Abtretung

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Abtretung

Flugastrechte VO und die Abtretung

In der Flugastrechte VO wird die Frage der Abtretung einer Forderung des Kunden gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen nicht weiter beleuchtet. Diesbezüglich spricht der Gesetzgeber kein Abtretungsverbot aus, da es sich bei der Abtretung um ein höchstpersönlichen Anspruch handelt. Weiterhin lässt sich ein Verbot der Zession nicht aus anderen Rechtsakten, wie der Fahrgastrechte VO entnehmen. Ferner besteht auch kein unionsrechtliches Prinzip, dass die Zession einer persönlich erlittenen Unbill die einen Zeitverlust kompensiert verbietet. Im Gegenteil wird die Zulässigkeit der Zession durch das Urteil des EuGH vom 10.03.2016 in der Rs. C-94/14 bekräftigt.

Rechtsnatur der Ansprüche aus der Fluggast VO

Ob die Forderungen aus der Fluggast VO einen vertraglichen oder außervertraglichen Hintergrund haben, ist bislang noch nicht abschließend vom EuGH geklärt. Allerdings zeichnet sich in der bisherigen Judikatur des EuGH ab, dass im weitesten Sinne eine vertragliche Qualifikation nahe liegt. Dafür spricht der Tenor der Vorlageentscheidung des EuGH. Dementsprechend sind deliktische Ansprüche aus nationalem Recht für die internationale Zuständigkeit nach Brüssel I als rechtsgeschäftlich einzustufen. Weiterhin deckt sich eine vertragliche Auslegung mit der herrschenden Meinung in Deutschland BGH Urteil vom 25.02.2016 - X ZR 35/15.

Die Zession nach Maßgabe von Art. 14 II Rom I VO

Die Zession untersteht im Verhältnis zwischen dem Zedenten und Zessionär als Verfügungsgeschäft nach Art. 14 Abs. 1 Rom I -VO vorrangig dem zwischen Zedent und Zessionär vereinbarten Recht, subsidiär dem kraft objektiver Anknüpfung ermittelten Recht. Folglich kann ein Kunde mit Lebensmittelpunkt in Deutschland seinen Anspruch aus der Flugastrechte-VO gemäß Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Rom I- VO an ein hier tätiges Unternehmen abtreten, auch die Wahl des deutschen Rechts ist gegenüber dem Verbraucher zulässig. Im Lichte des Art. 14 Abs. 2 Rom I- VO ergibt sich das Problem, ob die Airline durch die Wahl eines ausländischen Rechts ein schuldnerschützendes Abtretungsverbot aus dieser Verordnung dem Kunden gegenüber aktivieren kann. Nach Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO ist auf das Forderungsstatut abzustellen. Allerdings speist das Forderungsstatut aus dem Einheitsrecht. Zu dieser Problematik gibt es zwei verschiedene Ansichten.

Rechtsvergleichender Ansatz

Es liegt nahe, „rechtsvergleichend“ diejenigen Ansätze insbesondere für das UN-Kaufrecht und CMR heranzuziehen. Die Frage der Abtretung wird nicht unmittelbar im CISG geregelt. Demzufolge wird zur Lückenfüllung zunächst mithilfe des jeweiligen nationalen IPR ein Sachrecht ermittelt, beispielsweise die Rom I-VO. Die Kunst besteht darin, zu prüfen, welches Recht ohne das Einheitsrecht zwischen den Parteien gelten würde. Vorrang genießt für den unternehmerischen Geschäftsverkehr der in Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO verankerte Grundsatz der Parteiautonomie. Denn erst wenn eine solche Rechtswahl fehlt bzw. fehlgeschlagen ist, erfolgt eine objektive Anknüpfung nach Art. 4 Rom I-VO.


Modifiziertes Anknüpfungsmodell

Welches Recht bei Ausschluss der Flugastrechte-VO anzuwenden ist, zwischen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen und dem betroffenen Kunden nach der Rom I-VO könnte durch das modifizierte Anknüpfungsmodell beantwortet werden. Geboten erscheint es ein auf alle Fallkonstellationen anwendbares Anknüpfungsmodell zu verwenden. Das modifizierte Anknüpfungsmodell stellt bei vertraglicher Qualifikation auf die Rom I-VO und dort wiederum ihren Art. 5 Abs. 2 für die Personenbeförderung ab. Art. 6 scheidet hingegen nach seinem Abs. 4 Buchst. b) Rom I-VO aus. Damit lässt sich das Modell gleichermaßen auf zu befördernde Verbraucher wie Geschäftsreisende anwenden. Dieses Anknüpfungsmodell basiert im Ausgangspunkt auf der vorherrschenden Auffassung zum CISG. Als Besonderheit ergibt sich, dass in sämtlichen Fallkonstellationen zunächst das Vertragsstatut kraft objektiver Anknüpfung anhand von Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Rom I-VO ermittelt werden muss. Denn die Fluggastrechte-VO erfordert gerade nicht, dass Anspruchssteller und -gegner Vertragsparteien sind. Indessen darf nicht verkannt werden, dass ein Pauschal- und Luftbeförderungsvertrag eine eigenständige Quelle von Ansprüchen gegen den Luftbeförderer bzw. dem Reiseveranstalter darstellt. Dieser Lösungsansatz ist in der Rom I-VO aufgehängt, dort aber entsprechend Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 anstelle von Art. 4 Abs. 1, 2 Rom II-VO sowie Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO als Pendant zu Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO unterstellt wird.

Anwendung des modifizierten Anknüpfungsmodells

Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Rom I-VO

Abzustellen ist gemäß Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO auf diejenige Rechtsordnung, welche nach Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 Rom I-VO kraft objektiver Anknüpfung zwischen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen und der zu befördernden Person gilt. Sofern sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kunden mit dem Abgangs- oder Bestimmungsort deckt, wird das Recht in dem jener seinen Lebensmittelpunkt hat nach Art. 20 Rom I-VO zur Anwendung berufen. Dieses Statut entscheidet dann über die „Übertragbarkeit“ der Forderung und die „befreiende Wirkung einer Leistung“ des Schuldners an den Altgläubiger. Legaldefiniert wird der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes für natürliche Personen in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 Rom I-VO. Sollte dementsprechend ein Kunde mit Lebensmittelpunkt in Deutschland grenzüberschreitend mit Hilfe eines Luftbeförderers ein Ziel erreicht haben, gilt für das hypothetische Abtretungsverbot das deutsche Sachrecht und nicht das vom Vertragspartner gewählte ausländische Recht. Decken sich Abgangs- und Bestimmungsort nicht mit dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kunden greift kraft objektiver Anknüpfung aus Art. 5 Abs. 2 Satz 2 wiederum i.V.m. Art. 20 Rom I-VO das Recht des Landes, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO

Es darf nicht verkannt werden, dass Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO eine restriktiv zu handhabende Ausweichklausel mit erhöhter Eingriffsschwelle darstellt. Der Wortlaut „offensichtlich“ verlangt bereits eine engere Verbindung, da eine Abkehr von Art. 5Abs. 3 Rom I-VO nur in Begründeten Ausnahmefällen gerechtfertigt ist. Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung des Statuts. Für ein solches Verständnis spricht ferner die Verwandtschaft mit Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO Die Rechtswahl spielt für Art.5 Abs. 3 Rom I-VO eine zentrale Rolle. Allerdings sind als zweite Rechtsquelle weitere Umstände einzubeziehen, dazu zählt zum Beispiel die das Ausrichten von Airlines über elektronische Medien auf den Aufenthaltsstaat des Kunden, sowie der Abschlussort des Geschäfts und die Vertragssprache bis hin zur Registrierung des Transportmittels. Vorrang gegenüber dem Recht des Luftfahrtunternehmens an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort genießt der Kundenschutz, sofern dessen gewöhnlicher Aufenthaltsort mit Abgangs- und Bestimmungsort übereinstimmt. Entscheidend für eine kumulative Anknüpfung des Luftbeförderers ist unter einer objektiven Gesamtschau, dass eine engere Verbindung des Luftfahrtunternehmens vorliegt. Voraussetzung dafür sind mindestens drei gleichwertige Anknüpfungstatsachen aufseiten der Airline, die für eine Anwendbarkeit des gewählten ausländischen Sachrechts sprechen. Zum einen ist der Aufenthalt des Carriers in einem anderen Mitgliedstaat, sowie der Abgangs- und Bestimmungsort entscheidend. Zum anderen kommt dem Ankunfts- und Abgangsort eine erhebliche Bedeutung zu. Sollte der Carrier also als vertraglicher Luftbeförderer ein bestimmtes ausländisches Recht eines Mitgliedstaates wählen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. seine Hauptverwaltung hat und ebenso der Abgangs- oder Bestimmungsort liegt, ist an eine Durchbrechung von Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 Rom I-VO durch Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO zu denken. Erst für den Fall, dass Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO ausnahmsweise eine Auflockerung erlaubt, kann sich aus dem gewählten ausländischen Recht kraft Gesetzes oder durch eine Formularabrede ein Abtretungsverbot ergeben, welches dem Schuldnerschutz dient.

kein Zessionsverbot im deutschen Sachrecht

Literatur und Judikatur gehen in Deutschland bisher nicht auf ein mögliches Abtretungsverbot, wegen des höchstpersönlichen Charakters der Ansprüche aus der Fluggast-VO ein. Die Abtretbarkeit wird damit stillschweigend vorausgesetzt. [AG Hannover vom 08.02.2012 (531 C 10491/11)]

Zusammenfassung

Die Fluggastrechte-VO schweigt zum Thema der Abtretung der Ansprüche eines Kunden. Der EuGH bejaht stillschweigend eine Zession. Es ist von einer vertraglichen Rechtsnatur der Forderungen aus der Fluggastrechte-VO auszugehen. In Anlehnung an das CISG ist das hypothetische Statut zwischen dem faktischen Luftbeförderer und dem betroffenen Kunden kraft objektiver Anknüpfung zu bestimmen. Sofern sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kunden mit dem Abgangs- und Bestimmungsort deckt, wird das Recht des Landes, in dem jener seinen Lebensmittelpunkt hat zur Anwendung berufen.