Relatives Fixgeschäft

Aus PASSAGIERRECHTE
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Bei einem relativen Fixgeschäft ist die Leistungszeit so wesentlich, dass die Leistung nach Ablauf der Zeit zwar noch möglich, für den Gläubiger aber wenig sinnvoll ist. Eine spätere Leistung stellt aber trotzdem noch eine Erfüllung dar. Die Nichteinhaltung der Leistungszeit führt, anders als bei dem absoluten Fixgeschäft, nicht zur Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB. Jedoch begründet auch hier die Terminüberschreitung Rechte desjenigen, der die Leistungszeit nicht überschritten hat. In Betracht kommt vor allem das Rücktrittsrecht ohne Nachfristsetzung, vgl. § 323 Abs.2 Nr.2 BGB.

Es fragt sich, ob beim Luftbeförderungsvertrag die Abflugzeit von so großer Bedeutung ist, dass der Abschuss eines relativen Fixgeschäfts anzunehmen ist. Die Bedeutung muss demnach über die Fälligkeit im Sinne des § 271 BGB hinausgehen. Einige Stimmen in der Literatur nehmen das an und sind der Ansicht, dass die Parteien regelmäßig ein relatives Fixgeschäft vereinbaren.

Grundsatz des relativen Fixgeschäfts

Grundsatz des relativen Fixgeschäfts ist, dass der vereinbarte Vertrag mit Einhaltung der Leistungszeit „stehen“ oder „fallen“ soll. Dabei ist „fallen“ aber nicht so zu verstehen, dass das gesamte Geschäft „fällt“, wenn die Leistungszeit überschritten wird, sondern vielmehr das Leitungsinteresse des Gläubigers entfällt. Würde man den Begriff „fallen“ hier falsch interpretieren, könnte eine Unterscheidung zwischen relativen und absoluten Fixgeschäft schwierig werden. Um eine einfache Aussage zur Abgrenzung zu treffen, lässt sich hier noch mal kurz erwähnen, dass im Gegensatz zum absoluten Fixgeschäft, die Leistung nach Überschreitung der Leitstungszeit trotzdem noch möglich ist. Regelmäßig hat der Gläubiger jedoch kein Interesse mehr an einer Leistung.

Bezüglich des Luftbeförderungsvertrages lässt sich kurz erwähnen, dass der Fluggast regelmäßig trotzdem ein Interesse an der Leistung hat. Auch bei Überschreiten der Leistungszeit, also bei Verspätung, besteht ein Interesse daran, trotzdem noch befördert zu werden. Bei Überschreiten der Leistungszeit hat der Fluggast die Möglichkeit, ohne Nachfristsetzung, zurückzutreten. Sofern nicht ausdrücklich ein relatives Fixgeschäft vereinbart ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich um ein relatives Fixgeschäft handelt. Formulierungen, welche für ein relatives Fixgeschäft sprechen würden, sind zum Beispiel: „fix“, „genau“, „spätestens“. Oft sind solche Formulierungen jedoch nicht vereinbart. Um trotzdem zu einem Ergebnis zu kommen, ist auf andere Umstände zurückzugreifen. Insofern ist immer der Einzelfall zu betrachten.

Bedeutung der Abflugzeit

Fraglich ist, welche Bedeutung die Abflugzeit für die Einordnung eines Luftbeförderungsvertrages als relatives Fixgeschäft haben könnte.

Bedeutung der Abflugzeit nach den Vertragsumständen

Die Bedeutung der Abflugzeit im Vertrag könnte auf ein relatives Fixgeschäft hindeuten. Dafür kommt es auf die genauen Vertragsumstände an. Für eine besondere Bedeutung der Leistungszeit, und somit der Abflugzeit, könnte hier sprechen, dass der Zeitpunkt des Abfluges minutengenau bestimmt ist, was auf das Vorliegen eines relativen Fixgeschäfts hindeuten könnte. Würde man ein solches nicht vereinbaren wollen, würde auch eine ungefähre Angabe der Leistungszeit genügen. In der heutigen Zeit ist der Luftverkehr allerdings so ausgeprägt, dass eine genaue Bestimmung der Leistungszeit unabdingbar ist. Auch der Fluggast könnte ein besonderes Interesse an der Leistungszeit haben. Dieser wählt in aller Regel das Flugzeug aus, weil es in der heutigen Zeit das schnellste Verkehrsmittel darstellt und so möglichst schnell der gewünschte Ort erreicht werden kann. Dafür ist er auch bereit, einen gewissen Preis zu zahlen. Bei Betrachtung aller Vertragsumstände lässt sich trotzdem nicht zweifelsfrei vom Vorliegen eines relativen Fixgeschäfts ausgehen. Auch wenn kein relatives Fixgeschäft vorliegt, ist der Luftfrachtführer zur Einhaltung der Flugzeiten verpflichtet. Dafür spricht auch, dass der Fluggast, bei Vorliegen der Voraussetzungen, etwaige Verzugsschäden geltend machen kann. Auch die Wahl des Beförderungsmittels dürfte nicht für das Vorliegen eines relativen Fixgeschäftes sprechen. Obwohl es sich um das schnellste Verkehrsmittel handelt, verliert der Fluggast nicht sein Interesse an der Beförderung bei einer Verspätung. Das Interesse an der Leistung dürfte vielmehr im Vordergrund stehen und somit unabhängig von der Einhaltung der Leistungszeit sein.

Bedeutung der Abflugzeit nach der Vertragsnatur

Wie weiter oben bereits aufgeführt, ist die Natur eines relativen Fixgeschäftes, dass der vereinbarte Vertrag mit Einhaltung der Leistungszeit stehen oder fallen soll. Fraglich ist also, ob der Fluggast ein derartiges Interesse an der Abflugzeit hat, dass er bei Überschreiten der Abflugzeit, also bei Verspätung, sein Interesse an der Leistung verliert. Insofern kann man feststellen, dass Fluggäste, auch wenn sie natürlich ein Interesse an einer pünktlichen Beförderung haben, nicht generell ihr Interesse an einer Beförderung verlieren, sobald die Abflugzeit überschritten wird. Das Interesse generell befördert zu werden, dürfte das Interesse an einer pünktlichen Beförderung überwiegen.

Weiterhin erscheint es nicht als sachgerecht, dem Fluggast nach Überschreiten der Abflugzeit einen Rücktritt vom Vertrag ohne Nachfristsetzung zu gewähren, vor allem wenn diese ohne Verschulden des Luftfrachtführers überschritten wird. Angemessener wäre es, weiterhin eine Bindung an den Luftbeförderungsvertrag anzunehmen und den Fluggast dazu zu verpflichten, bestimmte Verspätungen hinzunehmen. Selbst wenn man ein absolutes Fixgeschäft annehmen würde, würde eine Verspätung nicht zur Unmöglichkeit führen. Auch dort werden Unbeachtlichkeitsgrenzen bejaht. Dann muss das erst recht für ein relatives Fixgeschäft gelten. Es wäre allerdings widersprüchlich auf der einen Seite ein relatives Fixgeschäft zu bejahen und andererseits die Rücktrittsmöglichkeit ohne Nachfristsetzung zu beschränken. Wäre ein Rücktritt ohne Nachfristsetzung möglich, würde es nachteilig gegenüber dem Luftfrachtführer erscheinen, denn er müsste bei jeder Verspätung, mit einem Rücktritt seitens des Fluggastes rechnen. Dies würde zu enormen Umsatzeinbußen führen. Die Verluste würden auf alle anderen Passagiere umverlagert werden und so das Fliegen zu moderaten Preisen unmöglich werden lassen. Eine Nachfristsetzung wäre auch deshalb von Vorteil, weil manche Verspätungen schon innerhalb der Frist unbeachtlich werden. Folglich ist der Rücktritt nach einer entsprechenden Nachfristsetzung unproblematischmatischer. In der Zwischenzeit können Fluggäste trotzdem einen etwaigen Verzugsschaden geltend machen.

FluggastrechteVO

Auch der Fluggastrechteverordnung lässt sich entnehmen, dass ein Luftbeförderungsvertrag grundsätzlich nicht als relatives Fixgeschäft angesehen wird. Art. 6 i.Vm. Art. 9 der FluggastrecheVO gewährt dem Fluggast Unterstützungsleistungen im Falle von Verspätungen. Unterstützungsleistungen, wie Nahrung und eventuell Unterkunft, würden ihren Zweck verfehlen, wenn man von einem entfallenen Beförderungsinteresse ausgehen würde. Sie dienen ja gerade dazu, die Gäste bis zur Beförderung zu versorgen. Würde es kein Interesse an einer Beförderung geben, würde es ja gar keinen Grund dafür geben, einen Fluggast zu versorgen. Es gäbe keinen Zeitpunkt, bis zu dem die Unterstützung angeboten werden müsste. Die einzig sinnvolle Erklärung wäre, dass davon ausgegangen wird, dass der Fluggast immer noch ein Interesse an der Leistung hat. Aber auch die Verordnung geht von der Möglichkeit des Entfallens des Leistungsinteresses aus, indem sie dem Fluggast die Rückerstattung des Flugpreises und eine Beförderung zum ursprünglichen Abflugort gewährt.

Ergebnis

Schließlich muss man wohl feststellen, dass es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag nicht um ein relatives Fixgeschäft handelt. Der Fluggast wird trotz Überschreiten der Abflugzeit, ein Interesse an der Beförderung haben. Der Luftbeförderungsvertrag steht und fällt eben nicht mit Einhaltung der Leistungszeit, was schon der Natur eines relativen Fixgeschäfts widerspricht.

Genutzte Rechtsprechung

Gericht, Datum Aktenzeichen Leitsätze/Kernaussage
BGH, Urteil vom 28.05.2009 Xa ZR 113/08
  • Der Luftbeförderungsvertrag ist in der Regel kein absolutes Fixgeschäft.
OLG Frankfurt, Urteil vom 20.02.1997 1 U 126/95
  • Von einem Fixgeschäft ist auszugehen, wenn eine Fluggesellschaft, deren Flüge planmäßig stattfinden, verpflichtet ist, Passagiere, die einen Flug gebucht haben, mit diesem Flug zu befördern.
  • Kann dieser bestimmte Flug zur vorgesehenen Zeit nicht stattfinden, so liegt ein Fall verschuldeter Unmöglichkeit vor, der die Fluggesellschaft schadensersatzpflichtig macht.
AG Frankfurt, Urteil vom 25.10.2013 30 C 1377/13
  • Tritt durch eine Verspätung bzw. einen verpassten Anschlussflug eine übermäßige Verspätung ein, ist der Reisekunde berechtigt, eigeninitiativ ein Ticket einer anderen Airline zu erwerben und die Kosten dem eigentlichen Flugunternehmen in Rechnung zu stellen.
AG Simmern, Urteil vom 10.06.2005 3 C 687/04
  • In Art. 19 Warschauer Abkommen ( Heute das Montrealer Übereinkommen) ist der Fall der Verspätung d.h. die nicht zeitgerechte Erfüllung des Luftbeförderungsvertrags, nicht jedoch die Nichtbeförderung geregelt.
  • Wird ein Linienflug nicht zur vorgesehenen Zeit durchgeführt, so besteht kein Anspruch mehr auf Beförderung, da es sich um ein absolutes Fixgeschäft handelt und Unmöglichkeit eingetreten ist.
  • Die Fürsorgepflicht des Luftfahrtunternehmens kann nicht so weit gehen, dem Fluggast, der auf Grund höherer Gewalt einen Flug nicht nutzen kann, weitere Vermögensaufwendungen zu ersparen.
AG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2004 28 C 14629/04
  • Der auf die Personenbeförderung gerichtete Luftbeförderungsvertrag ist ein absolutes Fixgeschäft, was zur Folge hat, dass dem Luftfrachtführer bei erheblicher Verschiebung der Flugzeiten die vertragliche Beförderungsleistung unmöglich wird und er zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet ist.