Amtsgericht Mönchengladbach, Urteil vom 19.01.2013, Aktenzeichen 36 C 352/12 (Flightright AGB)

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Leitsatz AG Mönchengladbach, Urt. v. 19.01.2013, Az 36 C 352/12

Die Leitsätze werden vom jeweiligen Autor im Sinne einer Zusammenfassung selbst erstellt und sind nicht offiziell.

  • Ein Inkassodienstleister, der wirbt "Wir kümmern uns um alles und Sie zahlen nur, wenn wir Erfolg haben!", kann sich durch die AGB keine Entschädigungszahlung wegen vorzeitiger Vertragsbeendigung vorbehalten.
  • Bei einer Klausel wie der nachfolgend zitierten, handelt es sich um ein Druckmittel, durch das die Kunden der Flightright GmbH davon abgehalten werden sollen, sich von dem Vertrag zu lösen:
"Wünschen Sie keine Beauftragung des empfohlenen Vertragsanwaltes, endet der Inkassoauftrag mit der Mitteilung an uns automatisch. Nur in diesem Fall würden wir Ihnen die Bearbeitungspauschale in Rechnung stellen. Im Gegenzug treten wir Ihnen die an uns abgetretenen etwaigen Kostenerstattungsansprüche gegenüber der Fluggesellschaft (§ 5.2) wieder zurück ab."
  • Das Ansinnen der Flightright GmbH, sich für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages einen Geldbetrag versprechen zu lassen, wäre legitim, wenn die Flightright GmbH nicht ausdrücklich damit werben würde, dass ihre Leistungen für die Kunden grundsätzlich kostenfrei und nur im Erfolgsfall zu vergüten seien.



Tenor des Urteils v. 19.01.2013, Az 36 C 352/12

  • Die Klage wird abgewiesen.
  • Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.
  • Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
  • Die Berufung der Klägerin wird zugelassen.



Tatbestand des Urteils v. 19.01.2013, Az 36 C 352/12

Die Klägerin bietet Flugreisenden, deren Flüge verspätet waren, an, ihre Entschädigungsansprüche gegenüber den Fluggesellschaften außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen. Sie wirbt unter anderem auf Handzetteln und im Internet damit, dass die Kunden nur im Erfolgsfall zahlen müssten.

Die Beklagte flog am 00. August 2011 mit der Fluggesellschaft Air Berlin von Thessaloniki nach Düsseldorf. Der Flug traf fünf Stunden und fünf Minuten nach der geplanten Ankunftszeit am Zielort ein. Ein Mitarbeiter der Klägerin verteilte an die Reisenden Handzettel, auf denen stand (vgl. Bl. 48 d.A.):

„DIE REISEKASSE UM 600 EUR AUFBESSERN?“

und

„Bei verspäteten oder annullierten Flügen gibt es nach EU-Recht bis zu 600 EUR Entschädigung. Wir kümmern uns um alles und Sie zahlen nur, wenn wir Erfolg haben!“

Die Beklagte nahm über die auf dem Handzettel angegebene Internet-Homepage der Klägerin, http://www.flightright.de, Kontakt mit der Klägerin auf und beauftragte diese mittels eines Formulars mit der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches. Dabei gab die Beklagte an, dass sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin akzeptiere.

7

   Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthielten zu jenem Zeitpunkt unter anderem folgende Bestimmungen (vgl. Anlage K3, Bl. 21 ff. d.A.):

8

   㤠1 Leistungsbeschreibung

9

   […]

10

   6. Als Rechtsdienstleister ist uns Ihre Vertretung vor den ordentlichen Zivilgerichten (außer im Mahnverfahren) nicht gestattet. Daher empfehlen wir Ihnen unter Umständen die Beauftragung eines Vertragsanwaltes zur gerichtlichen Durchsetzung der Forderung.

11

   7. Beauftragen Sie den von uns vorgeschlagenen Vertragsanwalt, kommt ein Anwaltsvertrag unmittelbar zwischen Ihnen und dem Vertragsanwalt zustande. Sie gestatten uns in diesem Fall, dem Vertragsanwalt Zugriff auf Ihre „Akte“ zu gewähren und erlauben dem Vertragsanwalt, uns über den weiteren Fortgang Ihrer Angelegenheit zu informieren.

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   8. Wünschen Sie keine Beauftragung des empfohlenen Vertragsanwaltes, endet der Inkassoauftrag mit der Mitteilung an uns automatisch. Nur in diesem Fall würden wir Ihnen die Bearbeitungspauschale in Rechnung stellen. Im Gegenzug treten wir Ihnen die an uns abgetretenen etwaigen Kostenerstattungsansprüche gegenüber der Fluggesellschaft (§ 5.2) wieder zurück ab.

13

   § 2 Online-Auftrag / Online-Konto

14

   […]

15

   4. Sollte sich herausstellen, dass der Fluggast schuldhaft fehlerhafte Daten angegeben hat und können die Kosten unserer Tätigkeit daher nicht als Verzugsschaden bei der Fluggesellschaft geltend gemacht werden, können dem Fluggast diese Kosten in voller Höhe als Bearbeitungsgebühr in Rechnung gestellt werden („Bearbeitungspauschale“). Die Kosten berechnen sich entsprechend der Kosten eines Anwaltes für eine Geschäftsgebühr nach RVG 2300 Faktor 1,5. Bei einer Forderung bis zu € 300, betragen die Kosten beispielsweise einschließlich Umsatzsteuer € 53,55.“

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   Die Klägerin forderte die Air Berlin PLC Co. Luftverkehrs KG mit einer E-Mail vom 00. August 2011 (Anlage K1, Bl. 18 d.A.) auf, aus abgetretenem Recht der Beklagten sowie deren Mitreisender zwei Entschädigungen von jeweils 400,00 EUR zu zahlen. Dies tat die Air Berlin PLC Co. Luftverkehrs KG nicht.

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   Daraufhin empfahl die Klägerin der Beklagten, die Forderung durch ihre Vertragsanwälte gerichtlich geltend machen zu lassen. Die Beklagte beauftragte die Vertragsanwälte nicht. Mit E-Mail vom 00. November 2011 (Anlage K4, Bl. 26 d.A.) erklärte die Klägerin die Kündigung des Auftrags. Unter dem 00. April 2012 stellte sie der Beklagten eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 139,23 EUR in Rechnung (Anlage K5, Bl. 27 d.A.).

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   Die Klägerin behauptet, sie verfüge über die erforderliche Befugnis, Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Sie ist der Ansicht, wegen der überdurchschnittlichen Schwierigkeit der bei der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen Flugreisender zu beachtender Rechtsfragen sei ein Entgelt angemessen, dass einer 1,5-Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG, zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer entspreche.

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   Die Klägerin beantragt,

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   die Beklagte zu verurteilen, an sie 139,23 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 00. Mai 2012 sowie Inkassokosten 20,00 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit sowie Protokosten und Auslagen in Höhe von 2,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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   Die Beklagte beantragt,

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   die Klage abzuweisen.

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   Die Beklagte ist der Ansicht, die Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin bezüglich der Bearbeitungsgebühr seien im Hinblick auf das „Kostenlos-Versprechen“ widersprüchlich und unwirksam. Die Regelung wirke sich wie eine Vertragsstrafe aus, welche die Kunden in ihrer Freiheit einschränke, zu entscheiden, ob und durch wen sie ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen wollen.

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   Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.