Flugverspätung Inlandsflug

Aus PASSAGIERRECHTE
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Begriff der Verspätung

Bei einer „großen Verspätung“ handelt es sich um eine Verzögerung des Abflugs. Der Begriff der „Verzögerung“ ist jedoch nicht in Art. 2 der Fluggastrechteverordnung definiert. Laut dem Wortlaut des Art. 8 der Fluggastrechteverordnung ist jedoch auf den „Abflug“ abzustellen. Somit ist ein Flug nach Art. 6 der Fluggastrechteverordnung als verzögert anzusehen, wenn sein Beginn nach dem in der Buchung vorgesehenen Zeitpunkt stattfindet. Dies ist die sogenannte „Abflugverspätung“. Bei einer großen Verspätung steht dem betroffenen Fluggast nach Art. 6 der Fluggastrechteverordnung ein Anspruch auf gestaffelte Unterstützungs- und Betreuungsleistungen nach Art. 8 der Fluggastrechteverordnung zu. Dem Wortlaut des Art. 8 der Fluggastrechteverordnung zu Folge besteht für die betroffenen Fluggäste jedoch kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung. Durch den EuGH wurde ein solcher Anspruch für eine verspätete Ankunft jedoch rechtsfortbildend zuerkannt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es zu einer Verzögerung der Ankunft von mindestens drei Stunden am Endziel kommt. Große Probleme bereitet früher die Abgrenzung der Verspätung von der Annullierung. Nun existiert eine gängige Kurzformel: Bei einer Annullierung fällt der geplante Flug aus und bei einer großen Verspätung wird der Flug jedoch nach Maßgabe der ursprünglichen Planung weiterhin erfolgen.

Voraussetzungen für eine fluggastrechtlich relevante Abflugverspätung

Um eine Verspätung im Sinne des Art. 6 der Fluggastrechteverordnung annehmen zu können, muss eine Verzögerung des Abflugs von mindestens zwei Stunden gegeben sein. Erst dann kann man eine in zeitlicher Hinsicht „große Verspätung“ im Sinne des offiziellen Titels der Fluggastrechteverordnung. Geringfügige Abflugverspätungen sollen fluggastrechtlich irrelevant bleiben.

Prognoseentscheidung bei Verspätung

Wichtig ist, dass eine solche Verspätung „nach vernünftigem Ermessen absehbar“ sein muss. Absehbar für das ausführende Luftfahrtunternehmen. Wird durch eine Prognose im Vorfeld des regulären Flugantritts deutlich, dass es zu einer Mindestverspätung von zwei Stunden kommen wird, dann gelten die Fluggastrechte ab dem Zeitpunkt der „Absehbarkeit“. Es ist demnach nicht ausschlaggebend, dass erst tatsächlich die Verspätungsdauer von zwei Stunden erreicht ist. Die Fluggastrechte finden bereits dann Anwendung, wenn sich die Prognose ex post als falsch erweisen sollte. Laut der Formulierung „nach vernünftigem Ermessen absehbar“ sollen auch die wirtschaftlichen und zeitlichen Ressourcen der konkret ausführenden Airline Berücksichtigung finden. Das bedeutet so viel, wie das kein unverhältnismäßiger Aufwand zu betreiben ist. Hilfreich könnten jedoch erschwingliche technische Applikationen sein. So werden sich in naher Zukunft „künstlich intelligente“ Flight-Services, wie Google Flights auf die Prognoseentscheidungen auswirken können. Durch selbsterlernte Algorithmen wird eine neue Funktion verfügbar sein, welche mit einer 80 % Wahrscheinlichkeit verspätete Flüge anzeigen kann.

Räumlicher Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung

Fraglich ist, ob bei einem Langstreckenflug überhaupt der räumliche Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung eröffnet ist.

Grundsatz

Die Fluggastrechteverordnung ist gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung anwendbar für alle Flüge (Hin- oder Rückflug), die von einem Flughafen der Gemeinschaft starten. Dabei ist es unerheblich, ob der faktische Beförderer seinen Sitz im Binnenmarkt oder einem Drittstaat hat. Startet ein Flug demnach innerhalb der EU, dann muss die Fluggastrechteverordnung auch durch ein ausländische Luftfahrtunternehmen beachtet werden (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 07.03.07, Az.: 19 U 212/06, AG Düsseldorf, Urt. v. 25.04.06, Az.: 36 C 1412/06). Kommt es zu einem Flug, welcher in einem Drittstaat seinen Anfang nimmt und sein Endziel in der Gemeinschaft hat, dann muss eine Differenzierung erfolgen. Die Fluggastrechteverordnung findet in solchen Fällen laut dem Art. 3 Abs. 1 lit. [b der Fluggastrechteverordnung nur dann Anwendung, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Unternehmen der Gemeinschaft im Sinne von Art. 2 lit. c der Fluggastrechteverordnung ist. Daraus folgt, dass europäische Beförderer, an allen Flughäfen, von denen sie Flüge in die EU beginnen, dafür zu sorgen haben, dass die Anforderungen der Flugastrechteverordnung eingehalten werden. Denn ein „Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft die ihren Sitz in der EU hat und einen Flug aus Drittstaaten in das Gebiet der Union durchführt, hat die Pflicht Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn im Drittstaat noch keine Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen vorgenommen wurden. Damit findet die Fluggastrechteverordnung bei allen Flügen Anwendung, die in der Union starten, selbst dann, wenn der Flug nicht durch ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ausgeführt wird. Bei Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft (Art. 2 lit. c der Fluggastrechteverordnung) findet die Fluggastrechteverordnung stets Anwendung. Aus diesem Grund ist für Flüe in das Gebiet der Union durch Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft stets der räumliche Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung eröffnet. Die Fluggastrechteverordnung würde demnach keine Anwendung finden für einen Flug einer Nicht-EU-Fluggesellschaft wie Emirates Airlines, der von einem Flughafen eines Nichtmitgliedstaates wie Dubai zu einem Flughafen der Gemeinschaft geht oder von einem Flughafen eines Nichtmitgliedstaates zu einem anderen Flughafen eines Nichtmitgliedstaates. Kommt es zu einem Flug von einem Drittlandsflughafen, wie in der Türkei in die EU, dann stehen den betroffenen Fluggästen die Rechte aus der Fluggastrechteverordnung nicht zu, wenn nach dem Fluggastrecht eines Drittlands schon die folgenden Ansprüche erbracht wurden: - Gegenleistungen (z.B. Reisegutschein) oder Ausgleichsleistung (Betrag der Ausgleichsleistung kann abweichen von dem Betrag, der in der Fluggastrechteverordnung festgesetzt ist) UND - Betreuungsleistungen (darunter fallen Mahlzeiten, Getränke, Hotelunterbringung und Kommunikationsmöglichkeiten) Große Bedeutung kommt laut den Leitlinien vor allem dem Wort „und“ zu. Denn haben die Fluggäste z.B. nur die Gegenleistungen erhalten, dann können sie immer noch einen Anspruch auf die Betreuungsleistungen geltend machen. Wurden jedoch beide Ansprüche am Abflugort erbracht, weil die lokalen Rechtsvorschriften es so vorsehen oder weil sie einfach freiwillig erbracht wurden, dann können die Fluggäste keine weiteren Ansprüche aus er Fluggastrechteverordnung geltend machen. Laut dem EuGH ist es jedoch nicht vertretbar, dass der betroffene Fluggast den durch die Fluggastrechteverordnung vorgesehenen Schutz verliert, wenn er eine bestimmte Ausgleichsleistung in einem Drittland erhält. Der EuGH vertritt die Ansicht, dass in einem solchen Fall durch das jeweilige Luftfahrtunternehmen der Beweis zu leisten ist, dass die in dem Drittland erbrachte Ausgleichsleistung dem Ziel der durch die Fluggastrechteverordnung garantiertem Ausgleichsanspruch gleichkommt oder zumindest, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Ausgleichs- und Unterstützungsleistung und die Modalitäten ihrer Durchführung mit denen der Fluggastrechteverordnung übereinstimmen.

Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaates

Mitgliedstaaten der EU

Man kann immer dann annehmen, dass ein Flughafen sich auf dem Gebiet eines Mitgliedstaates befindet, wenn er auf dem Hoheitsgebiet eines der 28 Mitgliedstaaten der EU nach Art. 52 EUV gelegen ist. Die Fluggastrechteverordnung findet gemäß Art. 349, 355 AEUV auch bei Abflügen von einem Flughafen der französischen überseeischen Departments (Guadeloupe, Französische Guayana, Reunion, Martinique, Saint-Barthelemy, Mayotte, Saint Martin), der autonomen Regionen Azoren und Madeira von Portugal und die kanarischen Inseln Spaniens Anwendung. Weiterhin findet die Fluggastrechteverordnung auch in den spanischen Hoheitsgebieten Ceuta und Melilla und den zu Finnland gehörenden Aland- Inseln Anwendung. Laut der Akte bezüglich des Beitritts Dänemarks und des Vereinigten Königreichs, findet die Fluggastrechteverordnung keine Anwendung auf die Färöer, Isle of Man und die Kanalinseln. Diese Hoheitsgebiete sind als „Drittländer“ im Sinne der Fluggastrechteverordnung anzusehen.

Gibraltarklausel

Laut dem Art. 1 II, III der Fluggastrechteverordnung ist die Fluggastrechteverordnung nicht anwendbar auf dem Flughafen von Gibraltar, aufgrund der strittigen Frage der Souveränität. Nach Abs 1 findet die Fluggastrechteverordnung jedoch Anwendung auf den Flughafen Gibraltar unabhängig der Rechtsstandpunkte des Königreichs Spaniens und des Vereinigten Königreichs bezüglich der strittigen Frage der Souveränität über das Gebiet, auf dem der Flugplatz gelegen ist. Laut dem Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung wird die Anwendung der Fluggastrechteverordnung auf den Flughafen Gibraltar bis zu dem Wirksamwerden der Regelung ausgesetzt, welche Teil der Gemeinsamen Erklärung der Minister für auswärtige Angelegenheiten des Königreichs Spanien und des Vereinigten Königreichs vom 2. Dezember 1987 ist. Dennoch ist eine solche Vereinbarung bis heute noch nicht erfolgt.

EWR-Staaten

Die Fluggastrechteverordnung wurde durch Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses in das EWR-Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der EU, Island, Liechtenstein und Norwegen eingeschlossen. Dadurch entfaltet der Art 7 lit. a des EWG-Abkommens unmittelbare und umfassende Wirkung in den soeben genannten Staaten. Wird sich in der Fluggastrechteverordnung auf die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft berufen, dann sind damit auch die Flughäfen auf dem Gebiet der EWR-Staaten gemeint.

Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und der Schweiz

Die Fluggastrechteverordnung findet nach dem Beschluss des Luftverkehrsausschusses Gemeinschaft/Schweiz über Art. 1 Abs. 2 i. V. m. Art. 7 des Anhangs des Luftverkehrsabkommens vollumfänglich in der Schweiz Anwendung findet. Die Flughäfen auf dem Territorium der Schweiz und Luftfahrtunternehmen mit schweizerischer Betriebsgenehmigung im Rahmen des Regelungsbereiches als solches der Gemeinschaft einzuordnen. Nicht ganz geklärt ist jedoch, ob das Abkommen für die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU sowie deren Mitgliedstaaten Anwendung findet oder ob es nur für die rein innerstaatlichen Sachverhalte der Schweiz und deren Verhältnis zu den Drittstaaten Anwendung findet. Die Europäische Kommission und die Schweitzer Gerichte vertraten bis jetzt die Ansicht, dass der räumliche Anwendungsbereich nur für Flüge zwischen der Schweiz und einem Mitgliedstaat eröffnet ist. Dann erfolgte eine Rücknahme einer entsprechenden Vorlage des BGH (Urt. v. 09.04.13, Az.: X ZR 105/12) und nun fordert, dass AG Hannover (Urt. v. 05.01.15, Az.: 506 C 6146/11) den EuGH zur Beantwortung dieser Frage auf. Bei dem Flughafen Basel-Mulhouse-Freiburg handelt es sich um einen Sonderfall, da dieser ein binationaler Flughafen mit dreiseitiger Verkehrsleistung ist. Durch Art. 2 Abs. 1 des Flughafenvertrages wird deutlich, dass dieser Flughafen auf dem französischen Staatsgebiet liegt. Nach Art. 6 des Flughafenvertrages gilt für das komplette Arsenal des Flughafens das französische Gesetzes- und Verordnungsrecht, wenn durch den Staatsvertrag keine abweichende Regelung getroffen wird. Da Frankreich ein EU-Mitgliedstaat ist, findet für Abflüge auf diesem Flughafen die Fluggastrechteverordnung Anwendung. Das gilt auch für den schweizerischen Teil, denn auch dieser befindet sich im französischen Gebiet und nicht als Schweizerisches Hoheitsgebiet im Sinne einer Extraterritorialität eingestuft werden kann.

ECAA-Abkommen

Der räumliche Regelungsbereich der Fluggastrechteverordnung erfährt weiterhin durch das sogenannte ECAA-Abkommen eine Erweiterung. Das ECAA-Abkommen wurden zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten, sowie den Republiken Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Mazedonien, Island, Kroatien, Montenegro, dem Königreich Norwegen, der Republik Serbien und der Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo geschlossen. Laut Buchstabe G des Anhang I finden alle Bestimmungen der Fluggastrechteverordnung Anwendung. Somit kommt dem Begriff „Gemeinschaftsflughafen“ die gleiche Bedeutung zu wie dem Begriff „im gemeinsamen europäischen Luftraum gelegene“ und auch den Begriffen „Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft“ und „Luftfahrtunternehmen des gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums“ die gleiche Bedeutung zu.

Berechnungsmethode (Art. 7 Abs. 4 der Fluggastrechteverordnung)

Die Ermittlung der Entfernung erfolgt laut Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung über die Großkreisentfernungsmethode. Verwendet wird bei dieser gesetzlichen Berechnung die kürzeste Strecke zwischen dem Start- und Zielflughafen entlang der kugelförmigen Erdoberfläche (Orthodrome) unter Berücksichtigung der Erdkrümmung. Der tatsächlich zurückgelegten Flugstrecke kommt jedoch keine Bedeutung zu. Ausschlaggebend sind die tatsächlich angeflogenen Flughäfen. Viel eher deren „aerodrome reference points“ (ARP), jedoch nicht die Betitelung durch die Fluggesellschaft auf dem Flugschein. Diese Thematik gewinnt bei Regionalflughäfen an Bedeutung, wenn auf dem Flugschein auch die nächstgelegene Großstadt aufgeführt ist.

Dabei besteht jedoch die Frage, ob auch dann eine Berechnung auf der kürzesten Strecke zwischen dem Startflughafen und dem im Flugschein aufgeführten Endziel zu erfolgen hat, wenn es zu einer Durchführung von Flügen in Teilstrecken, wie z.B. Hamburg-München-Palma de Mallorca kommt. Denn in Frage kommen würde ebenfalls die Summe der Entfernungen der einzelnen Strecken. So z.B. Hamburg-München und dann die Strecke München-Palma de Mallorca. Durch den BGH (Urt. v. 14.10.10, Az.: Xa ZR 15/10) wurde entschieden, dass laut Art. 7 Abs. 1 S. 2 der Fluggastrechteverordnung bei der Berechnung der Entfernung der letzte Zielort (also das Endziel) ausschlaggebend ist, den der Fluggast aufgrund der Annullierung später erreicht, als die planmäßige Ankunftszeit ursprünglich angelegt war. Damit kommt es nicht auf den Zielort des einzelnen Beförderungsvorgangs an, welcher annulliert wurde. Wird also die erste kurze Teilstrecke annulliert, dann ist bei der Berechnung der Höhe der Ausgleichszahlungen nicht diese Entfernung ausschlaggebend, sondern die Entfernung zum Endziel des einheitlich gebuchten Fluges (LG Hannover, Urt. v. 10.10.12, Az.: 12 S 19/12, LG Hannover, Urt. v. 08.11.13, Az.: 14 S 1/13).

Blankenburg zu Folge soll eine Unterscheidung hinsichtlich des Endziels erfolgen. Im ersten Fall kommt es dazu, dass durch den Fluggast schon vor dem Reisebeginn beide Flüge als eine „einheitliche Reise“ gebucht wurden und der Fluggast somit bereits vor Beginn der Reise abgefertigt wurde und damit der letzte Ankunftsflughafen das Endziel seiner Reise darstellt. Im zweiten Fall besteht zwischen den Flügen kein unmittelbarer Zusammenhang. Das ist z.B. dann der Fall, wenn keine einheitliche Buchung vorgenommen wurde oder es zu einer Unterbrechung der einzelnen Flugabschnitte durch einen längeren Aufenthalt kommt, bei dem es auch zu dem Auschecken nach dem ersten Flugabschnitt kommt. In einer solchen Situation erscheint es schwierig, dass Ziel des zweiten Fluges noch als Endziel der Flugreise zu bezeichnen.

Laut dem AG Frankfurt a.M. (Urt. v. 11.10.13, Az.: 29 C 1952/13) ist bei einer einheitlich gebuchten Reise, welche aus mehreren Flügen eines Luftfahrtunternehmens besteht, die Entfernung aus der Summe der Teilstrecken zu ermitteln. Da der Art. 7 der Fluggastrechteverordnung eine streckenabhängige Staffelung der Ausgleichsansprüche enthält, ist davon auszugehen, dass Gesetzgeber die Ansicht vertreten, dass die Unannehmlichkeiten für den Fluggast mit der Entfernung zunehmen. Deshalb könnte im Zusammenhang mit der wirklich zurückgelegten Strecke angenommen werden, dass bei der Bemessung die Entfernung bei Umsteigeflügen auf die Summe der Entfernungen der Teilstrecken und damit einerseits zwischen dem Startflughafen und dem Zwischenlandeort einerseits und auf der anderen Seite zwischen diesem und dem Endziel zu ermitteln ist. Zu dieser Entscheidung kamen das HG Wien, das BGHS Wien und das LG Graz (Urt. v. 10.05.17).

Das LG Frankfurt a.M. (Urt. v. 16.06.16, Az.: 2-24 S 208/15) hatte eine Entscheidung im folgenden Fall zu treffen: Bei einem Flug, welcher sich aus mehreren Teilflügen zusammensetzte und die von einem annullierten Flug betroffenen Fluggäste auf dem ersten Teilflug durch eine andere Fluggesellschaft ausgeführten Flug umgebucht wurden auf einen Flug, welcher fast die gleichen Abflug- und Ankunftszeiten aufwies, kam es aufgrund von einer Verspätung dieses Fluges dazu, dass der Anschlussflug nicht mehr erreicht werden konnte und die betroffenen Fluggäste somit nicht in der Lage waren den Anschlussflug zu erreichen und damit ihr Endziel mit einer Verspätung von 23 Stunden erreichten. In diesem Fall hat das Landgericht entschieden, dass die gesamte Strecke beachtet werden muss. Begründet wird dies damit, dass der letzte Zielort zu beachten ist, welcher durch den betroffenen Fluggast aufgrund der Annullierung des ersten Fluges mit einer so enormen Verspätung erreicht wurde.

Durch viele andere Gerichte (LG Landshut, Urt. v. 16.12.15, Az.: 13 S 2291/15; LG Hamburg, Urt. v. 16.12.15, Az.: 13 S 2291/15 und 15.01.16, Az.: 320 S 8/15; AG Köln, Urt. v. 3.12.13, Az.: 113 C 428/13; AG Hamburg, Urt. v. 03.06.15, Az.: 120a C 28/15; AG Nürtingen, Urt. v. 28.05.15, Az.: 12 C 394/15; AG Wedding, Urt. 14.10.15, Az.: 22 a C 193/15; LG Köln, Urt. v. 30.05.17, Az.: 11 s 230/16) wurde jedoch die Ansicht verfolgt, dass unter dem Begriff der „Entfernung“ selbst bei einheitlich gebuchten Umsteigeverbindungen nur die Entfernung zwischen dem Abflug- und letzten Zielort ausschlaggebend ist. Die dabei tatsächlich zurückgelegte Flugstrecke spielt keine Rolle. Bei der Begründung ihrer Ansicht berufen sich die jeweiligen Gerichte unter anderem auf die „Leitlinien der Kommission für die Auslegung der Verordnung“. Durch das LG Hamburg (Urt. v. 15.01.16, Az.: 320 S 8/15) wurde diese Frage sogar dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (EuGH, Az.: C-40/16). Am 07.06.16 wurde durch, dass LG Hamburg jedoch mitgeteilt, dass sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat. Am 20.06.16 wurde die Rechtssache damit wieder aus dem Register des EuGHs entfernt. Kurz danach wurde diese Frage dem EuGH jedoch erneut durch das AG Hamburg zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es ging um den Fall Bossen/Brüsssels Airines (Rs. C-559/16). Nach diesem Vorlagebeschluss des LG Köln vom 30.05.17, Az.: 11 S 230/16) wurde die Forderung durch das beklagte Luftfahrtunternehmen anerkannt. Durch den Beschluss vom 12.07.17 wurde auch durch das HG Wien (1 R 4/17k) die Rechtsfrage dem EuGH wieder vorgelegt.

Durch die unverbindlichen Leitlinien der Kommission für die Auslegung der europäischen Fluggastrechteverordnung wird festgelegt, dass die Entfernung bei einer großen Verspätung nach der Methode der Großkreisentfernung zwischen dem Abflugsort und dem Endziel zu ermitteln ist. Damit soll die Entfernung für die „Reise“ ermittelt werden und nicht durch die Addition der Großkreisentfernungen der einzelnen Anschlussflüge, durch die es zu der Gesamtheit der Reise kommt.

Somit hat die Berechnung nach der Großkreismethode auch bei einheitlich gebuchten Direktflügen mit Zwischenlandung, aber auch bei Mehrstreckenflügen Anwendung zu finden. Es soll also keine Summierung der einzelnen, relevanten Segmente vorgenommen werden. Unter Entfernung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung ist die Distanz zwischen dem Ort des ersten Abflugs und dem Endziel zu verstehen (Entscheidung Bossen/Brussels Airlines vom 07.09.17. Liegt keine einheitliche Buchung vor, dann müssen die Start- und Zielflughäfen der jeweiligen Einzelstrecken berücksichtigt werden.

Streckenstaffelung im Falle einer Verspätung

Liegt die zeitliche Mindestvoraussetzung von zwei Stunden als Prognoseentscheidung vor, dann ist der Tatbestand der Verzögerung erfüllt, wenn die Distanz der Flugstrecke maximal 3.500 km beträgt (Art. 6 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung – Kurzstrecke). Bei einer Entfernung zwischen 1.500 und 3.500 km und bei allen „innergemeinschaftlichen Flügen“, deren Distanz mehr als 1.500 km beträgt, können erst dann als verspätet eingestuft werden, wenn der Abflug eine Verzögerung von mindestens drei Stunden aufweist (Art. 6, Abs. 1 lit. b der Fluggastrechteverordnung-Mittelstreckenflüge). Alle anderen Flüge, also außergemeinschaftliche Flüge mit einer Flugdistanz von 3.500 km sind ab einem von vier Stunden verzögerten Abflug als verspätet einzustufen (Art. 6 Abs. 1 lit. c der Fluggastrechteverordnung – Langstreckenflug). Es gilt also die folgende übergreifende Formel: Je geringer die Entfernung, desto eher entfalten die Fluggastrechte ihre Wirkung. Die Anspruchsinhalte erhöhen sich mit der zeitlichen Dauer der Verzögerung. Bei den sogenannten Kurzstrecken beträgt die Flugdistanz bis 1500 km. Als Beispiel wäre die Strecke Berlin-München zu nennen. Die Staffelung nach Kurzstrecke, Mittelstrecke und Langstrecke ist die gleiche wie in Art. 6 Abs.1, Art. 7 Abs. 2, Art. 10 der Fluggastrechteverordnung. Bei intra-unionalen Flügen kann dem betroffenen Fluggast also ein Anspruch in maximaler Höhe von 400 € zu kommen. Dadurch wird deutlich, dass bei einer Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung bei innergemeinschaftlichen Flügen, nur ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von maximal 400 € erfolgen kann und das selbst dann, wenn diese Unannehmlichkeiten bei einer Entfernung von über 3.500 km auftreten. Das ist vor allem der Fall bei Flügen von Hamburg nach Berlin zu einem Flughafen der kanarischen Inseln. Diese Begrenzung auf 400 € erfolgt auch bei Flügen in die französischen Übersee-Gebiete (z.B. Martinique in den kleinen Antillen).

Ansprüche ausweislich des Wortlauts von Art. 6 der Fluggastrechteverordnung bei Verspätung

Laut dem Wortlaut stehen dem Fluggast keine Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung zu. Stattdessen wird dem Fluggast durch Art. 6 der Fluggastrechteverordnung ein Anspruch auf unentgeltliche Mahlzeiten und Erfrischungen nach Art. 9 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung zugesprochen. Weiterhin steht dem Fluggast nach Art. 9 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung ein Anspruch auf zwei Telefonate, Telexe, Telefaxe oder E-Mails zu. Verzögert sich der Abflug auf den tag nach der angekündigten Flugzeit, dann schuldet das ausführende Luftfahrtunternehmen eine Hotelunterbringung und die Beförderung vom Flughafen zum Hotel und vice versa (Art. 9 Abs. 1 lit. b,c der Fluggastrechteverordnung. Kommt es zu einer Abflugverspätung von mindestens fünf Stunden, dann hat der Fluggast laut dem Art. 8 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechteverordnung die Wahl zwischen der vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten und einem frühestmöglichen Rückflug zum ersten Abflugort (Art. 6 Abs. 1 lit. iii der Fluggastrechteverordnung. Seit dem Sturgeon Urteil (Urt. v. 19.11.09, Rs. C-402/07) des EuGH sind Ausgleichszahlungen im Falle ab einer Verspätung von drei Stunden jedoch rechtsfortbildend zu leisten.

Problematik Zubringer- und Anschlussflug bei Verspätung

Erfolgte eine gemeinsame Buchung des Zubringer- und Anschlussfluges im Sinne einer Flugreise, dann kommt es zu der Problematik, ob bei einer Unterbrechung des Fluges immer noch von einem Flug auszugehen ist oder dann mehrere Flüge anzunehmen sind. Diese Problematik ist in der Fluggastrechteverordnung nicht geregelt. Diese Bestimmung erlangt Wichtigkeit sowohl für die Bestimmung des ausführenden Luftfahrtunternehmens, als auch für die Berechnung der Flugstrecke der Ausgleichszahlung. Für diese Bestimmung muss zwischen verschiedenen Fallkonstellationen unterschieden werden. Durch den BGH wird die Auffassung, dass auf jeden einzelnen Flug anzustellen ist. Das soll selbst dann so gehandhabt werden, wenn alle Flüge von dem gleichen Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden und als Anschlussverbindungen zusammen gebucht werden. Laut dem BGH muss der Begriff des Fluges aus dem Sinn und Zweck der Fluggastrechteverordnung entnommen werden und vor allem aus den Vorschriften, die diesen Begriff verwenden. Bei der Bestimmung des Begriffes „Flug“ ist es nicht von Bedeutung, dass der Erst- und Folgeflug Teil eines Beförderungsvertrages sind und gemeinsam gebucht wurden. Das geht daraus hervor, dass die Fluggastrechteverordnung sich auf die Gesamtheit der Fluggäste eines Fluges bezieht, welcher von einem bestimmten Luftfahrtunternehmen auf einer bestimmten Flugroute durchgeführt wird und mit welchem die Fluggäste von einem Flughafen zu einem anderen Flughafen befördert werden. So entschied der BGH in seiner Entscheidung (Az.: Xa ZR 113/08) vom 28.05.09, dass bei einem Flug von Frankfurt a.M. nach Phönix (USA) und der Kombination, dass der erste Flug bis nach Washington D.C. (ausgeführt durch die Lufthansa) und der Weiterflug zum Endziel Phönix durch den Code-Share Partner United Airlines nicht in den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung fällt. In diesem Fall kam es zu einer geringen Flugverspätung und dadurch dazu, dass der Anschlussflug nicht wahrgenommen werden konnte. Der BGH stuft den gebuchten Weiterflug mit einem anderen ausführenden Luftfahrtunternehmen (und vertraglichen Code-Share-Partner) nach dem Umsteigen als einen neuen inneramerikanischen Flug in einem Drittstaat ein und versagt somit die Anwendung der Fluggastrechteverordnung.

Siehe auch