Leistung von Sicherheiten durch Reiseveranstalter (BGH Urteil X ZR 117/15 vom 25.11.2014)

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BGH URTEIL zu Leistung von Sicherheiten durch Reiseveranstalter (BGH Urteil X ZR 117/15 vom 25.11.2014)

• Der Reiseveranstalter, welche in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig ist, muss dem Reisenden eine Sicherheit gewähren, welche den Anforderungen des § 651 k Abs. 1 Satz. 1 BGB entspricht.

• Leistet der Reiseveranstalter eine solche Sicherheit nicht, so darf der Reisevermittler vor der Beendigung weder Zahlungen auf den Reisepreis fordern noch annehmen.

• Die Erklärung des Reiseveranstalters über das Bestehen einer Insolvenzabsicherung ist unzureichend als Nachweis.

TENOR BGH X ZR 117/15 Urteil vom 25.11.2014

Die Revision gegen das am 25. Juli 2013 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kos-ten der Beklagten zurückgewiesen.

TATBESTAND Leistung von Sicherheiten durch Reiseveranstalter (BGH Urteil X ZR 117/15 vom 25.11.2014)

Die Kläger begehren von der Beklagten als Reisevermittlerin Schadens-ersatz nach Insolvenz des Reiseveranstalters. Nach Vermittlung durch die Beklagte, ein in Deutschland ansässiges und über das Internet handelndes Reisebüro, buchten die Kläger am 14. Oktober 2011 durch einen Mitreisenden bei dem niederländischen Reiseveranstalter S. B.V. eine Flusskreuzfahrt vom 8. bis 11. Dezember 2011 zum Preis von 244 € pro Person. Den Klägern wurde die Kopie eines Sicherungsscheins des niederländischen Kundengeldabsicherers S. vorgelegt. Auf die Rechnung und Reisebestätigung vom 19. Oktober 2011 zahlten die Kläger den auf sie entfallenden Reisepreis an die Beklagte. Der Reiseveranstalter geriet in finanzielle Schwierigkeiten, weshalb die gebuchte Reise nicht durchgeführt werden konnte; kurz darauf meldete er Insolvenz an. Die Kläger erhielten den gezahlten Reisepreis nicht zurück. Der Kundengeldabsicherer verweigerte eine Erstattung des Reisepreises mit der Begründung, aufgrund des mit dem Reiseveranstalter geschlossenen Versiche-rungsvertrags sei seine Deckungspflicht auf Reisen beschränkt, die auf dem niederländischen Markt angeboten und abgeschlossen worden seien. Die beiden Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz in Höhe des nicht zurückgezahlten Reisepreises. Das Amtsgericht hat der Klage statt-gegeben. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Abweisung der Klage weiter.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE BGH X ZR 117/15 Urteil vom 25.11.2014

Verletzung der Pflicht einer Nachweisung der Sicherheitsleistung durch Reiseveranstalter

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe ihre Pflicht aus § 651k Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 4 BGB verletzt, den Klägern eine Sicherheitsleistung nachzuweisen, bevor sie deren Zahlungen auf den Reisepreis entgegennahm. Grenzüberschreitend anbietende Veranstalter mit Sitz in den Mitglied-staaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums seien von den weitergehenden Pflichten zur Insolvenzsicherung nach den Vorschrif-ten des § 651k Abs. 1 bis 4 BGB freigestellt, wenn sie dem Reisenden eine Art. 7 der Richtlinie 90/314/EWG vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen und § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechende Sicherheit leisten. Dies entspreche der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV. Für eine solche Sicherheits-leistung genüge es jedoch nicht, eine abstrakte Deckung vorzusehen, die lediglich für in dem betreffenden Staat abgeschlossene Reiseverträge greife. Das Sicherungsinstrument müsse das konkrete Risiko des in Deutschland ansässi-gen Kunden erfassen. Nur wenn der Reisende tatsächlich geschützt sei, ent-spreche das ausländische Sicherungsmittel den Vorgaben gemäß Art. 7 der Richtlinie und den Anforderungen aus § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB. Es reiche je-doch aus, die Sicherheitsleistung nachzuweisen, ohne einen Sicherungsschein auszuhändigen. Diese Nachweispflicht gelte auch für den Reisevermittler, bevor er Zah-lungen auf den Reisepreis fordere oder annehme. Die Beklagte habe eine ord-nungsgemäße Sicherheitsleistung nicht ausreichend nachgewiesen. Es reiche nicht aus, sich vom Reiseveranstalter bestätigen zu lassen, dass eine Kunden-geldabsicherung vorliege, denn der Vermittler sei selbst nachweispflichtig. Auch ersetze das Wissen um die Existenz eines Sicherungsscheins nicht die Prüfung seiner uneingeschränkten Gültigkeit. Vielmehr hätte eine solche Prüfung durch Nachfrage beim Kundengeldabsicherer oder Abrufen seiner im Internet veröf-fentlichten Garantiebedingungen erfolgen können.

Nachweis der Kundengeldabsciherung vor Entgegennahme des Reisepreises im Falle der Insolvenz

Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. 1. Sowohl der zwischen dem Reiseveranstalter und den Klägern abge-schlossene Reisevertrag als auch der mit der Beklagten abgeschlossene Rei-severmittlungsvertrag unterliegen dem deutschen materiellen Recht. Für den Vertrag mit dem niederländischen Reiseveranstalter folgt dies gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO daraus, dass die Kläger Verbraucher sind. 2. Die Kläger waren Vertragspartner des Reisevertrags und schuldeten den auf sie entfallenden Reisepreis. Auf Seiten der Reiseteilnehmer gab zwar allein der Mitreisende H. R. eine Willenserklärung zum Abschluss des Reisevertrags ab. Die Namensverschiedenheit der Kläger ließ dabei jedoch deutlich den Willen erkennen, den Reisevertrag nicht nur für sich selbst, son-dern, soweit es die Reiseteilnahme der Kläger betrifft, in deren Namen ab-schließen zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Juli 2012 - X ZR 154/11, NJW 2012, 3368 Rn. 27; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., § 5 Rn. 117 mwN). Besondere Umstände wie etwa ein besonderes Näheverhältnis zu den Mitreisenden, aus denen ein ausschließliches Auftreten im eigenen Namen zu folgern gewesen sein könnte, sind nicht festgestellt. 3. Die Beklagte schuldet den Klägern Ersatz für den aus der Zahlung des Reisepreises entstandenen Schaden, nachdem der Reiseveranstalter in-solvent wurde und eine Rückzahlung ausblieb. Wie das Berufungsgericht zu-treffend erkannt hat, verletzte die Beklagte ihre Pflicht aus § 651k Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 5 Satz 2 BGB, indem sie Zahlungen auf den Reisepreis annahm, ohne dass den Reisenden nachgewiesen worden war, dass der Rei-severanstalter eine den Anforderungen des § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB entspre-chende Sicherheit geleistet hatte. a) Zur Sicherstellung der Erstattung des gezahlten Reisepreises und der in § 651k Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB genannten Aufwendungen im Falle der Insolvenz des Reiseveranstalters ist dem Reisenden das Bestehen einer Kun-dengeldabsicherung vor der Entgegennahme des Reisepreises auch dann nachzuweisen, wenn der Reiseveranstalter seinen Sitz in einem anderen Mit-gliedstaat der Europäischen Union hat. In diesem Falle sind der Reiseveranstal-ter und der Reisevermittler nur von der Verpflichtung befreit, einen dem Rei-senden verschafften unmittelbaren Anspruch gegen einen Kundengeldabsiche-rer durch Übergabe einer von diesem oder auf dessen Veranlassung ausge-stellten Bestätigung (eines Sicherungsscheins) nachweisen zu müssen (§ 651k Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 BGB) - vorausgesetzt, das anwendbare nationale Recht fordert eine solche Übergabe nicht für die Wirksamkeit der Sicherheitsleistung. Die Verpflichtung zum Nachweis der Sicherungsleistung bleibt jedoch als solche unberührt. Mit der Möglichkeit, die Kundengeldabsicherung auch auf andere Weise erbringen und nachweisen zu können, soll der Reiseveranstalter, sofern dies das Recht des Staates seiner Hauptniederlassung gestattet, auf andere Formen der Sicherungsleistung und ihres Nachweises ausweichen kön-nen, weil die Verschaffung eines dem deutschen Recht entsprechenden Siche-rungsscheins im Hinblick auf die gegebenenfalls abweichenden Modalitäten auf dem heimischen Reise- und Versicherungsmarkt des Reiseveranstalters mit einem erhöhten Aufwand verbunden sein kann. Auch dieser Nachweis dient gleichwohl dem Interesse, dem Kunden Beweissicherheit hinsichtlich der Insol-venzabsicherung zu verschaffen, bevor dieser Zahlungen auf den Reisepreis leistet. Damit ist entgegen der Revision keine gegen Art. 56, 57 AEUV versto-ßende Schlechterstellung von grenzüberschreitenden Tätigkeiten verbunden; vielmehr werden solche Tätigkeiten durch die Möglichkeit, auf andere Formen der Sicherheitsleistung und ihres Nachweises ausweichen zu können, gerade erleichtert. b) Die Sicherheitsleistung muss gewährleisten, dass gegenüber dem Reisenden im Insolvenzfall die Erstattungsleistungen nach § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB erbracht werden, und dem Reisenden muss eben dies nachgewiesen werden. Ein ordnungsgemäßer Nachweis muss daher zunächst erkennen las-sen, dass die Kundengeldabsicherung die Rückzahlungsansprüche des Rei-senden tatsächlich und wirksam abdeckt. Ein "Sicherungsschein", der nur den Nachweis für eine Absicherung der Rückzahlungsansprüche von Kunden er-bringt, die auf einem anderen nationalen Markt Reiseverträge abschließen, ist für den konkreten Reisenden ohne Bedeutung und erfüllt nicht die Anforderun-gen einer Kundengeldabsicherung gemäß § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB.

Anforderungen an Kopie eines Sicherungsscheins

Die vom Berufungsgericht festgestellte Vorlage der Kopie eines Siche-rungsscheins hätte deshalb allenfalls dann gegenüber den Klägern den Nach-weis für eine Kundengeldabsicherung erbringen können, wenn sich daraus - in deutscher oder einer anderen dem Reisenden leicht verständlichen Sprache (§ 10 BGB-InfoV) - eine verbindliche Erklärung des Absicherers ergab, auch die Erstattung des von den Klägern zu zahlenden Reisepreises abzudecken. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts entsprach die Kopie eines als "Sicherungsschein" bezeichneten Dokuments nicht diesen Anforderungen, weil das Dokument eine Absicherung für Verträge, die nicht auf dem niederländischen Markt geschlossen wurden, nicht zum Aus-druck brachte. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte den Klägern eine den Anforderungen des § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechende Sicherheitsleistung nicht nachgewiesen hat, begegnet danach keinen rechtli-chen Bedenken. c) Soweit die Revision anführt, die Beklagte habe vom Reiseveranstal-ter die Bestätigung erhalten, es bestehe eine Kundengeldabsicherung, ergibt sich auch daraus kein hinreichender Nachweis gegenüber den Klägern. Mit der genannten Bestätigung wurden den Reisenden keine Beweismittel präsentiert. Da der Reiseveranstalter selbst gemäß § 651k Abs. 4 und 5 BGB nachweis-pflichtig ist, reicht seine bloße Erklärung nicht aus, um den Reisenden die gebo-tene Beweissicherheit zu verschaffen. 4. Die Beklagte hat demnach den Klägern den Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die Zahlung des Reisepreises entstand, nachdem die im Rei-severtrag versprochene Gegenleistung ausblieb. Dieser in Höhe des Reisepreises zu berechnende Schadensersatz ist nicht aufgrund etwaiger - vom Berufungsgericht offen gelassener - Ansprüche der Reisenden gegen den Kundengeldabsicherer des Reiseveranstalters zu reduzieren. Sollten solche Ansprüche entgegen dem Wortlaut der von den Par-teien vorgetragenen Versicherungsbedingungen gleichwohl zugunsten der Klä-ger bestehen, ergäben sich daraus lediglich Ansprüche gegen einen Dritten zur Kompensation des Schadens. Mit solchen Ansprüchen könnte nur ein - hier nicht geltend gemachtes - Zurückbehaltungsrecht zur Leistung Zug um Zug ge-gen die Abtretung der Ansprüche analog §§ 255, 274 BGB begründet werden; der Schadensersatzanspruch selbst wird dadurch weder ausgeschlossen noch reduziert (vgl. BGH, Urteile vom 20. November 1992 - V ZR 279/91, BGHZ 120, 261 unter I 2 b; vom 15. April 2010 - IX ZR 223/07, NJW 2010, 1961 Rn. 35). Die Kostenfolge beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.