Schlussanträge des Generalanwalts Ján Mazák vom 1. März 2012 (Rechtssache C‑112/11)

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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JÁN MAZÁK

vom 1. März 2012

Rechtssache C‑112/11

ebookers.com Deutschland

gegen

Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

(Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Köln [Deutschland])

„Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 – Gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft – Begriff ‚fakultative Zusatzkosten‘ – Preis einer Rücktrittsversicherung, die von einer unabhängigen Versicherungsgesellschaft angeboten wird, im Gesamtpreis enthalten ist und vom Fluggast gemeinsam mit dem Flugpreis erhoben wird“

I – Einleitung

1. Das Oberlandesgericht Köln (Deutschland) hat dem Gerichtshof mit Beschluss vom 2. März 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 4. März 2011, gemäß Art. 267 AEUV eine Frage nach der Auslegung von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (Neufassung) vorgelegt.

2. Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (im Folgenden: BVV) und dem Unternehmen ebookers.com Deutschland (im Folgenden: ebookers.com), das über ein von ihm betriebenes Online-Reiseportal Flugreisen vertreibt. Streitgegenstand ist die Geschäftspraxis von ebookers.com, auf ihrer Internetseite die Buchung einer Reiserücktrittsversicherung voreinzustellen.

3. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob der Preis einer Reiserücktrittsversicherung, die von einem Dritten (in diesem Fall einer Versicherungsgesellschaft) angeboten wird, aber in Bezug auf einen Flug und gemeinsam mit dessen Buchung über eine Internetseite abgeschlossen wird, „fakultative Zusatzkosten“ im Sinne von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 darstellt, deren Annahme durch den Kunden demnach auf „Opt-in“-Basis erfolgen muss.

II – Rechtlicher Rahmen

4. Der 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1008/2008 lautet:

„Die Kunden sollten in der Lage sein, die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen für Flugdienste effektiv zu vergleichen. Daher sollte der vom Kunden zu zahlende Endpreis für aus der Gemeinschaft stammende Flugdienste jederzeit ausgewiesen werden, einschließlich aller Steuern, Gebühren und Entgelte. Den Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft sollte ferner nahe gelegt werden, den Endpreis für ihre Flugdienste aus Drittländern in die Gemeinschaft auszuweisen.“

5. Art. 2 Nr. 18 der Verordnung Nr. 1008/2008 definiert den Begriff „Flugpreise“ im Sinne dieser Verordnung wie folgt:

„… die in Euro oder in Landeswährung ausgedrückten Preise, die für die Beförderung von Fluggästen im Flugverkehr an Luftfahrtunternehmen oder deren Bevollmächtigte oder an andere Flugscheinverkäufer zu zahlen sind, sowie etwaige Bedingungen, unter denen diese Preise gelten, einschließlich des Entgelts und der Bedingungen, die Agenturen und anderen Hilfsdiensten geboten werden“.

6. Nach Art. 2 Nr. 19 dieser Verordnung sind „Luftfrachtraten“

„… die in Euro oder in Landeswährung ausgedrückten Preise, die für die Beförderung von Fracht zu zahlen sind, sowie die Bedingungen, unter denen diese Preise gelten, einschließlich des Entgelts und der Bedingungen, die Agenturen und anderen Hilfsdiensten geboten werden“.

7. Art. 23 („Information und Nichtdiskriminierung“) der Verordnung Nr. 1008/2008 bestimmt in Abs. 1:

„Die der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreise und Luftfrachtraten, die in jedweder Form – auch im Internet – für Flugdienste von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, auf das der Vertrag Anwendung findet, angeboten oder veröffentlicht werden, schließen die anwendbaren Tarifbedingungen ein. Der zu zahlende Endpreis ist stets auszuweisen und muss den anwendbaren Flugpreis beziehungsweise die anwendbare Luftfrachtrate sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen. Neben dem Endpreis ist mindestens Folgendes auszuweisen:

  • a) der Flugpreis bzw. die Luftfrachtrate,
  • b) die Steuern,
  • c) die Flughafengebühren und
  • d) die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte, wie etwa diejenigen, die mit der Sicherheit oder dem Kraftstoff in Zusammenhang stehen,

soweit die unter den Buchstaben b, c und d genannten Posten dem Flugpreis bzw. der Luftfrachtrate hinzugerechnet wurden. Fakultative Zusatzkosten werden auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt; die Annahme der fakultativen Zusatzkosten durch den Kunden erfolgt auf ‚Opt-in‘-Basis.“

III – Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefrage

8. ebookers.com vertreibt Flugreisen über ein von ihr betriebenes Online-Reiseportal.

9. Laut Vorlagebeschluss erscheint, wenn der Kunde während des Buchungsvorgangs einen bestimmten Flug ausgewählt hat, auf der Internetseite oben rechts unter der Überschrift „Ihre aktuellen Reisekosten“ eine Aufstellung der Kosten. Diese Aufstellung enthält neben den Kosten für den Flug selbst einen Betrag für „Steuern und Gebühren“ und die weitere Position „Versicherung Rücktrittskostenschutz“. Sodann ist der „Gesamtreisepreis“ angegeben.

10. Am Ende der Seite wird der Kunde darauf hingewiesen, wie er – im Wege des „Opt-out“ – zu verfahren hat, wenn er die Versicherung nicht abschließen möchte.

11. Im Fall der endgültigen Buchung ist der Gesamtreisepreis vom Kunden an ebookers.com zu zahlen, die dann die anfallenden Flugkosten an das betreffende Luftverkehrsunternehmen und die Versicherungskosten an die Versicherungsgesellschaft entrichtet und die Steuern und Gebühren weiterleitet. Die Versicherungsgesellschaft gehört rechtlich und wirtschaftlich nicht zu dem Luftverkehrsunternehmen.

12. Die BVV ist der Ansicht, dass der vorstehend beschriebene Buchungsvorgang auf der Internetseite von ebookers.com insoweit gegen Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 verstoße, als die Annahme des Angebots zum Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung durch den Kunden im Wege eines „Opt-out“-Verfahrens erfolge. Auf eine von der BVV erhobene Klage hat das Landgericht Bonn diese Ansicht bestätigt.

13. Das Oberlandesgericht Köln, bei dem die von ebookers.com gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung anhängig ist, ist der Auffassung, dass nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 1008/2008 unklar sei, ob der Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung erfasst sei.

14. Es weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Verordnung Nr. 1008/2008 einerseits die „Durchführung von Luftverkehrsdiensten“ und nach ihrem Wortlaut nicht das Anbieten von Versicherungen zum Gegenstand habe. Zudem erfolge das fragliche Angebot gerade nicht von einem Luftverkehrsunternehmen, sondern von einer wirtschaftlich und rechtlich selbständigen Versicherungsgesellschaft.

15. Andererseits lasse Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 auch die Auslegung zu, dass jegliche, also auch „fakultative Zusatzkosten“ für solche Leistungen erfasst sein sollten, die dem Fluggast von Dritten, etwa eben einem Reiseversicherungsunternehmen, anlässlich und in Bezug gerade auf seine Buchung angeboten würden.

16. Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Köln das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Erfasst die Bestimmung des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008, wonach fakultative Zusatzkosten auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt werden und die Annahme der fakultativen Zusatzkosten durch den Kunden auf „Opt-in“-Basis erfolgt, auch solche im Zusammenhang mit Flugreisen stehenden Kosten, die für Leistungen Dritter (hier: des Anbieters einer Reiserücktrittsversicherung) anfallen und von dem Vermittler der Flugreise in einem Gesamtpreis gemeinsam mit dem Flugpreis von dem Fluggast erhoben werden?

IV – Rechtliche Würdigung

17. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob im Zusammenhang mit Flugreisen stehende Kosten für Leistungen Dritter wie die in Rede stehende Reiserücktrittsversicherung, die von dem die Flugreise verkaufenden Unternehmen in einem Gesamtpreis gemeinsam mit dem Flugpreis vom Kunden erhoben werden, „fakultative Zusatzkosten“ im Sinne von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 darstellen, so dass die Annahme dieser Kosten bzw. vielmehr des Angebots der betreffenden Leistung durch den Kunden auf „Opt-in“-Basis erfolgen muss.

A – Wesentliches Vorbringen der Parteien

18. Im vorliegenden Verfahren haben ebookers.com, die BVV, die spanische, die italienische, die österreichische und die finnische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht. An der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2012 haben ebookers.com, die BVV und die Kommission teilgenommen.

19. Nach Ansicht von ebookers.com ist die Vorlagefrage zu verneinen, weil Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 nicht Kosten für Leistungen erfasse, die nicht Bestandteil eines Luftbeförderungsvertrags seien und nicht von einem Luftfahrtunternehmen erbracht würden.

20. Diese Auslegung folge sowohl aus der Entstehungsgeschichte als auch aus dem Wortlaut der Verordnung Nr. 1008/2008 − insbesondere deren Art. 23 Abs. 1 – und stehe im Einklang mit dem Ziel dieser Verordnung, die nicht auch solche Angebote regeln solle, die außerhalb des Vertragsverhältnisses zwischen Luftfahrtunternehmen und Kunden stünden.

21. Dagegen vertreten die BVV, die spanische, die italienische, die österreichische und die finnische Regierung sowie die Kommission einhellig die Ansicht, dass die Vorlagefrage zu bejahen sei.

22. Zur Begründung weisen sie mit leicht unterschiedlichen Argumentationslinien insbesondere auf den der Verordnung Nr. 1008/2008 zugrunde liegenden Zweck hin, der in den Erwägungsgründen 15 und 16 zum Ausdruck komme und in der Stärkung des Verbraucherschutzes sowie darin bestehe, die Kunden in die Lage zu versetzen, die Preise für Flugdienste verschiedener Luftfahrtunternehmen effektiv zu vergleichen. Insbesondere aus Art. 2 Nr. 18 und Art. 23 Abs. 1 dieser Verordnung ergebe sich eindeutig, dass sie nicht nur auf Luftfahrtunternehmen und deren eigene Leistungen, sondern auch auf Bevollmächtigte, Vermittler oder allgemeiner auf Dritte und die von diesen im Zusammenhang mit Luftverkehrsdiensten oder dem Verkauf von Flugscheinen angebotenen Leistungen anwendbar sei.

23. Die vorgenannten Beteiligten stimmen daher darin überein, dass die Kosten der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Reiserücktrittsversicherung als fakultative Zusatzkosten im Sinne von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 anzusehen seien, so dass insbesondere deren Annahme durch den Kunden bei der Flugbuchung auf der Internetseite von ebookers.com auf Basis eines „Opt-in“-Verfahrens erfolgen müsse.

B – Würdigung

24. Zur Beantwortung der Frage, ob der Begriff „fakultative Zusatzkosten“ in Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 dahin auszulegen ist, dass er auch Kosten erfasst, die für Leistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Reiserücktrittsversicherung anfallen, die nicht von einem Luftverkehrsunternehmen erbracht werden, ist eine nähere Prüfung des Inhalts und Zwecks dieser Bestimmung und insbesondere der verschiedenen Kosten und Kostenbestandteile erforderlich, auf die diese Bestimmung Bezug nimmt.

25. Hierzu ist meines Erachtens zunächst auf einer allgemeineren Ebene festzuhalten, dass Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008, wie seiner Überschrift und seinem Inhalt eindeutig zu entnehmen ist, Information und Transparenz im Hinblick auf Preise für Luftverkehrsdienste gewährleisten soll und somit, wie mehrere Beteiligte an diesem Verfahren zutreffend angemerkt haben, dem allgemeinen Ziel des Schutzes der Verbraucher oder der Empfänger von Luftverkehrsdiensten dient.

26. Ganz konkret baut Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 ersichtlich auf einer Unterscheidung zwischen zwei hauptsächlichen Kategorien von Preisen und deren Bestandteilen auf. Für diese beiden Kategorien gelten jeweils gesonderte Anforderungen, die bestimmte Ziele hinsichtlich der Information über die Kosten von Luftverkehrsdiensten und den entsprechenden Schutz der Verbraucher oder Kunden verfolgen.

27. Erstens ist für Art. 23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1008/2008 der Begriff des „Endpreises“ von zentraler Bedeutung, der sich aus dem anwendbaren Flugpreis bzw. der anwendbaren Luftfrachtrate – die in Art. 2 Nrn. 18 und 19 der Verordnung jeweils ausführlich definiert sind – sowie allen anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschlägen und Entgelten zusammensetzt.

28. Der vom Kunden zu zahlende Endpreis für Luftverkehrsdienste ist nach dieser Bestimmung stets mit seinen dort im Einzelnen aufgeführten Bestandteilen auszuweisen.

29. Der Zweck dieser Regelung ist, wie dem 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1008/2008 zu entnehmen ist, die Kunden in die Lage zu versetzen, die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen für Flugdienste effektiv zu vergleichen.

30. Um diesen Zweck, einen effektiven Preisvergleich, zu erreichen, muss gewährleistet sein, dass die anzugebenden Endpreise auf ähnliche (Luftverkehrs‑)Dienste bezogen sind und, so weit wie möglich, ähnliche Preisbestandteile enthalten. Aus diesem Grund definiert Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1008/2008 die Kostenbestandteile wie Gebühren und Entgelte, die in den stets auszuweisenden Endpreis einzuschließen sind, als solche, die „unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind“.

31. Auf diese Weise wird der Kunde über die tatsächlichen Kosten eines Fluges mit einem bestimmten Luftfahrtunternehmen zu üblichen Bedingungen von A nach B informiert und kann diesen Preis mit dem tatsächlichen Preis für den gleichen, von einem anderen Luftfahrtunternehmen durchgeführten oder von anderen Bevollmächtigten oder Flugscheinverkäufern angebotenen Flug vergleichen.

32. Zweitens und im Gegensatz dazu können die „Zusatzkosten“, auf die Art. 23 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung Nr. 1008/2008 Bezug nimmt, wie die Kommission zutreffend angemerkt hat, als Bestandteil weder des „Endpreises“ im Sinne dieser Bestimmung(3) noch des Flugpreises selbst angesehen werden.

33. Solche Zusatzkosten werden als „fakultativ“ bezeichnet, sind also definiert als Preise oder Kosten, die – anders als der Flugpreis und die anderen in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1008/2008 genannten Preisbestandteile – nicht unvermeidbar sind, wenn ein bestimmter Flug genommen werden soll, sondern demnach „Sonderleistungen“ im Verhältnis zum Luftverkehrsdienst selbst betreffen, die der Kunde wahlweise annehmen kann oder nicht. Gerade weil der Kunde diese Wahlfreiheit hat – die hinsichtlich des Flugpreises selbst oder der Steuern und Gebühren nicht besteht –, können solche Zusatzkosten überhaupt zum Gegenstand eines „Opt-in“- oder „Opt-out“-Verfahrens gemacht werden.

34. Wären demgegenüber solche fakultativen Zusatzkosten als Bestandteil des stets auszuweisenden Endpreises im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1008/2008 anzusehen, könnten sich die dann der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Endpreise auf breit gestreute Leistungen oder Leistungspakete beziehen, wodurch die Vergleichbarkeit der Preise für Luftverkehrsdienste verschiedener Luftverkehrsunternehmen faktisch unterminiert würde.

35. Deshalb dient, entgegen der von der Kommission geäußerten Ansicht, Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008, der die fakultativen Zusatzkosten der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Art regelt, auch nicht dem im 16. Erwägungsgrund genannten Zweck, die effektive Vergleichbarkeit der Preise für Luftverkehrsdienste zu gewährleisten.

36. Diese Bestimmung legt vielmehr eine unabhängige und besondere Anforderung für fakultative Zusatzkosten fest, dass nämlich solche Kosten auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt werden müssen und dass ihre Annahme durch den Kunden – bzw. vielmehr die Annahme des Angebots, für das die Zusatzkosten anfallen – auf „Opt-in“-Basis erfolgen muss.

37. Diese Regelung soll erkennbar einem besonderen – über die Vergleichbarkeit der Preise hinausgehenden – Ziel des Verbraucherschutzes auf dem Gebiet der Preise für Luftverkehrsdienste dienen, nämlich zu verhindern, dass Verbraucher bei der Buchung eines Fluges – aufgrund der automatischen Voreinstellung des fakultativen Kostenbestandteils und des zugrunde liegenden Angebots im Buchungsvorgang – dazu veranlasst werden, Sonderleistungen abzunehmen und zu vergüten, die für den Zweck, den gewünschten Flug zu nehmen, nicht unvermeidbar oder erforderlich sind, es sei denn, sie treffen aktiv und ausdrücklich die Wahl, solche zusätzlichen Angebote und die dafür anfallenden Kosten anzunehmen.

38. Angesichts dieses maßgeblichen Ziels der die „fakultativen Zusatzkosten“ regelnden Bestimmung in Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 ist meines Erachtens die Schlussfolgerung zu ziehen, dass dieser Begriff auch die Kosten für eine Leistung wie den in Rede stehenden Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung erfasst, wenn diese auf die vom vorlegenden Gericht beschriebene Art und Weise im Zusammenhang mit einem Flug angeboten und gebucht wird.

39. Wie mehrere Beteiligte zutreffend angemerkt haben, erscheint es mit dem Zweck dieser Bestimmung, dem Schutz der Verbraucher oder Kunden, nicht vereinbar, wenn dieser Schutz davon abhinge, ob die fakultativen, beim Vorgang der Flugbuchung angebotenen Leistungen und Kosten von einem Luftfahrtunternehmen oder von einem rechtlich selbständigen Unternehmen ausgehen oder ob diese Leistungen fester Bestandteil eines Luftverkehrsvertrags sind oder nicht.

40. Es lässt sich sogar – wie die Kommission im Wesentlichen argumentiert – die Ansicht vertreten, dass im Zusammenhang mit der Buchung von Flugreisen gerade dort, wo dem Flugreisenden Leistungen und Kosten angeboten und von ihm angenommen werden können, die nicht im engeren Sinne und typischerweise mit der Durchführung eines Fluges in Zusammenhang stehen, aus Sicht des Verbraucherschutzes die Annahme solcher Leistungen und Kosten als ausdrückliche Annahme im Wege eines „Opt-in“-Verfahrens erfolgen muss.

41. Maßgebend im Hinblick auf Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008 ist daher meines Erachtens nicht die Tatsache, dass die betreffenden Zusatzkosten auf ein Luftfahrtunternehmen oder einen mit diesem in Verbindung stehenden Bevollmächtigten zurückgehen oder dass diese im engeren Sinne für Luftverkehrsdienste entrichtet werden, sondern die Tatsache, dass die fakultative Leistung und der dafür anfallende Preis im Zusammenhang mit dem Luftverkehrsdienst/Flug angeboten werden und in einem einheitlichen Vorgang mit diesem Dienst/Flug gebucht werden können.

42. Diese Auslegung überdehnt zudem entgegen der von ebookers.com vertretenen Ansicht auch nicht den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1008/2008.

43. Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass der Gegenstand der Verordnung nach ihrem Art. 1 Abs. 1 neben seiner Definition durch die Bezugnahme auf Luftfahrtunternehmen (nach dieser Bestimmung regelt die Verordnung die Genehmigung von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft und ihr Recht, innergemeinschaftliche Flugdienste durchzuführen) auch in allgemeinerer Form „die Preisfestsetzung für innergemeinschaftliche Flugdienste“ umfasst.

44. Darüber hinaus betrifft Art. 2 Nr. 18 der Verordnung Nr. 1008/2008 zwar, wie die finnische Regierung zutreffend festgestellt hat, die Definition der „Flugpreise“ und Preisbestandteile, die Teil ihrer Kostenstruktur sind, und ist daher für die Auslegung des – wie vorstehend dargelegt – hiervon zu unterscheidenden Begriffs der „fakultativen Zusatzkosten“ nicht unmittelbar relevant; anzumerken ist jedoch, dass Art. 2 Nr. 18 auch auf Preise und Kosten Bezug nimmt, die tatsächlich auf andere Personen als die Luftfahrtunternehmen selbst zurückgehen bzw. an diese zu entrichten sind, wie etwa Agenturen und andere Hilfsdienste.

45. In ähnlicher Weise muss der Endpreis, auf den sich die Informationspflicht nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung bezieht, ausdrücklich Preisbestandteile enthalten, die nicht notwendigerweise als Vergütung für Leistungen zu entrichten sind, die von Luftfahrtunternehmen selbst erbracht werden, sondern auf von einem Luftfahrtunternehmen rechtlich unabhängige Dritte zurückgehen und an diese zu entrichten sind; zu diesen Bestandteilen zählen Steuern oder auch Gebühren wie Flughafengebühren oder Gebühren, die mit der Sicherheit in Zusammenhang stehen.

46. Ausgehend von der Betrachtung der vorgenannten Bestimmungen der Verordnung Nr. 1008/2008 komme ich daher entgegen der von ebookers.com vertretenen Ansicht zu der Auffassung, dass Kosten oder Kostenbestandteile nicht allein deshalb vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind, weil sie für eine Leistung anfallen oder als Vergütung hierfür zu entrichten sind, die ein von einem Luftfahrtunternehmen rechtlich selbständiger Dritter erbringt, oder weil sie nicht unmittelbar für die Durchführung von Flugverkehrsdiensten selbst gemäß der Definition in Art. 2 Nr. 4 der Verordnung, sondern nur im Zusammenhang mit solchen Leistungen anfallen.

47. Schließlich kann die Tatsache, dass eine Annahme im Wege eines „Opt-out“-Verfahrens nach verbraucherschutzrechtlichen Bestimmungen nicht allgemein untersagt ist, meiner Auffassung nach keinen Zweifel an der Auslegung begründen, dass im Zusammenhang mit Luftverkehrsdiensten und deren Preisen nach der Verordnung Nr. 1008/2008 das Verbot einer Annahme im Wege eines „Opt-out“-Verfahrens auf Kosten wie die für den Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung anwendbar ist. Auch lässt sich meiner Auffassung nach nicht mit guten Gründen vertreten, dass diese Auslegung zu einer Diskriminierung von Luftfahrtunternehmen gegenüber anderen Unternehmen des Transportsektors (wie etwa Bahnverkehrsbetreibern) führen würde, weil einfach, zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt, noch kein vergleichbarer Schutz bei der Buchung von Fahrscheinen und fakultativen Zusatzkosten besteht.

48. Nach alledem schlage ich vor, die Vorlagefrage dahin zu beantworten, dass der Begriff der „fakultativen Zusatzkosten“ nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 dahin auszulegen ist, dass er auch die Kosten für von Dritten erbrachte Leistungen – z. B. die Kosten für den Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen – erfasst, wenn die Leistung und der hierfür anfallende Preis zusammen mit dem Flug angeboten und in einem einheitlichen Vorgang mit dem Flug gebucht werden kann und dieser Preis von dem den Flug verkaufenden Unternehmen in einem Gesamtpreis gemeinsam mit dem Flugpreis vom Kunden erhoben wird.

V – Ergebnis

49. Aus den vorstehenden Gründen schlage ich vor, die vom Oberlandesgericht Köln (Deutschland) vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

  • Der Begriff „fakultative Zusatzkosten“ nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (Neufassung) ist dahin auszulegen, dass er auch die Kosten für von Dritten erbrachte Leistungen – z. B. die Kosten für den Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen – erfasst, wenn die Leistung und der hierfür anfallende Preis zusammen mit dem Flug angeboten und in einem einheitlichen Vorgang mit dem Flug gebucht werden kann und dieser Preis von dem den Flug verkaufenden Unternehmen in einem Gesamtpreis gemeinsam mit dem Flugpreis vom Kunden erhoben wird.