Reiseleistungen
Als Reiseleistungen bezeichnet man Leistungen, die vom Reiseveranstalter in Eigenleistung erbracht werden. Hierbei kann sich der Veranstalter Erfüllungsgehilfen, also einem Dritten, der vom Veranstalter zur Erfüllung der Verbindlichkeit gem. § 278 BGB eingesetzt wird, bedienen oder Vertragspartner hinzuziehen. Für solche Leistungen muss er jedoch grundsätzlich selbst haften.
Definition Reiseleistungen
Sobald mehrere Reiseleistungen (mindestens zwei) zu einer einzelnen Leistung gebündelt werden, liegt ein Reisevertrag vor. Entscheidend hierbei ist ein im Voraus festgelegtes Programm.
Reiseleistungen
Reiseleistungen sind grundsätzlich alle vertraglich zugesicherten Leistungen, die nicht ausdrücklich als Fremdleistungen deklariert sind.
Wichtige Indizien für eine Eigenleistung sind die Gestaltung der Werbung, der Prospekte, die Bündelung von Reiseleistungen zu einem Gesamtpreis und das Ausweisen der Preise auf der Rechnung. Auch wenn der Reiseveranstalter mit fremden Leistungen wirbt, kann von einer eigenen Leistung auszugehen sein, sofern der Kunde glauben durfte, dass es sich um ein eigenes Paket handele, für das der Reiseveranstalter mit seinem Namen einstehen wolle. Dies gilt auch für die Prospektgestaltung – legt der Reiseveranstalter durch sein tatsächliches Auftreten nahe, dass er für die Qualität und die Erbringung der Leistung einstehen möchte, etwa durch große Schriftzüge des eigenen und kleinen Schriftzügen des fremden Namens, muss bei dem Reisenden der Eindruck entstehen, dass der Reiseveranstalter diese Leistung selbst erbringen wolle. Je mehr dabei der eigene Name des Reiseunternehmens hervortritt, desto eher ist von einer Eigenleistung auszugehen, da der objektive Reisende davon ausgehen muss, dieses Unternehmen als Vertragspartner vor sich zu haben. Die Beweislast hierfür liegt jedoch beim Reisenden.
Typische Reiseleistungen
Eigene Werbung, insbesondere Werbezettel und Informationsblätter
Wenn aus der eigenen Werbung des Unternehmers und insbesondere der Gestaltung seiner Prospekte sich dem Kunden die Schlussfolgerung aufdrängte, er würde den Vertrag mit diesem Unternehmer schließen, handelt es sich meist um eine Eigenleistung des Unternehmens. Dies kann durch eine große Werbung mit dem eigenen Namen der Fall sein oder wenn der Unternehmer nicht, oder im Verhältnis zum eigenen Namen sehr klein, darauf hinweist, dass es sich lediglich um eine Vermittlung handelt. Entscheidend ist hierbei immer der Eindruck, der dem Kunden vermittelt wird (vgl. OLG Köln, Urteil vom 15.08.1994, Aktenzeichen 16 U 14/94 ).
Wird in einem Katalog eine gesamte Reise unter besonderer Herausstellung des eigenen Namens gezielt mit Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Unternehmens beworben und dabei bei keiner der angebotenen Reisen namentlich ein anderes Unternehmen aufgeführt, handelt es sich bei dem bewerbenden Unternehmen in der Regel ebenfalls um den Reiseveranstalter. Dieser übernimmt dann auch die Verantwortung und haftet für vertraglich etwaig zu erbringende Nebenleistungen, wie den Transport zum Hotel, wenn dies Teil des beworbenen Gesamtarrangements ist
(vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 03.11.2008, Aktenzeichen 2-24 S 205/08 ).
Werbezettel in Verbindung mit der Durchführung der Buchung, der Aushändigung der Tickets und der Entgegennahme der Bezahlung reichen aus, um den ausführenden Unternehmer als Reiseveranstalter zu klassifizieren und ihm infolge dessen die vertragliche Haftung für etwaige Schäden aufzuerlegen, solange bei der Gesamtwürdigung der Umstände keine gewichtigen Gegenargumente vorliegen.
Zusatzleistungen am Urlaubsort
Auch wenn Leistungen am Urlaubsort hinzu gebucht werden, führt dies nicht automatisch dazu, dass der Reiseveranstalter nicht der Vertragspartner ist, denn er haftet auch für am Urlaubsort gebuchte Zusatzleistungen, wenn er durch sein tatsächliches Auftreten dem Reisenden gegenüber den Eindruck einer Eigenleistung erweckt hat. Entscheidend ist auch hier der objektive Empfängerhorizont. Um eine Eigenleistung handelt es sich beispielsweise dann, wenn in einer Begrüßungsmappe mit dem Aufdruck und der Werbung des Reiseveranstalters ein Hinweis auf Zusatzleistungen enthalten war, der lediglich bei der Reiseleitung buchbar war, das Logo des Reiseunternehmens sich ebenfalls auf den Veranstaltungskarten und dem Bus befanden und lediglich in einer kleinen Randnotiz darauf hingewiesen wurde, dass es sich nicht um eine Eigen- sondern um eine Fremdleistung handeln solle. Auch wenn das „Kleingedruckte“ lediglich die Vermittlerrolle vorsieht, steht dies in Widerspruch zu dem tatsächlichen Verhalten der Reiseleitung. Insbesondere Leistungen, die ausschließlich bei dem eigenen Reiseleiter buchbar und bezahlbar sind, sowie etwaige Leistungs- oder Sicherheitsversprechen seitens der Reiseleitung, legen nahe, dass es sich um eine Eigenleistung handelt. Hier ist für den durchschnittlichen Reisenden nämlich nicht unmissverständlich klar, dass keine Eigenleistung erbracht werden solle, weswegen sich das Unternehmen nicht auf den Standpunkt eines Vermittlers außerhalb des Organisations- und Einflussbereichs des Reiseveranstalters zurückziehen könne (vgl. BGH, Urteil vom 19.06.2007, Aktenzeichen X ZR 61/06 ).
Macht ein Reisender gegen einen Reiseveranstalter Minderungs- und Schmerzensgeldansprüche aufgrund eines Unfalls anlässlich einer zusätzlich gebuchten Vulkanbesteigung geltend, so ist der Reiseveranstalter der richtige Anspruchsgegner, wenn sein Gesamtverhalten nahe legt, dass der Ausflug trotz gesonderter Buchung in Organisations- und Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters stattfinden sollte. Aus einem Hinweis in der Prospektbeschreibung "Gegen Gebühr: Ausflüge" lässt sich für den Reisenden nicht folgern, dass die Zusatzleistung nur als Fremdleistung vermittelt wird. Der Umstand, dass der Ausflug bei der Reiseleitung gebucht und bezahlt worden ist, stellt ein Indiz dafür dar, dass der Reiseveranstalter den gebuchten Ausflug als eigene Leistung anbietet (LG Frankfurt a.M. RRa 2009, 143).
Weitere Indizien für eine Eigenleistung seitens des Reiseveranstalters sind die Buchung ausschließlich bei der eigenen Reiseleitung, wobei auch die örtlichen Reiseleiter eines Veranstalters zu dessen Verrichtungsgehilfen zählen, oder am eigenen Auskunftschalter, sowie das Fehlen des Hinweises auf eine Fremdleistung und das Einsetzen eigener Reiseleiter für die Zusatzleistung. Weiterhin kann von einer Eigenleistung ausgegangen werden, wenn die Büros, in denen die Zusatzleistung gebucht wird, als „Vertreter“ des Reiseveranstalters bezeichnet werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.1990, Aktenzeichen 18 U 166/89). Insoweit trägt das Unternehmen im Hinblick auf § 164 II BGB die Darlegungs- und Beweispflicht; sie muss also vortragen, inwiefern erkennbar hätte sein müssen, dass es sich bei der Leistung um eine Fremdleistung handele (OLG Celle RRa 2002, 195).
Die vor Ort gebuchten Zusatzleistungen, wie Jeep-Ausflüge oder Vulkanbesteigungen, können auch dann eine Eigenleistung des Reiseveranstalters darstellen, wenn der Reisende diese im Rahmen einer Pauschalreise vor Ort hinzu gebucht hat, sofern der Reiseveranstalter den Eindruck erweckt, dass es sich um eine Eigenleistung handelt ( OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.11.2004, Aktenzeichen I-18 U 101/02 ).
Beförderungsangebote (Charterflüge)
Bei Beförderungsangeboten, wie Charterflügen, kommt es entscheidend auf die Formulierung in dem zugrundeliegenden Vertrag an. Ist von einer „eigenen“ Beförderungsleistung die Rede, sowie von einem „Vertragspartner“, der die Beförderung übernimmt, liegt der Schluss nahe, dass es sich um eine eigene Leistung handelt. Auch hierfür spricht in diesem Zusammenhang, wenn in dem Vertrag zumeist von dem Reiseunternehmer und nicht dem Beförderer, sowie dem Kunden gesprochen wird. Werden dagegen Bezeichnungen wie „Agent“ oder „Fremdleistung“ verwendet, liegt eine Reisevermittlerstellung näher (BGH, Urteil vom 21.03.1974, Aktenzeichen VII ZR 87/73).
„Rail & Fly Tickets“
Auch bei „Rail & Fly Tickets“, die ihrer Natur nach eher auf ein Vermittlungsverhältnis hindeuten, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. So wurde bei einem einheitlichen Auftreten des Unternehmers, der mit der komfortableren Anreisemöglichkeit per Bahn warb, die Tickets als Teil des Gesamtpreises auswies und nicht ausdrücklich die Deutsche Bahn AG als Herausgeberin der Tickets nannte, von einer Eigenleistung ausgegangen. Insbesondere entscheidend war hier der Hinweis auf die Vorzüge des Bahntransfers im Gegensatz zu einer Anfahrt mit dem Auto, sowie die Buchungsempfehlung, die besagte, dass ein Zug gewählt werden sollte, der zwei Stunden vor dem Abflugzeitpunkt eintreffen würde. Dies legt nahe, dass der Reiseveranstalter etwaige Verspätungen bereits einkalkuliert hat und im Gesamterscheinen für diese einstehen möchte ( BGH, Urteil vom 28.10.2010, Aktenzeichen Xa ZR 46/10 ). Ist der „Zug zum Flug“ gar Teil einer Pauschalreise und wird derart im Prospekt beworben, handelt es sich um ein starkes Indiz für eine Eigenleistung. Hierfür sprechen auch die Erwähnung in der Reisebestätigung und das Bezahlen eines Gesamtpreises, sowie der Hinweis im Katalog auf eine Gesamtleistung der Reise inklusive der Zugfahrt (LG Berlin, Urteil vom 30.11.2012, Aktenzeichen 55 S 114/11).
Pauschalreisen
Mängelanzeigen an den Anbieter zur Abhilfe
Auch wenn ein Unternehmen sich selbst ausdrücklich als „Vermittler“ von Mietverträgen für Ferienwohnungen bezeichnet, ist es Reiseveranstalter, sofern es verlangt, dass Mängelanzeigen direkt an es zu richten sind, damit es für Abhilfe sorgen kann und für die Geltendmachung etwaiger Mängelansprüche eine Frist von einem Monat nach vertraglich vorgesehener Beendigung der Reise vorsieht. Dies liegt daran, dass sich solche Klauseln aus Sicht eines unbefangenen Lesers nur so verstehen lassen, dass das Unternehmen für den ordnungsgemäßen Zustand der angebotenen Räumlichkeiten sorgen möchte. Dabei handelt es sich jedoch um eine Pflicht, die typischerweise nur vom Reiseveranstalter übernommen wird, nicht jedoch vom typischen Vermittler. Deshalb ergibt sich in diesem Fall aus dem Gesamtauftreten trotz der ausdrücklichen Klarstellung des Unternehmens, dass dieses Reiseveranstalter und nicht bloß Vermittler ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.12.1989, Aktenzeichen 18 U 163/89).
Sicherungsschein und Reisebestätigung
Die Übergabe eines Sicherungsscheins, also eines Dokuments der Versicherung bezüglich der erhaltenen Kundengelder gem. § 651r BGB, stellt ein Indiz für eine Eigenleistung des auf dem Schein bezeichneten Unternehmens dar. Allerdings ist die – versehentliche – Übersendung eines eigenen Sicherheitsscheins des Reisevermittlers unschädlich, da alleine das Übersenden eines Sicherungsscheins nicht dafür ausreicht, das Unternehmen, das auf dem Schein genannt ist, als Reiseveranstalter zu sehen. Entscheidend ist auch hier, wie das Unternehmen insgesamt dem Reisenden gegenüber auftritt. Ebenso verhält es sich mit der Reisebestätigung. Das in der Reisebestätigung als Reiseveranstalter genannte Unternehmen, dessen Reisebedingungen gelten sollen, ist in der Regel auch der Reiseveranstalter. Auch wenn ein anderes Unternehmen hierbei bezüglich der Reisebestätigung und der Einziehung des Reisepreises vermittelnd tätig geworden ist, ist dies der Reiseveranstaltereigenschaft des genannten unschädlich, da dies, insbesondere bei Reisebüros, durchaus üblich ist. ( LG Frankfurt a.M., Urteil vom 23.04.2012, Aktenzeichen 2-24 O 181/11)
Entgegennahme der Zahlung
Nimmt ein Reiseunternehmen eine Zahlung entgegen und quittiert diese, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich bei der bezahlten Leistung um eine Fremdleistung handelt, ist bezüglich dieser Leistung ohne Hinzutreten weiterer Faktoren zunächst von einer Eigenleistung des Unternehmens auszugehen (OLG Frankfurt aM NJW-RR 2000, 351).
Sobald es sich jedoch um Leistungen handelt, die typischerweise nicht zum Umfang einer Pauschalreise gehören, wie z.B. Jeepsafaris, reicht es nicht aus, wenn der Reiseleiter das Geld entgegen nimmt und dies quittiert. Hier ist auf weitere Faktoren, wie die Werbung und das Gesamtverhalten des Reiseveranstalters abzustellen (AG Hannover, Urteil vom 26.11.2002, Aktenzeichen 555 C 10563/02).