AG Düsseldorf: Siebeneinhalbstündige Flugverlegung

Aus PASSAGIERRECHTE
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Sachverhalt

Eine Reisende wird gegen ihren Willen auf einen späteren Flug umgebucht. Da sie an diesem kein Interesse hat, verlangt sie stattdessen eine Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung. Das Amtsgericht Düsseldorf hat der Klägerin Recht zugesprochen. Eine Umbuchung auf einen späteren Flug entspreche einer Nichtbeförderung im Sinne der Fluggastrechte Verordnung.

Leitsatz

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 EG-VO 261/04 findet auf jeden Fall der „Nichtbeförderung“ Anwendung. Auch bei einer Umbuchung weigert sich das Luftfahrtunternehmen, den Fluggast auf dem ursprünglich gebuchten Flug zu befördern.

Zusammenfassung

Eine Reisende buchte bei einer Airline einen Flug. Da dieser nicht wie geplant ausgeführt werden konnte, buchte die Airline die Klägerin auf einen spätren Flug um. Da die Klägerin an dem späteren Flug kein Interesse hatte und die Information über die Umbuchung ihr weniger als 14 Tage vor dem geplanten Flug zugegangen waren, verlangt sie nun eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 4 der Verordnung 261/2004. Die Beklagte hält die Umbuchung für zulässig und weigert sich der Zahlung. Das Amtsgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben. Eine Nichtbeförderung im Sinne von Art. 4 der Fluggastrechteverordnung sei auch dann gegeben, wenn der Flug durch das Luftfahrtunternehmen lediglich umgebucht worden sei. Entscheidend sei die willentliche Weigerung der Gesellschaft, den Fluggast zu befördern. Da der Reisenden vorliegend gegen ihren Willen die Beförderung verweigert wurde, seien die Vorschriften über Entschädigungszahlungen im Falle einer Nichtbeförderung entsprechend anwendbar.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) einen Betrag in Höhe von 800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.04.2012 zu zahlen. Ferner wird die Beklagte verurteilt, an die Kläger zu 2) und zu 3) jeweils einen Betrag in Höhe von 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.04.2012 zu zahlen Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kläger vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

Entscheidungsgründe

Der Anspruch scheitert nicht daran, dass die Kläger rechtzeitig über die Umbuchung informiert wurden. Dabei kann dahinstehen, ob Art. 5 lit. c EG-VO 261/04 auf die vorliegende Konstellation der Umbuchung Anwendung findet. Jedenfalls ist den Klägern die Information über die Änderung der Reisezeiten nicht 2 Wochen vor geplantem Reiseantritt zugegangen, während die Umbuchung zu einer Verzögerung von mehr 4 Stunden geführt hat. Zwar ist in ihrem elektronischen Postfach unstreitig am 14.10.2011, 20:16 Uhr, eine E-Mail eingegangen, in der ihnen die betreffende Änderung mitgeteilt wurde. Die bloße Abrufbarkeit der E-Mail führt allerdings noch nicht dazu, dass diese bereits ab diesem Zeitpunkt als zugegangen anzusehen ist. Stattdessen ist von dem Zugang einer Willenserklärung dann auszugehen, wenn diese derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, von dem Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen, und mit der Kenntnisnahme nach der Verkehrsanschauung üblicherweise zu rechnen ist (vgl. NJW 2004, 1320, 1321; Palandt, 72. Aufl., § 130 Rn. 5). Demnach kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger sogleich nach Eingang der E-Mail in ihrem Postfach Kenntnis von deren Inhalt erhalten haben. Zwar werden E-Mails heutzutage auf verschiedene Weise und zu unterschiedlichsten Zeiten abgerufen. Dabei erscheint es nicht als gänzlich ungewöhnlich, wenn elektronische Nachrichten auch noch zu später Stunde abgerufen werden. Gleichwohl kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass dies üblicherweise auch noch nach 20:16 Uhr geschieht. Vielmehr ist entsprechend der Kontrolle eines Briefkastens regelmäßig damit zu rechnen, dass ein Empfänger sein elektronisches Postfach einige Zeit nach seiner üblichen Rückkehr von seiner Arbeitsstelle, mithin etwa im Bereich des späten Nachmittags bzw. der frühen Abendstunden, abruft. Jedenfalls kann ein Erklärender jedoch nicht erwarten, dass sein Gegenüber eine diesem zugesandte E-Mail auch noch nach 20:16 Uhr zur Kenntnis nimmt. Zwar steht der Beklagten der Nachweis eines früheren Zugangs offen (Palandt, 72. Aufl., § 130 Rn. 5). So erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Kläger entgegen des typischerweise zu erwartenden Verlaufs die betreffende E-Mail noch am 14.10.2011 gelesen haben. Hierzu fehlt es jedoch an jeglichem Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten. Die Höhe der zu leistenden Ausgleichsleistung beläuft sich gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. b EG-VO 261/04 vorliegend auf 400,00 EUR je Fluggast, wobei im Hinblick auf die unbestritten vorgetragene Verspätung von 6 ½ Stunden am Zielort eine Kürzung nach Art. 7 Abs. 2 EG-VO 261/04 unterbleibt. Der Anspruch der Ehefrau des Klägers zu 1) ist durch Abtretung gemäß § 398 BGB auf diesen übergegangen. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, 286, 288 BGB, wobei der Zahlungsanspruch erst ab dem 13.04.2012 (Zeitpunkt der endgültigen Zahlungsablehnung seitens der Beklagten) besteht. Ein früherer Verzugseintritt ist nicht ersichtlich, insbesondere tragen die Kläger lediglich vor, die Beklagte mit Schreiben vom 03.04.2012 bis zum 12.04.2012 zur Zahlung aufgefordert zu haben. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits waren dabei der Beklagten insgesamt aufzuerlegen, da ihr teilweises Obsiegen hinsichtlich des Zinsbeginns als verhältnismäßig geringfügig einzuordnen ist. Die Berufung war nicht zu zulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Vereinheitlichung der Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Der Streitwert wird auf 1.600,00 EUR festgesetzt.