleich zu dem ursprünglichen Ticketpreis nicht von Bedeutung ist.

Problematisch ist das allgemeine Verständnis der Beförderungsklasse. Schließlich darf man nicht vergessen, dass die Einführung neuer Zwischenkategorien (z.B. Premium Economy Class) und andere Tendenzen wie Einheitskabinen (Single Class) zu uneinheitlichen Branchenstandards führen. Aus diesem Grund kann die Bewertung von Ansprüchen nach unionsrechtlichem Fluggastrecht nicht ausschließlich nach der Beförderungsklasse erfolgen.

Vor allem bei europäischen Kurz-und Mittelstrecke Flügen kommt es nicht immer zu zahlreichen Unterschieden im Service und im Sitzkomfort. Damit kann keine eindeutige Differenzierung der Reiseklassen vorgenommen werden. Besonders problematisch wird der Fall, wenn es sich bei der Fluggesellschaft – wie im vorliegenden Fall bei dem gebuchten Alternativflug um ein Low Cost Carrier handelt, dessen Produktdifferenzierung nicht einer solchen klassischer Legacy Carrier gleicht. Außerdem kann es nicht im Sinne der Verordnung sein, den Marketing- und Verkaufsabteilungen der Luftfahrtunternehmen und deren Einfallsreichtum bei der Vermarktung ihrer Leistungen die Deutungshoheit zu überlassen. Von Ihnen wäre dann abhängig, wann (nicht) von „vergleichbaren Reisebedingungen“ ausgegangen werden kann, nur weil z.B. eine neue oder andere Beförderungsklasse vorliegt.

Wichtiger wäre es gewesen, dass das Gericht feststellt ob Luftfahrtunternehmen nicht gerade dazu verpflichtet sind, Fluggästen auch eine höherwertige Beförderung zuzugestehen, wenn es nur so zu einer zeitnahen (frühestmöglichen) Alternativbeförderung kommen kann. Schließlich erscheint es problematisch, dass das Gericht den Fluggästen den Flug in der Business Class verwehrt hat, obwohl es in den Ausführungen erwähnt, dass solche Einzelfälle durchaus möglich sind. Fraglich ist, warum in diesem Fall kein Einzelfall zu sehen ist, sondern das Gericht von der Zumutbarkeit der Situation für den Fluggast ausgeht. Laut dem Gericht ist es ihm zuzumuten, dass er zunächst nach Nürnberg befördert wird und anschließend erst nach München mit einem Bus und somit sein Endziel erst viel später erreicht als mit dem ursprünglichen Flug. Fraglich bleibt auch, woher das Gericht den Begriff der Zumutbarkeit im vorliegenden Fall nimmt, da ein solcher nicht von der Verordnung erwähnt wird.

Siehe auch